Wochenrückblick KW 29

21.07.2014

Welt-Aids-Konferenz: Ernüchternde Rückschläge, kleine Erfolge

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Die 20. Ausgabe der Welt-Aids-Konferenz findet in Melbourne, Australien, statt. Quelle: International AIDS Society/ Steve Forrest

Mehr Rückschläge als Erfolge – dieses Bild beherrscht die aktuelle Szene der HIV-Forschung. Wie sich die Immunschwächekrankheit bekämpfen lässt, darüber diskutieren in dieser Woche bis zu 14.000 Experten auf der 20. Welt-Aids-Konferenz in Australien, die noch bis zum 25. Juli in Melbourne, Australien stattfindet.

Heilungserfolge werden zurückgenommen, ernüchternde Publikationen dämpfen die Erfolgswahrscheinlichkeit aktueller Therapiestrategien – in der Aidsforschung überwiegen derzeit eher Rückschläge als Erfolgsnachrichten. Zum Auftakt der Welt-Aids-Konferenz wurde zunächst der sechs Forscher gedacht, die beim Abschuss des Passierflugzeugs MH 17 über der Ostukraine ums Leben gekommen waren. Für eine Schweigeminute bat Françoise Barré-Sinoussi, die Präsidentin der Internationalen Aids-Gesellschaft (IAS) und französische Virologin, alle Teilnehmer der Organisationen auf die Bühne, für die die sechs Delegierten gearbeitet hatten, darunter Weltgesundheitsorganisation, Aids Fonds, Stop AIDS Now, The Female Health Company und das Amsterdamer Institut für globale Gesundheit und Entwicklung.

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Mehr Rückschläge als Erfolge  

Die Welt-Aids-Konferenz findet alle zwei Jahre statt, im Fokus stehen u.a. aktuelle Strategien zur Heilung der Krankheit. So wird nicht nur in Deutschland an molekulare Scheren gearbeitet, mit denen sich der Aidserreger – die HI-Viren (HIV) – aus dem Erbgut herausschneiden lassen (mehr...). Während sich die hiesigen gentherapeutischen Ansätze noch im Tierversuchsstadium befinden, haben chinesische und US-amerikanische Forscher nun im Magazin PNAS (Onlinevorabveröffentlichung, 21. Juli 2014) erfolgsversprechende Daten mit menschlichen Zellen vorgelegt. Über einen eher überraschenden klinischen Erfolg bei HIV-Patienten berichten indes australische Forscher aktuell im Fachmagazin Nature (Onlinevorabveröffentlichung, 18. Juli 2014). Zwei Krebspatienten wurden mit einer Stammzelltherapie behandelt und danach fiel ihre Viruslast unter die Nachweisgrenze, so die Forscher um David Cooper von der University of New South Wales in Sydney. Warum eine Heilung von Aids so schwer ist, zeigen wiederum neueste Forschungsergebnisse aus den USA. Wie Virologen der Harvard Medical School in Boston, USA, ebenfalls inn Nature (Onlinevorabveröffentlichung, 20. Juli 2014) berichten, legt der HI-Virus offenbar bereits sehr kurz nach der Infektion ein Reservoire im Körper an, das durch bisherige Medikamente nicht erreicht wird. Inaktive Aids-Erreger nisten sich demnach im Gewebe ein und können hier vermutlich Jahre überdauern. Dies wiederum könnte eine Ursache dafür sein, dass sich durch aktuelle antiretrovirale Therapien keine tatsächliche Heilung erreichen lässt. Diese Theorie wird auch durch neueste Meldungen zum sogenannten Mississippi-Mädchen bestätigt. Noch im März vergangenen Jahres gab die Nachricht von US-Forschern Hoffnung. Damals gingen die Ärzte des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) davon aus, dass ihnen bei dem mit HIV infizierten Neugeborenen eine funktionelle Heilung gelungen sei. (NEJM, 7. November 2013) Erstmals hatten die Mediziner ein Baby unmittelbar nach der Geburt mit antiretroviralen Medikamenten therapiert. Inzwischen mussten die behandelnden Ärzte von der University of Mississippi die frohe Botschaft widerrufen (New York Times, 10. Juli 2014). Die NIAID- Forscher haben wieder aktive Spuren des Aids-Erregers in Blutproben des Mädchens gefunden und die Therapie wieder aufgenommen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen waren 2013 weltweit rund 35 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Etwa 1,5 Millionen Menschen starben im vergangenen Jahr an der Immunschwächekrankheit Aids, wie aus dem Jahresbericht von UNAIDS hervorgeht. Besonders stark betroffen ist Afrika. Deutschland ist eines der Länder mit der geringsten Verbreitung von HIV und Aids. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts sind bundesweit etwa 78.000 Menschen mit HIV infiziert. Etwa 15.000 Menschen sind in Deutschland seit der Erfassung 1982 an Aids gestorben.

