Aus dem Biotech-Labor zum Leistungssport

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Mit den neuesten Beichten von Radsportlern ist das Thema Doping wieder auf die aktuelle Agenda gerückt. Quelle: pixelquelle.de

11.07.2007  - 

Sie sind eigentlich als Medikamente für Asthmatiker, Krebskranke oder Dialyse-Patienten gedacht und werden doch oft zweckentfremdet. Nicht nur im Radsport, auch in der Leichtathletik oder beim Schwimmen werden Präparate genommen, die Biotechnologen ursprünglich zur Behandlung von Krankheiten entwickelt haben. So ist das blutverdickende Hormon EPO beispielsweise für Patienten mit chronischem Nierenversagen oder Blutarmut bei Krebs gedacht. Seit Jahren gehört es jedoch seit Jahren zu den am meisten verkauften Biotech-Produkten weltweit. Allein die US-amerikanische Firma Amgen hat 2006 rund sieben Milliarden Dollar mit seinen beiden EPO-Produkten verdient. Eine aktuelle Studie aus Italien sieht in der Diskrepanz zwischen Patienten- und Absatzzahlen ein Indiz dafür, dass gezielt über den medizinischen Bedarf hinaus produziert wird – um die Nachfrage von Dopern zu befriedigen.

Profisportler gehen immer wieder an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und um hier das Maximale zu erreichen, arbeiten Sportler seit Jahrzehnten eng mit Medizinern zusammen. Beim Doping wird diese Zusammenarbeit jedoch derart ausgeweitet, dass Medikamente zur Leistungssteigerung eingesetzt werden, die eigentlich für Patienten gedacht sind. Biotechnologisch hergestellte Arzneien spielen hierbei eine zentrale Rolle – EPO ist dabei nur eine der Substanzen, die sich auf der Doping-Liste einen Platz erobert haben. Zudem gibt es Szenarien, die die Nutzung von gentherapeutischen Verfahren zu leistungssteigernden Zwecken für möglich halten, auch wenn bislang noch kein offizieller Fall eines solchen Gendopings bekannt geworden ist.

Das US-amerikanische Unternehmen Amgen hat das erste biotechnologisch hergestellte EPO auf den Markt gebracht.Lightbox-Link
Das US-amerikanische Unternehmen Amgen hat das erste biotechnologisch hergestellte EPO auf den Markt gebracht.Quelle: Amgen

EPO: Leistungssteigernde Luftzufuhr

Das Hormon Erythropoetin (EPO) hat der amerikanischen Biotech-Firma Amgen inzwischen Milliardenumsätze beschert und den Aufstieg des einst kleinen Unternehmens maßgeblich vorangetrieben. 1989 wurde das erste biotechnologisch hergestellte EPO von Amgen für den amerikanischen Markt zugelassen, inzwischen sind neuere Varianten der zweiten Generation auf dem Markt. Für das Unternehmen ist EPO ein Glücksfall, denn das Medikament zählt zur Gruppe der Blockbuster, also jenen Arzneien, die mehr als eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr erwirtschaften. Im Jahr 2006 hat allein Amgen mit seinen beiden EPO-Produkten rund sieben Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Allerdings geriet das Unternehmen in den vergangenen Monaten verstärkt in die Schlagzeilen: Klinische Studien mit EPO bei Krebspatienten mussten abgebrochen werden, weil das Medikament offenbar zu mehr Todesfällen als in der Vergleichsgruppe geführt hatte, die kein EPO-Präparat bekommen hatten. (vgl. Nature, April 2007, Vol. 25, S. 363) Zu den größten Produzenten von EPO gehört der Schweizer Pharmakonzern Roche, der unter anderem in Deutschland in Penzberg einen großen Standort hat.

