Salmonellen im Kampf gegen Krebs

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Die eingefärbte elektronenmikroskopische Aufnahme von Salmonella typhimurium-Bakterien (rot), die in menschliche Zellen eindringen. Quelle: ocky Mountain Laboratories, NIAID, NIH

03.09.2009  - 

Besonders im Sommer steigt die Gefahr einer Infektion mit Salmonellen. Werden Eierspeisen oder Hühnerfleisch zu warm gelagert, können sich die Mikroben dort vermehren. Im menschlichen Körper lösen die Bakterien schwere Erkrankungen aus. Die gefürchteten Erreger könnten aber auch zu Verbündeten des Menschen werden, wie Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig herausgefunden haben. Im Fachmagazin Plos One (Vol. 4, Ausg. 8, August 2009) berichten sie, dass sich Salmonellen bei Mäusen als Krebsbekämpfer verdient gemacht haben. Sie wandern selbständig in die Tumore ein und helfen, sie zu zerstören. Sie können aber auch selbst Tochtergeschwulste (Metastasen) im Körper aufspüren.




Die Forscher um Sara Bartels und Siegfried Weiß vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) haben die Salmonellen bei ihrem Feldzug gegen die Tumorzellen beobachtet. Dabei bekommen die Mikroben offenbar unbeabsichtigte Schützenhilfe vom Immunsystem. Ein körpereigener Botenstoff sorgt dafür, dass die Blutgefäße im Krebsgewebe durchlässig werden. Durch diese Bresche im Verteidigungswall können die Bakterien einwandern und den Tumor besiedeln. Gleichzeitig sammelt sich das Blut im Gewebe und es bildet sich eine so genannte Nekrose - der Tumor stirbt ab. Dieser bekannte Effekt hat die Forscher auf die Spur der Bakterien gebracht.

Tumor mit Salmonellen. Die gelb-grünen Punkte sind Bakterien, in blau ist die Außengrenze des Tumors dargestellt.Lightbox-Link
Tumor mit Salmonellen. Die gelb-grünen Punkte sind Bakterien, in blau ist die Außengrenze des Tumors dargestellt.Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Salmonellen könnten einmal gezielt in Tumore einwandern

"Der Bluteinstrom in das Tumorgewebe war der Ausgangspunkt für unsere Suche nach dem Mechanismus", sagt Siegfried Weiß, Leiter der Arbeitsgruppe "Molekulare Immunologie" am HZI. "Es gibt einen Botenstoff bei Entzündungen, der genau so eine Reaktion auslöst. Den haben wir zunächst gesucht - und gefunden." Dieser Botenstoff ist nach einer seiner Aufgaben im Körper benannt: Tumornekrosefaktor, kurz TNF-alpha. Die Immunzellen senden TNF-alpha aus, wenn sie beispielsweise Salmonellen im Körper entdecken und alarmieren damit andere Zellen des Immunsystems. Durch die Entzündungsreaktion lösen sich aber auch Blutgefäße auf. Das gleiche passiert nun auch in einem Tumor: Hier hat TNF-alpha ein leichtes Spiel, denn die Blutgefäße in einem Krebsgeschwür unterscheiden sich grundlegend von einer gesunden Arterie oder Vene. Die Gefäße im Tumor sind ungleichmäßig gebaut, porös und haben teilweise tote Enden. So reicht nur eine geringe Menge des Faktors aus, um die Wände der Blutbahnen im Tumor aufzulösen und das Blut in das Gewebe einströmen zu lassen.

Der Salmonellenzüchter
Thilo Fuchs vom Institut für Mikrobiologie an der Fachhochschule Weihenstephan in Freising untersucht mit genetischen Methoden, warum Salmonellen im menschlichen Darm so unbeschadet gedeihen.
zum Forscherprofil: hier klicken

Das Zusammenspiel von Botenstoff und Bakterien ist im Augenblick noch eine zufällige Begleiterscheinung einer eher mißlichen Situation: eine gleichzeitige Krebserkrankung und Salmonelleninfektion. Um die Salmonellen zu professionellen Krebsbekämpfern auszubilden, müssten die Salmonellen mit gentechnischen Methoden verändert werden. Im besten Fall könnten diese speziellen Salmonellen dann zukünftig im Körper von Krebspatienten gezielt in Tumore einwandern und diese zum Absterben bringen. Der große Reiz dieser Art Tumore abzutöten, liegt in den Lebensgewohnheiten der Salmonellen. Sie fühlen sich nahezu überall wohl - egal ob ihnen Sauerstoff in schlecht durchbluteten Geweben zur Verfügung steht oder nicht. Genau diese schlecht versorgten Zonen in einem Geschwulst erreichen jedoch traditionelle Krebstherapien nicht, denn dort wo kein Blut mehr strömt, werden auch keinen Chemotherapeutika hin transportiert. Und selbst Strahlentherapie benötigt Sauerstoff für die Reaktionen im Gewebe.

Die Entdeckung zum Anhören
Jeden Monat berichtet das HZI über eine Entdeckung in einem eigens produzierten Hörstück. Die Salmonellen als Krebsbekämpfer sind eines davon.
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Richtiges Maß aus Angriffslust und Zerstörungskraft

Das Phänomen, dass Tumore von Bakterien angegriffen werden, kennen Wissenschaftler schon länger. Allerdings war eine Krebstherapie mit Krankheitserregern bislang undenkbar. Zu groß wäre das Risiko für die Patienten an der Infektion zu sterben. "Wir haben jetzt einen wichtigen Hinweis bekommen, wie Salmonellen in den Tumor eindringen, und nun können wir versuchen, die Bakterien entsprechend so zu manipulieren, dass sie für die Krebstherapie nutzbar werden ohne gefährliche Infektionen auszulösen", sagt Sara Bartels, Postdoktorandin in der Arbeitsgruppe von Siegrfried Weiß. Dabei helfen vor allem die Ergebnisse ihrer Studie. Die hat gezeigt, dass die Ausschüttung von TNF-alpha dazu beiträgt, dass die Salmonellen den Tumor effizient besiedeln können. Folglich könnten zu stark abgeschwächte Salmonellen nicht mehr in der Lage sein, den Tumor zu besiedeln, da das Immunsystem nicht stark genug auf sie reagiert und zu wenig des Nekrosefaktors ausschüttet.

"Wir müssen jetzt das richtige Maß an Aggressivität der Bakterien finden, so dass der Tumor besiedelt und zerstört, der Patient aber nicht gefährdet wird", erklärt die Wissenschaftlerin. Gelingt den Forschern aus Braunschweig dieses Kunststück, können sie sogar noch einen Schritt weiter gehen und die Salmonellen dazu nutzen, therapeutische Stoffe im Tumor freizusetzen, die zu dessen effektiver Zerstörung beitragen. Die würden dann mit den Salmonellen in den Tumor gelangen und auch noch die letzten Krebszellen abtöten - und das wäre eine Revolution in der Tumortherapie. "Es handelt sich hierbei aber noch um absolute Grundlagenforschung und Versuche mit Labormäusen", sagt Siegfried Weiß, "es kann noch Jahre dauern, bis diese Methode für den Menschen einsetzbar ist."

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