NGFN-Forscher haben das Chromosom 8 des Menschen entschlüsselt

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Dreidimensionales Bild von menschlichen Chromosomen. Quelle: Dr. S. Thalhammer, Prof. W.M. Heckl

23.01.2006  - 

Der Aufbau des menschlichen Chromosoms 8 ist aufgeklärt. Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) haben jetzt gemeinsam mit internationalen Kollegen im Fachmagazin Nature (Vol. 439, S. 331-335) die erste umfassende Analyse der 142 Millionen Basen umfassende Sequenz. Die neuen Daten können helfen, die Evolution des Menschen und die Entstehung von Krankenheiten besser zu verstehen.

Der Mensch besitzt insgesamt 46 Chromosomen. Das jetzt entschlüsselte Chromosom 8 gilt mit seinen insgesamt nur 793 Genen als genarmes Chromosom. Eine Besonderheit ist der Abschnitt an seinen Enden, der circa 15 Millionen Basen enthält. Dieser Bereich variiert nicht nur von Mensch zu Mensch sehr stark, sondern unterscheidet den Menschen auch deutlich vom Schimpansen – und das obwohl die Erbinformationen beider Spezies sonst zu 98,7 Prozent identisch sind. „Dieser Abschnitt des Chromosoms 8 hat sich in der Vergangenheit schneller und stärker verändert als andere chromosomale Abschnitte“, sagt Studienleiter Matthias Platzer vom Leibniz-Institut für Altersforschung in Jena.

Zum variablen Abschnitt gehören unter anderem Gene, die zur angeborenen Immunität des Menschen beitragen. So werden unspezifische Abwehrmechanismen des Körpers bezeichnet, die von Geburt an funktionsfähig sind und bereits kurze Zeit nach dem Eindringen eines mikrobiellen Angreifers aktiviert werden. Dazu gehören so genannte Defensine, körpereigene Antibiotika, die den Organismus vor einer Infektion mit Bakterien, Pilzen oder Viren schützen. „Besonders Gene wie die für Defensine müssen permanent neuen Umweltbedingungen angepasst werden. Nur so können sie einen effektiven Schutz zum Beispiel gegen bisher unbekannte Bakterienarten bieten. Liegen diese Gene in Regionen, die sich schnell verändern, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass neue, besser schützende Varianten entstehen“, kommentiert Platzer die Ergebnisse der Studie. Die Chromosomenregion könnte auch für die Evolution von Bedeutung sein. Die Wissenschaftler fanden Gene, die bei der Entwicklung des menschlichen Nervensystems eine Rolle spielen.

Das Nationale Genomforschungsnetz ist ein Netzwerk verschiedener Forschergruppen, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird und zur Entschlüsselung von komplexen genetischen Fragen beitragen soll. Die Jenaer Forscher vom Leibniz-Institut für Altersforschung waren bereits 2005 an der Sequenzierung des menschlichen X-Chromosoms maßgeblich beteiligt.

Weiterführende Informationen

Die Originalpublikation im Fachmagazin Nature

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Nationales Genomforschungsnetz (NGFN)

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