EPO wird seit Ende der 80er Jahre gentechnisch hergestellt

EPO ist eigentlich ein körpereigenes Hormon, das in der Niere hergestellt wird und die Bildung von roten Blutkörperchen stimuliert. Dann kann der Körper mehr Sauerstoff aufnehmen und in die Zellen transportieren. 1977 wurde EPO erstmals aus menschlichem Urin isoliert. Anfang der 80er Jahre wurde von einem Amgen-Mitarbeiter das EPO-Gen entdeckt und daraufhin ist ein gentechnisches Verfahren etabliert worden, mit dem sich das menschliche Hormon auf synthetische Weise in Zellen von Säugetieren herstellen lässt. Hierdurch wurde die großtechnische Produktion von EPO in geeigneten Mengen möglich.

Mit regelmäßigen Dopingproben sollen Sportler überführt werden.Lightbox-Link

Wenn es um Doping geht, gehört Professor Wilhelm Schänzer von der Deutschen Hochschule Sport in Köln zu den Experten in Deutschland. Auf der Internetseite seines Institutes finden Sie ausführliche Informationen zum Thema Doping.

Mehr Informationen

Als Medikament wird es Patienten mit chronischem Nierenversagen oder Blutarmut bei Krebs verordnet. Sportler schätzen EPO, weil sie dadurch leistungsfähiger werden und offenbar auch die Neubildung von Blutgefäßen in Muskeln bewirken, was gegen Übersäuerung hilft. Für Sportler ist EPO allerdings auch eine ständige Gefahr, weil das Blut dicklfüssiger wird und sich leichter Gerinnsel bilden können. Dies wiederum kann zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Seit Ende der 90er Jahre kann EPO-Doping im Blut nachgewiesen werden.

Wie weit verbreitet EPO-Doping inzwischen ist, hat der italienische Sportwissenschaftler Alessandro Donati in einer Ende April veröffentlichten Studie für die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) berechnet. Demnach wird EPO seinen Berechnungen zufolge gezielt über den medizinischen Bedarf hinaus produziert. Laut Donati wird fünf- bis sechsmal soviel hergestellt, wie eigentlich angesichts der Patientenzahlen nötig wäre. Donati schätzt die Zahl der EPO-Doper auf weltweit 500.000 Menschen.

EPO-Wirkung ohne Spritzen

Eine EPO-Wirkung ohne Spritzen des Hormons lässt sich auch durch Substanzen erreichen, die Hypoxia inducible factors (Hif) genannt werden. Diese Faktoren sind normalerweise bei Sauerstoffmangel im Blut aktiv und regen die vermehrte Produktion von körpereigenem EPO an. Ist der Körper ausreichend versorgt, wird Hif abgebaut. Neuartige Mittel, sogenannte Hif-Stabilisatoren, sorgen hingegen dafür, dass solch ein Abbau gehemmt wird. Dadurch zirkuliert Hif länger im Blut und regt laufend die EPO-Produktion an, auch wenn längst kein Mangel mehr besteht. Forscher haben die Substanzen eigentlich für Patienten mit Blutarmut entwickelt.

Wachstumshormone: Nachschub für die Muskeln

Neben EPO gibt es aber noch andere biotechnologisch hergestellte Medikamente, die von Sportlern missbraucht werden. So erhoffen sich viele vom Wachstumshorm Somatotropin einen Leistungsschub. Eigentlich wird dieses Hormon natürlicherweise im Vorderlappen der Hirnanhangdrüse gebildet, um das Längenwachstum zu stimulieren. Nehmen Erwachsene synthetisch hergestellte Wachstumshormone dieser Art ein, hat dies eine anabole Wirkung: Die Mittel setzen Zucker frei, regen das Wachstum von Muskeln an und sind deshalb bei Kraftsportlern sehr beliebt. Gleichzeitig verbrennt zusätzlich zugeführtes Wachstumshormon enorm viel Fett im Körper, weshalb auch Schauspielern nachgesagt wird, diese Substanzen zu nutzen – als „Anti-Aging“-Produkt. Nebeneffekte zeigen sich in einem übernormalen Wachstum von Füßen, Händen, aber auch Nase, Kinn und Augenbrauen können betroffen sein. Das Risiko für Diabetes, Gelenkschmerzen, Krebs und Herzrythmusstörungen nimmt enorm zu. Sportwissenschaftler Donati glaubt, dass gut ein Drittel des weltweiten Umsatzes mit Wachstumshormonen auf das Konto von Dopern geht.