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Immatics verbucht 22 Millionen Euro

Immatics hat erneut mit einer hohen Millionensumme seinen Kapitalstock aufgefrischt. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Immatics hat erneut mit einer hohen Millionensumme seinen Kapitalstock aufgefrischt. Quelle: Immatics

Der Tübinger Krebsspezialist Immatics Biotechnologies GmbH hat im Rahmen seiner vierten Finanzierungsrunde 22 Millionen Euro eingenommen.

Das Geld stammt vor allem von den bestehenden Investoren, darunter Dievini Hopp Biotech Holding, Wellington Partners, AT Impf GmbH und andere. Immatics hatte bereits im Oktober 2013 eine erste Zahlung von 12 Millionen Euro erhalten. Zusammen mit der am 16. Juli bekanntgegebenen Tranche beläuft sich das Volumen der Finanzierungsrunde damit auf 34 Millionen Euro. Mit dem frischen Kapital will Immatics die laufende Phase III-Zulassungsstudie mit seinem Arzneikandidaten IMA901 zu Ende führen. Der Impfstoff wird in Kombination mit dem bereits zugelassenen Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib bei Patienten mit Nierenkrebs eingesetzt werden. Bei Immatics erwarten die Verantwortlichen, dass eine Kombinationstherapie mit Sunitinib und IMA901 das Gesamtüberleben verlängert.

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Ein Ergebnis sei frühestens 2015 zu erwarten, heißt es in Tübingen. Immerhin, nach einer Zwischenanalyse hat ein unabhängiges Komitee, das Data Safety Monitoring Board (DSMB), empfohlen, die Studie wie geplant zum Abschluss zu bringen. Die therapeutische Vakzine IMA901 enthält zehn sogenannte Tumor-assoziierte Peptide (TUMAPs), die bei der Mehrzahl von Patienten mit Nierenkrebs nachgewiesen wurden. Sie dienen als Antigene, die das Immunsystem der Patienten gezielt gegen die Tumore ausrichten. Ein Teil des frischen Kapitals soll zudem in eine hauseigene Technologie-Plattform investiert werden. Sie ermöglicht die Suche nach neuen, bisher unbekannten Zielstrukturen. Die gefundenen neuen Zielstrukuren lassen sich für eine ganze Reihe von Immuntherapie-Ansätzen verwenden. Dazu zählen therapeutische Impfstoffe wie Antiköper, lösliche T-Zellrezeptoren sowie die adoptive Zelltherapie. Das haben auch andere erkannt: Erst im vergangenen November sicherte sich Roche die Rechte an einigen Impfstoffkandidaten von Immatics. Neben einer Vorabzahlung von 12,5 Millionen Euro, können die Tübinger auf Prämien von mehr als 742 Millionen Euro sowie Umsatzbeteiligungen hoffen.

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Doppler-Effekt gliedert den Körper

Entstehung der Körpersegmente in einem Zebrafischembryo. Die Aktivität der Gene verläuft in Wellen, die vom hinteren in den vorderen Teil des Tieres wandern. Gleichzeitig bewegt sich das Gewebe auf diese Wellen zu – ein Doppler-Effekt entsteht. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Entstehung der Körpersegmente in einem Zebrafischembryo. Die Aktivität der Gene verläuft in Wellen, die vom hinteren in den vorderen Teil des Tieres wandern. Gleichzeitig bewegt sich das Gewebe auf diese Wellen zu – ein Doppler-Effekt entsteht. Quelle: MPI-MCG Dresden/ Soroldoni

Dresdner Entwicklungsbiologen haben aufgedeckt, wie bei Fischen durch Genaktivitätswellen Schritt für Schritt die Körpersegmente geformt werden.

