Wilde Verwandte wappnet Gerste gegen Zwergen-Krankheit
10.09.2009 -
Mit Gerstenpflanzen macht das „Gerstengelbverzwergungs-Virus“ wahrlich kurzen Prozess: Die infizierten Pflanzen kümmern fortan als vergilbte Grasbüschel vor sich hin. Solch zwergenhafte Gersten verursachen Landwirten erhebliche Ernteausfälle. Pflanzenzüchter haben bislang vergeblich versucht, resistente Getreidesorten zu züchten. Experten des Julius-Kühn-Instituts (JKI) in Groß Lüsewitz half nun ein Blick in die ferne Gerstenverwandtschaft: Sie fanden in einer Wildart ein Gen, dass den Viren Paroli bieten kann. Mithilfe moderner Züchtungstricks haben sie nun auch die bislang wehrlose Kulturgerste mit dem Resistenzgen gewappnet.
Das weltweit verbreitete Gerstengelbverzwergungsvirus (Barley Yellow Dwarf Virus, BYDV) profitiert vom Klimawandel. Überträger des schädlichen Keims sind Pflanzensauger, die es gerne warm mögen, darunter die Haferblattlaus oder die Große Getreideblattlaus. Gerade in milden Wintern sind diese Insekten weiter aktiv und verursachen vor allem bei der Wintergerste, aber auch bei anderen Getreiden erhebliche Ertragseinbußen. Der gängige Weg ist bislang, die Läuse durch Insektizide in Schach zu halten. Doch Pflanzenzüchter suchen nach einem ökologisch sinnvolleren Weg: Sie wollen die Getreide resistent gegen das Virus selbst machen.
Gesucht: Resistente Verwandte gegen Bonsai-Wuchs
Die Julius-Kühn-Forscher aus dem mecklenburgischen Groß Lüsewitz berichten nun in der Fachzeitschrift Theoretical and Applied Genetics (Vol. 119, 2009, Ausg. 5, S.837-849) über ihre Suche nach einem möglichen Resistenzgen. Zunächst mussten die Wissenschaftler detaillierte Ahnenforschung bei den verschiedensten Gerstenarten betreiben. Es zeigte sich: Keine der näheren Verwandten der Kulturgerste besitzt ein Gen, das sie wirksam vor Angriffen des Verzwergungs-Virus schützt.
Bekannt waren lediglich virustolerante Sorten, die es schaffen, mit dem Virus zu leben. „Sie werden vom Virus infiziert, ohne dass die Pflanzen den charakteristischen Zwergwuchs und die Vergilbung aufweisen“, sagt Peter Wehling vom JKI. Problem: In diesen Pflanzen vermehrt sich das Virus ungebremst weiter. Werden solche Gersten von Blattläusen mit ihren Saugrüsseln angezapft, so infizieren sich die Insekten. Angesteckt mit den Zwergwuchs-Viren können sie diese nun von Pflanze zu Pflanze tragen. Virus-tolerante Gersten helfen also nicht weiter, um die Verbreitung des BYDV einzudämmen.
Züchtungsforschung am Julius-Kühn-Institut (JKI) |
Das Julius-Kühn-Institut ist das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen mit mehreren Standorten in Deutschland. Zum JKI: hier klicken |
Eine wilde Art vom anderen Ende des Gersten-Stammbaums
So weiteten die JKI-Forscher ihre Suche auf wilde Ahnen der Gerste aus. Bei der Wildgerste Hordeum bulbosum, einer Art ganz am anderen Ende des Gersten-Stammbaums, wurden sie tatsächlich fündig. Die Wildpflanze besitzt eine Erbanlage (RYD4), die sie offenbar komplett vor einer Virus-Infektion schützt.
Nun ist es dem Team um Wehling gelungen, das entdeckte Resistenzgen in die wehrlose Kulturgerste zu übertragen, sie also ebenfalls mit dem „ genetischen Schutzschild“ auszustatten. Dazu verwendeten die Wissenschaftler moderne biotechnologische Züchtungsmethoden: die so genannte Präzisionszucht (Smart Breeding). Damit lassen sich die interessanten Erbgut-Abschnitte der Wildart gezielt in die Kulturgerste einkreuzen.
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Wie die Forscher berichten, haben sie es mittlerweile geschafft, die interessanten Genstücke stabil im dritten Chromosom der Kulturgerste zu verankern. „Damit steht die Basis, um neue resistente Gerstensorten zu züchten“, sagt Wehling. Einige weitere Kreuzungsschritte sind allerdings noch nötig, um zufällig mitübertragene Gene von Hordeum bulbosum mit unerwünschten Nebenwirkungen wieder zu entfernen.
Arsenal an weiteren interessanten Resistenz-Genen
Die wilde Verwandte Hordeum bulbosum erweist sich offenbar immer mehr als genetische Schatzkammer: Sie besitzt auch neuartige Resistenzgene gegen Übeltäter wie die Gelbmosaikviren, den Mehltau und den Zwergrost. Gut möglich, dass die wilde Gerste über ein noch größeres Arsenal an bislang unerkannten „Schutzgenen“ verfügt, die Pflanzenzüchter im Kampf gegen schädliche Mikroben noch gut gebrauchen können.