Doping: Missbräuchliche Nutzung von MedikamentenLightbox-Link

Wie EPO werden auch Wachstumshormone seit Mitte der 80er Jahre gentechnisch hergestellt und zur Therapie von Kleinwüchsigen einesetzt. Inzwischen hat diese synthethische Produktionsweise allerdings auch zu einem Doping-Test geführt, der von deutschen Forschern an der Ludwig-Maximilians-Universität in München entwickelt wurde. Die Wissenschaftler machen sich dafür den Unterschied zwischen natürlichen und gentechnisch hergestellten Wachstumshormonen zunutze. Während das natürliche Hormon aus mehreren unterschiedlichen Formen zusammengesetzt ist, besteht das synthetisch hergestellte nur aus einer Form. Im Blut lassen sich die einzelnen Bestandteile nachweisen und überwiegt letztere Variante, dann liegt Doping nahe.

Inzwischen wurden in den Biotech-Laboren der Medikamentenentwickler neue Arzneien entwickelt, die zur Stimulierung des Wachstums bei Zwergwüchsigen eingesetzt werden, bei denen eine Andockstelle für das Wachstumshormon fehlt. Solche sogenannten Insuline-like-Growth-Factors (IGFs) wirken als Bote zwischen den Hormonen und den Körperzellen und regen ebenfalls die Vergrößerung von Muskeln und Geweben an. Nehmen Sportler diese Art von Medikamente, droht ihnen akuter Unterzucker – dies kann so plötzlich eintreten, dass sie einfach tot umfallen.

Gendoping – bislang nur Theorie

Wenn von Doping und Biotechnologie die Rede ist, kommt das Thema schnell auf Gendoping. Hierbei handelt es sich um gentherapeutische Verfahren, die missbräuchlich angewandt werden könnten. Dabei wird unter anderem auf eine von der britischen Biotech-Firma Oxford Biomedica entwickelte Therapie für Patienten mit Blutarmut infolge von chronischer Nierenschwäche verwiesen, die unter dem Namen Repoxygen erforscht, an Tieren getestet und im Jahr 2002 eingestellt wurde. Sie beruhte auf dem Prinzip, dass das Gen für EPO mithilfe einer Virus-Fähre in Zellen eingeschleust wird, nachdem es in den Muskel gespritzt wird. Das Gen war allerdings so programmiert worden, das es nur bei Sauerstoffmangel aktiviert werden sollte – eine bei Sportlern nicht ungedingt hilfreiche Voraussetzung. Eine andere Möglichkeit des Gendopings bestünde in der Hochregulierung des IGF-Gens via Gentherapie. Auch dieses Verfahren wurde bislang nur bei Labormäusen getestet. Bislang ist noch offizieller kein Fall von Gendoping bei Sportlern bekannt worden und viele Experten halten dies auch für unwahrscheinlich. So würde das gesundheitliche Risiko bei Repoxygen bei fast 100 Prozent liegen, sagte Wilhelm Schänzer, deutscher "Doping-Papst" und Leiter des Instituts für Biochemie der Kölner Sporthochschule, im vergangenen Jahr dem Biotech-Nachrichtenmagazin transkript. "Wenn man die Substanz einsetzt, wird die Person wahrscheinlich sterben", urteilte Schänzer damals. 

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Downloads

World traffic in doping substances (in engl.)

Alessandro Donati, April 2007, im Auftrag der Welt-Doping-Agentur (WADA) Download PDF (529,6 KB)