Dabei gibt offenbar der aus der Akustik bekannte Dopplereffekt den Takt vor. Die Forscher berichten im Fachjournal Science (2014, Bd. 345, S.222). Die Körper vieler Lebewesen sind in Abschnitte unterteilt. Dieses Muster kann man von Würmern bis zum Menschen immer wieder erkennen. Diese Segmentierung findet sehr früh in der Entwicklung statt: Entsteht etwa die Wirbelsäule, bilden sich in einer rhythmisch fortlaufenden Folge die Wirbelvorläufer. Bisher erklärte man sich diese Musterbildung mit der zeitlichen Abfolge von in Wellen ablaufender Genaktivität. Der Rhythmus dieses Strukturierungsprozesses ist dabei entscheidend. Bei Wirbeltieren stellt man sich die Segmentierung während der embryonalen Entwicklung als Wellen von Genen vor, die in ihrer Aktivität anschwellen und abebben. Den Rhythmus, der diesem komplexen Netzwerk unterliegt und es steuert, vergleicht man mit einer tickenden Uhr: Bei jedem Ticken bildet sich ein neues Segment. Dieses Bild haben Andy Oates und Frank Jülicher vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden nun revidiert: Mit Hilfe gentechnisch veränderter Zebrafische und einem Zeitraffer-Mikroskop konnten sie gleichzeitig Wellen von Genaktivität sowie die Segmentbildung sichtbar machen. Dabei haben sie beobachtet, dass das Einsetzen und Abschwellen der Genexpression in unterschiedlichen Abständen erfolgt. Demnach beeinflusst eine Art Doppler-Effekt die Segmentbildung.

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Ein Doppler-Effekt tritt im Alltag auf, wenn beispielsweise ein Krankenwagen mit Martinshorn an einem Passanten vorüberfährt. Dabei ändert sich den Passanten scheinbar die Tonhöhe der Sirene, denn die Frequenz der Schallwellen steigt und fällt mit der erst zu- und dann wieder abnehmenden Entfernung zwischen Sender und Empfänger. Die Wellen der Genexpression in einem sich entwickelnden Zebrafisch verhalten sich wie die Schallwellen. Sie wandern von der Schwanzspitze zum Kopf des Tieres. Gleichzeitig entwickelt sich aber der Embryo weiter, seine Form verändert sich also, teilweise verkürzt sich dabei Gewebe. Der vordere Teil des Fisches, an dem die entstehenden Segmente angesiedelt sind, bewegt sich auf das hintere Ende zu, von dem die Genexpressionswellen geschickt werden – es kommt zu einem Doppler-Effekt in dem wachsenden Fischembryo.

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Gentechnikgesetz soll bald angepasst werden

Die Bundesregierung will Änderungen am Gentechnikgesetz noch in diesem Jahr wesentlich vorantreiben. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Bundesregierung will Änderungen am Gentechnikgesetz noch in diesem Jahr wesentlich vorantreiben. Quelle: R.Bugge/pixelio.de

Die Bundesregierung bereitet eine Novelle des Gentechnikgesetzes vor. Die Eckpunkte für die Gesetzesänderung sollen noch in diesem Jahr festgelegt werden.

Auf diesem Wege wolle man gerüstet sein, sobald auf europäischer Ebene die Details zum sogenannten Opt-out-Verfahren geregelt seien, hieß es aus Regierungskreisen in Berlin. Mitte Juni hatte die Europäische Union den Weg zu nationalen Anbauverboten für gentechnisch veränderte Pflanzen freigemacht. Ziel sei, möglichst bis zum kommenden Frühjahr das Gesetzgebungsverfahren auf nationaler Ebene abzuschließen. Noch nicht entschieden ist allerdings, ob die Ausstiegsmöglichkeit aus dem kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen für die einzelnen Bundesländer oder bundesweit gelten soll. Dies sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bei einem Treffen mit Vertretern des Bundes der ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) am 9. Juli in Berlin.

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News: EU erleichtert Anbauverbot für Gentechnik-Pflanzen

Die Herbstkonferenz der Agrarminister, welche Anfang September in Potsdam stattfindet, könnte genutzt werden, um hier die Bundes- und Länderposition abzustimmen und für mehr Klarheit zu sorgen. Medienberichten zufolge besteht im Landwirtschaftsministerium derzeit eine „leichte Präferenz“ für eine Länderlösung. Abzuwarten bleibt, ob bei einer Anpassung des Gentechnikgesetzes noch weitere Bereiche überarbeitet werden. So gibt es unter anderem von Seiten der Unionsfraktion die Forderung, die Regelungen zur Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung „ehrlicher“ zu gestalten. Wie die neuen Vorgaben konkret ausgestaltet werden könnten, ist aber noch nicht geklärt.

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