Biotech-Stimmungsbarometer: Zuversicht kehrt langsam zurück

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Stellten die Ergebnisse des Biotech-Stimmungsbarometers in Berlin vor: Patrick Dieckhoff, Viola Bronsema, Peter Heinrich, Pablo Serrano (v.l.n.r.) Quelle: biotechnologie.de

07.01.2010  - 

Die deutsche Biotechnologie lässt die Krise kalt. Und das in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist die befürchtete Pleitewelle bisher ausgeblieben. Zum anderen sind wieder mehr Unternehmen zuversichtlich, was die zukünftige Geschäftsentwicklung angeht. Das hat eine Umfrage unter 217 Unternehmen ergeben, deren Ergebnisse am 7. Januar vom Biotechnologie-Industrieverband BIO Deutschland zusammen mit dem Branchenmagazin |transkript in Berlin vorgestellt wurden. „Die deutsche Biotechnologie-Branche hat im vergangenen Jahr trotz schwerer Lage eine erstaunliche Widerstandskraft bewiesen", kommentierte Patrick Dieckhoff, Redaktionsleiter von |transkript. Dennoch könnte dieses Jahr zum Prüfstein der Branche werden. Entscheidend sei, dass die Versorgung mit Kapital wieder anspringt.


 

Mittlerweile zum vierten Mal haben BIO Deutschland und das Fachmagazin |transkript gemeinsam die aktuelle Befindlichkeit der deutschen Biotech-Unternehmen genauer unter die Lupe genommen: Wie beurteilen Sie die derzeitige Geschäftslage? Wie schätzen Sie das aktuelle Geschäftsklima ein? Wie wird das Jahr 2010 gesehen? Soll Personal eingestellt oder abgebaut werden? Aus den Fragebögen, die 217 Unternehmen zurücksandten, lässt sich eine - angesichts der weltwirtschaftlichen Achterbahnfahrt der vergangenen beiden Jahre - erstaunliche Konstanz herauslesen. Die deutsche Biotechnologie erweist sich nach wie vor als Branche mit langfristiger Perspektive, die sich von kurzfristigen Schwankungen nicht verrückt machen lässt – noch nicht.

Unternehmensbefragung 2009-2010

Die Ergebnisse der "Trends in der deutschen Biotechnologie-Branche 2010" sind im Detail auf der Website der BIO Deutschland nachzulesen.

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Jedes zweite Unternehmen blickt optimistisch auf 2010

Die meisten Firmen (mehr als 90%) beurteilen ihre aktuelle Geschäftslage im Augenblick ganz ähnlich wie in den vergangenen drei Jahren, nämlich als gut bis befriedigend. Bei einigen Berufsoptimisten steige die Zuversicht sogar schon wieder, berichtete Patrick Dieckhoff. "Im Gegensatz zu 2009 erscheint das Ausmaß der Krise für viele Biotech-Unternehmen jetzt kalkulierbar. Viele sehen das Licht am Ende des Tunnels.“ So glauben 47% der befragten Unternehmen dass es ihnen 2010 besser gehen wird als noch im Jahr zuvor. 2009 waren es nur 33%. Gleichzeitig schrumpft die Zahl derjenigen, die ihre Felle davonschwimmen sehen, auf 7%.

Im Jahr 2010 will die Branche, die nach aktuellen Daten der jährlichen Firmenumfrage von biotechnologie.de insgesamt an die 30.000 Personen beschäftigt (mehr...), wieder verstärkt neue Mitarbeiter einstellen. 56% der befragten Unternehmen kündigten an, ihr Personal aufzustocken. (2009: 50%). Nur noch jedes zwanzigste Unternehmen rechnet mit Entlassungen, im Vorjahr waren das mehr als doppelt so viele (11%). Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung zeigt sich, dass die Krise zwar noch zu keinen Sparzwängen, aber eben auch nicht für mehr Geld gesorgt hat. 54% wollen diesen Budgetposten unverändert lassen, nur 39% wollen erhöhen. Das ist ein neuer Tiefstand. 2009 kündigten noch 41% an, hier mehr investieren zu wollen, 2007 waren es sogar 56%. Die Wahrnehmung des Klimas - also der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen - ist ebenfalls beinahe unverändert geblieben. Wie im Vorjahr bewertet beinahe jedes vierte Unternehmen das Klima als gut, und nach wie vor hält sich ein etwas kleinerer, aber hartnäckiger Block der Pessimisten. Knapp zwei Drittel der Firmen beurteilen die Rahmenbedingungen als befriedigend. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der neuen Regierung, das zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht in trockenen Tüchern war, dürfte die Stimmung allerdings etwas heben.

