Risikogene für Bluthochdruck gefunden

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Die Grundbestandteile des Blutes: Erythrozyt, Thrombozyt und Leukozyt (von links) im Elektronenmikroskop. Quelle: Electron Microscopy Facility at The National Cancer Institute at Frederick (NCI-Frederick)

13.05.2009  - 

Jeder vierte Deutsche ist davon betroffen, weltweit ist es jeder Sechste: Die Kreislauferkrankung ist eine der am meisten verbreiteten Volkskrankheiten. Zu hoher Blutdruck erhöht das Risiko für Herzerkrankungen und Schlaganfälle und verursacht jährlich etwa sieben Millionen Todesfälle weltweit. Ein großer Teil der Erkrankung hat etwas mit dem Lebenswandel zu tun – falsche Ernährung, zu wenig Bewegung und infolge dessen Übergewicht. Auch erhöhter Kochsalz- und Alkoholkonsum gelten als Risikofaktoren. Jetzt hat ein großes internationales Forscherkonsortium Risikogene für Bluthochdruck identifiziert.

Schon seit Jahren haben Wissenschaftler vermutet, dass es auch eine genetische Veranlagung für Herz-Kreislaufstörungen gibt. Welche Gene dafür verantwortlich sind, war jedoch bisher unbekannt. Wissenschaftler der Greifswalder Gesundheitsstudie "Study of Health in Pomerania" (SHIP) und des Zentrums für Innovationskompetenz Funktionelle Genomforschung (ZIK FunGene) haben gemeinsam mit Kollegen vom Helmholtz-Zentrum München sowie der TU München und weiteren 163 Wissenschaftlern aus Europa und den USA acht der häufigsten Genvarianten identifiziert, die den Blutdruck verändern. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Fachmagazin Nature Genetics (2009, Vol 41 Nr.5, Onlinevorabveröffentlichung, 10. Mai).

Blutdruckmessgerät im Krankenhaus. Jeder vierte Deutsche hat zu hohen Blutdruck und damit ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle.Lightbox-Link
Blutdruckmessgerät im Krankenhaus. Jeder vierte Deutsche hat zu hohen Blutdruck und damit ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle.Quelle: Thomas Sienicki (Wikimedia)
Über 136 000 Menschen auf zwei Kontinenten analysiert

Auch der Suche nach dem blutdruckregulierenden Genen haben die Greifswalder Wissenschaftler etwa 2,5 Millionen Genvarianten von über 4000 Studienteilnehmern aus dem Großraum Greifswald verglichen und ausgewertet. Dabei identifizierten sie acht Genvarianten, die für einen höheren oder niedrigeren Blutdruck sorgen. Um sicher zu gehen, wurden diese Ergebnisse anschließend mit den Genproben von 90 000 Europäern und 12 000 Asiaten verglichen.

„Zum ersten Mal ist es einem internationalen Wissenschaftlerkonsortium gelungen, genetische Varianten zu identifizieren, die sich auf den Blutdruck auswirken“, resümierte der Direktor des Instituts für Physiologie am Greifswalder Uniklinikum, Rainer Rettig. „Die Wissenschaftler sind damit der Aufklärung der genetischen Ursachen dieser weit verbreiteten Erkrankung ein großes Stück näher gekommen.“

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Individuelle Behandlungsmöglichkeiten

Wer jetzt glaubt, seinen Bluthochdruck ausschließlich auf die Erbanlagen schieben zu können, ist jedoch im Irrtum. Denn jede der einzelnen Genvarianten für sich beeinflusst den Blutdruck nur minimal (0,5-1 mmHg). Auch die in über zehnjähriger Arbeit erstellte SHIP-Studie sei zunächst „nur eine Massendatensammlung,“ betont Rettig.

Ihr Wert erschließe sich aus den Vergleichsmöglichkeiten. „Im Austausch und Abgleich mit gleichwertigen Datenmengen anderer Forschungseinrichtungen und Regionen wird der Fundus zu einem unschätzbaren Instrument der Zukunftsforschung“, so Rettig (zur Pressemitteilung). Die SHIP-Studie ist unter dem Dach der Schwerpunktbildung der Greifswalder Medizinischen Fakultät entstanden, die nach der Wiedervereinigung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) maßgeblich unterstützt wurde.

Aufbau der SHIP-Studie vom BMBF unterstützt

Das Ziel der sogenannten NBL-Förderung bestand darin, den Aufbau einer leistungsfähigen klinischen Forschung an ostdeutschen Hochschulen zu fördern und damit zu einer einheitlichen und differenzierten Forschungslandschaft beizutragen. Die Förderung erfolgt in drei aufeinander aufbauenden Maßnahmen (NBL 1, 2, 3) zwischen 1991 und 2008. Insgesamt wurden mehr als 150 Mio. Euro dafür eingesetzt.

Seit 1993 konnte hiervon auch der Standort Greifswald profitieren. Im Mittelpunkt der ersten Förderrunde (NBL 1: 1993 - 1996) standen bei den Greifswaldern mit Hypertonie (Bluthochdruck) und Diabetes zwei Erkrankungen mit hoher Verbreitung in der Bevölkerung. Aus diesem Forschungsprofil heraus entwickelte sich - unterstützt durch eine einschlägige Empfehlung des Wissenschaftsrates aus dem Jahre 1992 - der Forschungsschwerpunkt Community Medicine (Versorgungsforschung), der in Greifswald auch die zweite Förderrunde (NBL 2: 1997 - 2001) im Wesentlichen bestimmte.

Zwischen 1997 und 2001 wurde schließlich mit der Regionalen Basisstudie Vorpommern (heute Study of Health in Pomerania, SHIP-0) die damals größte bevölkerungsbasierte epidemiologische Studie in Deutschland durchgeführt. Parallel zur Community Medicine entwickelte sich der Forschungsverbund Molekulare Medizin. Mit der NBL3-Förderung (NBL 3/Phase I: 2002 - 2004) wurden die Profilstränge Community Medicine und Molekulare Medizin aufgenommen und weiter ausgebaut. Im Forschungsverbund Community Medicine wurde mit einer Nachfolge-Untersuchung der SHIP-0-Population begonnen und eine systematische Analyse der gesundheitlichen Situation von Neugeborenen in der Region Vorpommern gestartet. Darüber hinaus wurde der Forschungsverbund durch die Gründung des ersten Instituts für Community Medicine in Deutschland gestärkt. Die letzte Förderphase im NBL 3/II llief 2007 aus. Inzwischen wird die SHIP-Studie durch die Siemens AG unterstützt und weitergeführt (mehr Informationen: hier klicken).

Zukunft: Individualisierte Medizin
Bestärkt durch die aktuellen Ergebnisse erhoffen sich die Greifswalder Wissenschaftler ein besseres Verständnis von Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und neue Behandlungsansätze. Dennoch sei Bluthochdruck letztlich eine Kombination verschiedener Risikofaktoren. Mit dem Wissen um genetische Dispositionen könne man künftig jedoch individueller auf die Voraussetzungen der Patienten eingehen, glaubt Rettig und ist überzeugt: „Die individualisierte Medizin ist auf dem Vormarsch.“

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