Den Ursachen der Herzschwäche auf der Spur

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Eine Verdickung des Herzens (Hypertrophie: rechts) kann durch Mutationen im Eiweiß Titin ausgelöst werden. Quelle: NGFN

13.02.2007  - 

Titin ist eines der größten Eiweiße im menschlichen Körper und als molekulare Sprungfeder ein wichtiger Bestandteil im Herzmuskel: Nachdem sich der Muskel zusammenzieht und dadurch das Blut aus dem Herzen in den Kreislauf gepresst wird, sorgt Titin dafür, dass sich das Herz wieder zurück in die ursprüngliche Form entspannt und so frisches Blut nachströmen kann. Jetzt hat ein Team um Michael Gotthardt am Max-Delbrück-Zentrum für molekulare Medizin (MDC) in Berlin zusammen mit Forschern aus den USA nachgewiesen, welche bestimmte Region des Titins für diese elastischen Eigenschaften verantwortlich ist (PNAS Online, 7. Januar 2007). In der Fachzeitschrift Circulation (Online, 29. Januar 2007) beschrieben sie darüber hinaus, dass Titin auch direkt an der Muskelkontraktion beteiligt ist. Die Ergebnisse könnten den Weg für neue therapeutische Ansätze gegen Herzmuskelschwäche ebnen.

Herzversagen ist nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt. Die Auslöser für solche Erkrankungen des Herzens sind sehr breit gefächert: Zum einen können Beschwerden wie Bluthochdruck, Diabetes oder Arteriosklerose der Grund dafür sein, dass das es zu einer Kontraktionsschwäche (Systolische Dysfunktion) oder zu einer veränderten Entspannung (Diastolische Dysfunktion) des Herzmuskels kommt. Zum anderen weisen neueste Forschungserkenntnisse darauf hin, dass auch genetische Veränderungen im größten Protein des Menschen, dem Titin, zu schweren Herzmuskelerkrankungen führen können.

Rieseneiweiß agiert als molekulare Sprungfeder im Herzmuskel
Das Eiweiß Titin, auch als Connectin bekannt, ist mit seinen fast 30000 Bausteinen (Aminosäuren) etwa 90-mal größer als das Hühnereiweiß (Ovalbumin) und wird deshalb oft als Rieseneiweiß bezeichnet. Es kommt im Herz- und im Skelettmuskel vor und ist ein wichtiger Bestandteil der kleinsten mechanischen Einheit von Muskeln, dem Sarkomer. Seine Funktion im Herzmuskel kann mit einer Sprungfeder verglichen werden: Nachdem sich der Muskel zusammenzieht (Systole) und dadurch das Blut aus dem Herzen in den Kreislauf gepresst wird, sorgt Titin dafür, dass sich das Herz wieder zurück in die ursprüngliche Form entspannt (Diastole) und so frisches Blut nachströmen kann. Wie ein Team um Prof. Michael Gotthardt vom Max-Delbrück-Zentrum für molekulare Medizin (MDC) in Berlin zusammen mit Forschern aus den USA im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS Online, 7. Januar 2007) berichtet, ist für diese elastischen Eigenschaften offenbar eine bestimmte Region des Titins verantwortlich. Dieser als N2B-Region beschriebene Teil des Eiweißes kommt nur im Titin des Herzens vor und ermöglicht es, die Füllung der Herzkammer für die jeweilige Pulsfrequenz zu optimieren. Um die Funktion von N2B im Herzmuskel zu untersuchen, schalteten die Forscher im Tiermodell gezielt diese Region im Titin-Gen aus, wobei alle übrigen Funktionen des Eiweißes erhalten blieben. Dabei stellten sie fest, dass das Gerüstprotein verkürzt ist und die Herzen kleiner sind. Darüber hinaus war die Erschlaffungsphase gestört, was wiederum zu einer Herzschwäche führt. Durch eine genauere Charakterisierung der N2B Region erhoffen sich die Forscher nun neue Einblicke in die Mechanismen, die zu Erkankungen des Herzmuskels führen können.

Direkter Einfluss auf den Herzschlag
Darüber hinaus sind die Forscher einer weiteren Fähigkeit des Rieseneiweißes auf der Spur: So hatten bisherige Experimente ergeben, dass Veränderungen im Titin-Gen zu schweren Herzsmuskelerkrankungen führen können, was sich nicht allein durch die Funktion des Eiweißes als Sprungfeder erklären ließ. Nun konnte Gotthardt nachweisen, dass Titin offenbar nicht nur zur Formsteifigkeit des Herzmuskels beiträgt, sondern auch direkt an der Muskelkontraktion, also am Herzschlag, beteiligt ist. Wie die Berliner MDC-Wissenschaftler im Fachmagazin Circulation (29. Januar 2007) schreiben, verfügt Titin über die Fähigkeit, Signale innerhalb des Muskels weiterzuleiten. So konnten sie in Tierversuchen zeigen, dass gezielt ausgeschaltetes Titin zu einer eingeschränkten Kontraktionsfähigkeit des Herzens und letztlich zu einem übergroßen Herzen (Hypertrohpie) führt, weil der Körper mit einer Verdickung der Herzmuskelzellen versucht, die verringerte Pumpleistung auszugleichen. Die Experimente der Wissenschaftler am MDC ergaben, dass Titin dabei Signale empfängt und verarbeitet, die den Kalziumstrom in den Herzmuskelzellen regulieren. Das Eiweiß hat damit einen direkten Einfluss auf den Herzschlag, weil solche Muskelbewegungen durch eine Änderung der Kalziumkonzentration ausgelöst werden. „Der direkte Einfluss von Titin auf die Kontraktion des Herzens ist ein völlig neuer Signalweg,“ sagt Gotthardt „wenn wir die einzelnen Komponenten dieses Signalwegs genauer verstehen, führen diese Erkenntnisse zu neuen therapeutischen Ansatzmöglichkeiten gegen Herzmuskelschwäche.“

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