Mikroben-Magneten für die Krebsbekämpfung

Mikroskopische Aufnahmen von unterschiedlichen Ausprägungsformen von Magnetosomen magnetotaktischer Bakterienarten. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mikroskopische Aufnahmen von unterschiedlichen Ausprägungsformen der Magnetosomen magnetotaktischer Bakterienarten. Die Eisenoxid-Partikel haben Dimensionen im Nanometer-Bereich. Quelle: Damien Faivre, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

18.10.2013  - 

Gewässerbakterien und die Krebsmedizin haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Nur wenn man ganz genau hinsieht, wird die Verbindung erkennbar: Es sind nanometergroße Eisenoxid-Partikel. Bakterien navigieren mit den als Magnetosomen bezeichneten Kompassnadeln im Sediment von Gewässern. Mediziner nutzen sie als sogenannte Thermoseeds, um lokal begrenzt einen Tumor mit Hitze zu bekämpfen. Details, wie die Mikroben diese Partikel bilden, präsentieren Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm in zwei aktuellen Veröffentlichungen in Nature (2013, Online-Vorabveröffentlichung) und PNAS (2013, Bd. 110, S. 14883). Mit dem neuen Wissen könnte die bisher stark schwankende Qualität der medizinischen Nanopartikel verbessert werden.

„Die bisher in der Tumormedizin eingesetzten Magnetite variieren in der Größe“, erklärt der Potsdamer Forscher Damien Faivre gegenüber biotechnologie.de. Das Problem: Damit schwanke auch die Temperatur, die bei einer bestimmten Form der Tumortherapie im Gewebe erzeugt wird, um die Tumorzellen zu töten. Die Mediziner laufen dadurch Gefahr, auch gesunde Zellen zu erwischen – zum Nachteil des Patienten. Magnetit ist ein Mineral des Eisenoxids. Die kleinen Partikel werden bei der als therapeutische Hyperthermie bekannten Krebsbehandlung in den Körper injiziert, sammeln sich im Idealfall im Tumor an, werden dort von einem äußeren Magnetfeld erhitzt und lassen so die Krebszellen absterben. Bisher werden die Magnetite chemisch hergestellt. Neben dem Problem der schwankenden Größe ist auch die dabei erzielte Form verbessserungswürdig: „Diese Partikel sind entweder Würfel oder Hexaeder, also Körper mit sechs Flächen, oder sie sind Oktaeder, also Körper mit acht Flächen“, erklärt Faivre. Für die Tumormedizin oder auch für einen Einsatz als Kontrastmittel in bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT) wären aber andere Formen vorteilhafter.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Perlmutt aus dem Protein-Labor

News: Mikroben fabrizieren winzige Magneten

Dossier: Synthetische Biologie: Von Bioingenieuren und Zellfabriken 

Wie im Reagenzglas, so bei  Tauben und Bakterien

Hier kommen die Gewässerbakterien ins Spiel. Wie auch Zugvögel orientieren sich die Einzeller mit ihrem Spezialsinn am Magnetfeld der Erde. Als innerer Kompass dient eine Kette winziger Magnetit-Partikel. Würfel, Stäbchen, Polyeder – von Art zu Art unterscheiden sich diese Teilchen in der Form. Außerdem produzieren die Bakterien sie in einer konstanten Größe. Grund genug also, die Bildung dieser Bakterien-Magnetite unter die Lupe zu nehmen. Gemeinsam mit Forschern aus Paris hat das nun das Team um Faivre getan. Ein Ergebnis: Der Prozess läuft über eine eisenphosphatreiche Hydroxid-Stufe ab.Wie Eisenbakterien Wasserleitungen verstopfen - darum geht es in Folge 84 von biotechnologie.tv.Quelle: biotechnologie.tv „Das erstaunliche daran ist, dass die Bakterien-Methode damit der synthetischen Erzeugung von Magnetit sehr nahe kommt und ähnlich wie die Mineralisation in höheren Organismen funktioniert“, sagt Jens Baumgartner, einer der beteiligten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts. So bilden wahrscheinlich auch Tauben das Mineral Magnetit mit dem gleichen Mechanismus, um es als Navigationshilfe in ihrem Schnabel einzulagern. Da dabei Eisenphosphate anwesend sind, liegt nahe, dass die Biomineralisation von Magnetit in Bakterien und höheren Lebewesen ähnlich abläuft, obwohl die Lebewesen entwicklungsgeschichtlich weit voneinander getrennt sind.

Eisenoxidation: Dem Bakterien-Kniff auf der Spur

In einer zweiten Studie haben die Potsdamer zusammen mit Kollegen aus Frankreich, den USA und China ein weiteres wichtiges Detail des Mineralisationsprozesses veröffentlicht: Mit MamP konnten sie ein zuvor unbekanntes Enzym identifizieren, das die chemische Zusammensetzung der Teilchen steuert. Generell bestehen Magnetitkristalle aus dem Eisenoxid Fe3O4, das zwei unterschiedlich stark oxidierte Varianten des Eisens enthält – Fe(II) und Fe(III). Nun stellten die Forscher fest, dass MamP Fe(II) zu Fe(III) oxidiert. Die Bakterien brauchen also nur zweiwertiges Eisen aufnehmen, um die Magnetitpartikel zu erzeugen. Indem die Wissenschaftler das Protein genetisch veränderten, bestimmten sie auch die Strukturelemente, die für die Eisenoxidation wichtig sind. „Bisher war offen, ob die Bakterien von Eisen-II oder Eisen-III ausgehen, um Magnetit zu bilden“, erklärt Damien Faivre. „Unsere Studie klärt diese Frage nun.“ Die Antwort passt auch zu dem, was der Lebensraum der Bakterien erwarten lässt: In den sauerstoffarmen Gewässersedimenten, in denen die Mikroben sich tummeln, liegt Eisen vor allem in der weniger stark oxidierten Form, also als Eisen-II, vor.

© biotechnologie.de/ml

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit