Minilabor trennt Zellen im Blut

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Aufgrund unterschiedlicher Fließeigenschaften lassen sich Tumorzellen (links im Bild) von roten Blutkörperchen trennen. Dieses Prinzip nutzen Augsburger Forscher für die Zellsortierung im Minilabor. Quelle: Christoph Hohmann, Nanosystems Initiative Munich (NIM)

12.09.2013  - 

Wer an Krebs erkrankt ist, dessen Blut weist bestimmte Krebszellen auf. Wenn sich ihre genaue Anzahl bestimmten lässt, dann können Mediziner daraus beispielsweise Rückschlüsse auf die Schwere der Erkrankung ziehen. Biophysiker um Professor Thomas Franke von der Universität Augsburg haben nun die Basis dafür geschaffen, dass sich die verschwindend geringe Menge an Krebszellen im Blut überhaupt genau analysieren lässt. Wie die Forscher im Fachmagazin Biomicrofluidics (2013, Online-Veröffentlichung) berichten, erlaubt ihre Technik eine zeit- und kostensparende Möglichkeit der Sortierung von Krebs- und Blutzellen. Ein weiterer Vorteil: Sie liefert genauere Ergebnisse als bisherige Methoden.

Bei der Diagnostik und Therapie von Krebspatienten sind Mediziner darauf angewiesen, dass sie genau analysieren können, wie viele Krebszellen sich vom Primärtumor abgeschieden haben und im Blut des Erkrankten zirkulieren. Anhand der genauen Anzahl der Krebszellen wird dann bestimmt, wie schwer die Erkrankung ist bzw. wie gut eine bestimmte Therapie anspricht.  Das Problem: Auf einen Milliliter Blut kommen allerdings gerade einmal ein bis zehn Tumorzellen – eine verschwindend geringe Menge im Vergleich zu den etwa 6 Millionen roten Blutzellen. "Deshalb müssen die Tumorzellen vor einer weiteren Analyse erst aus dieser großen Zellmenge heraussortiert werden. An dieser Stelle kommen wir ins Spiel", erklärt Erstautor Thomas Geislinger von der Universität Augsburg.

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Minilabor trennt nach Größe und Form

Thomas Geislinger und Thomas Franke haben nun eine Technik entwickelt, die auf der Basis des Lab-on-a-chip-Prinzips funktioniert und anders als bisherige Verfahren nicht tagelange Labortests beansprucht. Wie sie im Fachmagazin „Biomicrofluidics“ berichten, liefert ihr Minilabor bereits nach wenigen Minuten ein Ergebnis. Zur Anwendung kommt dabei eine Methode, die als „Non-Inertial Lift Induced Cell Sorting“, kurz NILICS, bezeichnet wird.  Die Forscher machen sich dabei zunutze, dass sich Teilchen auf der Größenskala weniger Mikrometer in Flüssigkeitsströmen so verhalten, dass sie nebeneinander her fließen und sich nicht vermischen. Wird diese Symmetrie durch ein deformierbares Objekt - wie z. B. durch eine Zelle in der Nähe einer Wand - gestört, versucht das System sich wieder auszugleichen. Dies erzeugt eine abstoßende Kraft, welche die Zelle von der Wand weg- und zur Kanalmitte hindrückt. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Umgebung, in der dieser Effekt auftritt, wird er "non-inertial lift effect“ genannt. „Ist eine Zelle größer oder deformierbarer als eine andere, erzeugt sie eine größere Störung des Flussfeldes und erfährt folgerichtig eine stärkere Kraft. Anhand dieser Unterschiede lassen sich verschiedene Zellarten voneinander trennen“, erläutert Geislinger.

Schnell, kostengünstig, universell

Dieses Prinzip nutzten die Augsburger nun als Teil eines mikrofluidischen Systems  (Micro-Total-Analysis-Systems - µTAS) zur Sortierung von Krebs- und Blutzellen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Zelleigenschaften auch unterschiedliche Fließeigenschaften aufweisen. Für die Trennung beider Zellenarten haben die Augsburger zunächst  eine verdünnte Blutprobe in einen Kanal injiziert. Ein zweiter Fluss fokussiert die Probe an die Wand des Mikrokanals, bevor sie in den eigentlichen Trennbereich fließt. In einem 20 Millimeter langen Kanal mit einem Querschnitt von ca. 60 x 60 Mikrometern konnten die Forscher nun beobachten, dass  die verschiedenen Zellen dann unterschiedlich schnell von der Wand weggewandert sind. Die Verbreiterung am Ende des Kanals vergrößerte schließlich den Abstand zwischen den Zellpopulationen nochmals, bevor sie durch zwei separate Ausgänge in die Auffangbehälter geleitet wurden. Aus Sicht der Forscher bietet ein solches Verfahren nicht nur schnelle und genaue Ergebnisse für die Krebsdiagnostik. „Es ist billig und nahezu überall einsetzbar. Damit könnten solche Minilabore die medizinische Versorgung gerade in strukturschwachen Regionen deutlich verbessern“, sind sich die Wissenschaftler sicher.

 

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