Beim Pfropfen wandert das Erbgut

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An solchen Verwachsungsstellen, wie hier zwischen Ahorn und Pappel, kann genetisches Material zwischen verschiedenen Pflanzen auch über Artgrenzen hinweg ausgetauscht werden. Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie

08.05.2009  - 

Eine überraschende Übertragung von Genmaterial zwischen artfremden Pflanzen haben jetzt Forscher des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam nachgewiesen. Sie haben entdeckt, dass Pflanzen beim Pfropfen nicht nur miteinander verwachsen, sondern auch ihr Genmaterial an der Stelle austauschen. Das berichten sie im Fachmagazin Science. (2009, Vol. 324, Issue 5927, Pages 565-663)

Das Pfropfen ist eine Methode der klassischen Pflanzenzüchtung, die beim Obst- und Weinbau genutzt wird. Ein Edelreis wird dabei auf eine Pflanze aufgesetzt und versiegelt, so dass beide miteinander verwachsen. Die Methode dient vor allem der Vermehrung und Veredelung von Pflanzen. Bisher waren Forscher davon ausgegangen, dass die beiden Pflanzen zwar optisch miteinander verwachsen, jedoch ihren Genbestand separat erhalten. Die Wissenschaftler Sandra Stegemann und Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam haben jetzt herausgefunden, dass die Pflanzen dabei auch Genmaterial austauschen, also ein ungeschlechtlicher bzw. horizontaler Gentransfer stattfindet.

Hintergrund

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Wie die Forscher im Fachmagazin Science berichte, verwendeten sie für den Versuch zwei Tabakpflanzen als Modellorganismus, die mit zwei unterschiedlichen Antibiotikaresistenz-Genen markiert wurden. Bei der einen Pflanze wurde der Marker im Zellkern eingebaut, bei der anderen in den Chloroplasten. Beide Pflanzen wurden anschließend aufeinander gepfropft, wobei einmal die kernmarkierten und einmal die in den Chloroplasten markierten Pflanzen das Propfreis bildeten.

Die Zellen treiben aus

Nachdem die Pflanzen zusammen gewachsen waren, fertigten die Wissenschaftler Querschnitte der Pfropfungsstelle an. Diese legten sie auf Wachstumsmedien mit beiden Antibiotika. Das Wachstumsmedium lässt pflanzliche Zellen wachsen, die aufgebrachten Antibiotika verhindern es. Zu erwarten gewesen wäre, dass keine der Zellen wächst, weil die Pflanzen jeweils nur mit der Resistenz gegen eines der Antibiotika markiert waren.

Dennoch entwickelten sich aus einem Teil der Zellen wieder Pflanzen – für die Forscher der Beweis, dass in den Zellen offenbar beide Widerstandsgene aktiv waren. Das konnte nur durch einen Genaustausch geschehen sein. Die relativ hohe Zahl der entwickelten Pflanzen lasse außerdem vermuten, dass dieser horizontale Austausch regelmäßig stattfindet, so die Wissenschaftler.

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Besonders interessant dürften diese Forschungsergebnisse für die deutschen Weinbauern sein. Wie keine andere Pflanze haben Weinreben mit Pilzerkrankungen zu kämpfen (mehr...) . Der Einsatz von Fungiziden ist jedoch schwierig und nicht unumstritten. Auf der anderen Seite ist es nicht ganz einfach, neue resistente Sorten zu entwickeln, wie das Beispiel Regent zeigt. 25 Jahre dauerte die konventionelle Kreuzung zwischen pilzresistenteren nordamerikanischen und bekannten deutschen Sorten. Trotzdem etablierten sich die unbekannten Trauben bei Weinbauern und Verbrauchern nur schwer, der Regent fristet bis heute ein Nischendasein.

Für die heutige Züchtung kann das Wissen um einen genetischen Austausch von großer Bedeutung sein. „Die Ergebnisse zeigen, dass wir unser Verständnis der klassischen Züchtungsmethoden immer wieder überdenken müssen“, sagt Ralph Bock. So können auch durch althergebrachte Züchtungsmethoden gezielt pilzresistente Gene in die Basispflanze eingebracht werden, ohne dass sich die bekannte Weinsorte ändert. „Das ist ein Hinweis für die Dynamik der genetischen Information und ihrer Evolutionsmechanismen“, so Bock weiter. In weiteren Forschungen sollen nun die Übertragungsmechanismen geklärt werden. Außerdem wollen die Wissenschaftler herausfinden, inwiefern eine solche horizontale Genübertragung auch bei artfremden Pflanzen möglich ist.

© Cornelia Kästner

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