Der Vorstandsvorsitzende der BIO Deutschland, Peter Heinrich, hofft auf Investitionen aus den USA.Lightbox-Link
Der Vorstandsvorsitzende der BIO Deutschland, Peter Heinrich, hofft auf Investitionen aus den USA.Quelle: biotechnologie.de

Höhepunkte 2009: Erster therapeutischer Antikörper aus Deutschland 

Das schätzt jedenfalls Bio Deutschland-Geschäftsführerin Viola Bronsema. "Wir begrüßen die Verbesserungen in der internen Verlustverrechnung bei innovativen Technologieunternehmen", sagte sie in Berlin. Doch plädiere BIO Deutschland weiterhin dafür, dass Unternehmen die durch Forschung und Entwicklung aufgetretenen Verluste „uneingeschränkt“ steuerlich geltend machen können. Bronsema denkt in diesem Zusammenhang auch an Steuergutschriften, eine steuerliche Förderung von Venture Capital oder eine besondere Förderung von innovativen kleinen und mittleren Unternehmen, wie sie etwa die YIC-Initiative des EU-Rahmenprogramms vorsieht.

Die deutsche Biotechnologie-Branche

Umfassende Informationen zur aktuellen Lage der deutschen Biotechnologie gibt es in der aktuellen Firmenumfrage 2009, die biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt hat.

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Blieb die Fieberkurve der Branche über das Krisenjahr 2009 doch insgesamt stabil, gab es bei näherem Hinsehen durchaus einige Stimmungsspitzen. Mit Removab konnte die Trion AG aus München zum ersten Mal einen in Deutschland entstandenen therapeutischen Antikörper zur Zulassung bringen (mehr...), wie Dieckhoff betonte. Außerdem startete das Diagnostikunternehmen Epigenomics die Vermarktung des ersten Darmkrebs-Bluttests (mehr...). Die Brahms AG aus Berlin wurde zwar in die USA verkauft, das aber für eine Summe, die als Kompliment an die hiesige Branche verstanden werden kann (mehr...). Der Biotech-Diagnostikspezialist war dem Laborzulieferriesen Thermo Fischer immerhin 330 Millionen Euro wert.  Der Probiodrug AG gelang ein im Jahr 2009 seltenes Bravourstück: Die Hallenser Medikamentenentwickler sammelten von ihren Investoren 36 Millionen Euro an frischem Kapital ein (mehr...). Diese Finanzierungsrunde - eine der weltweit größten im vergangenen Jahr - bleib allerdings die rühmliche Ausnahme. Nach dem "leisen Sterben der VC-Fonds" sind nur noch zehn Prozent der europäischen Venture-Capital-Fonds aktiv, berichtete Dieckhoff. In den ersten drei Quartalen 2009 wurden nur 125 Millionen Euro Wagniskapital in die deutsche Biotechnologie investiert", so Dieckhoff. In diesem Jahr müsste der Strom an Wagniskapital auf mindestens 500 Millionen Euro anschwellen, damit es zu keinen größeren Firmenpleiten kommt, da waren sich Dieckhoff und Bronsema einig.

In diesem Zusammenhang hofft Dieckhoff auf neue Modelle der Zusammenarbeit zwischen Pharma- und Biotechfirmen, die weitere Verbreitung von Kleinanleger-Fonds wie den MIG-Fonds oder das Vorbild prominenter Einzelinvestoren wie den Strüngmann-Zwillingen, "die zeigen, dass sich die Investition in die Biotechnologie lohnen kann". Peter Heinrich, der Vorstandsvorsitzende der Bio Deutschland, richtet den Blick dagegen über den Atlantik. "Wir sollten nicht immer nur innerhalb von Deutschland oder Europa denken", sagte er in Berlin. Im letzten Quartal 2009 seien mehr als 17 Milliarden Dollar in die Biotechnologie der USA  geflossen. "Das Geld ist da", sagte er. Auch deutsche Unternehmen seien international konkurrenzfähig. "Wir müssen uns nur noch aggressiver verkaufen, auch auf internationaler Ebene."

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