Die Vermessung der Volksgesundheit

200.000 Bundesbürger sollen mit ihrer Mitwirkung dazu beitragen, Ursachen und Verläufe von Volkskrankheiten besser zu verstehen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
200.000 Bundesbürger sollen mit ihrer Mitwirkung dazu beitragen, Ursachen und Verläufe von Volkskrankheiten besser zu verstehen. Quelle: Stephanie Hofschläger/pixelio.de

04.07.2013  - 

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka hat den Startschuss für eine nationale prospektive Gesundheitsstudie gegeben. Ab 2014 werden dafür rund 200.000 zufällig ausgewählte Bundesbürger für die statistische Datenerfassung befragt und biomedizinisch untersucht. Welche Ursachen haben die großen Volkskrankheiten? Gibt es Risikofaktoren für ihre Entstehung? Wie kann man sie früh erkennen und wirksam dagegen vorbeugen? Antworten auf diese Fragen soll die „Nationalen Kohorte“ liefern. Bund und Länder fördern die Initiative, um den großen Volkskrankheiten in Deutschland den Kampf anzusagen.

Es könnte passieren, dass Sie in den nächsten Wochen Post von der Regierung bekommen. Dann hätten Sie die Möglichkeit an der größten Gesundheitsstudie zur Entstehung und Bekämpfung von Volkskrankheiten teilzunehmen. Sie wären einer von 400.000 zufällig adressierten Bundesbürgern. Die Teilnahme ist freiwillig und kann jederzeit mit oder ohne Angaben von Gründen widerrufen werden. Auch das Recht auf Nichtwissen wird gewahrt. Der Teilnehmer bestimmt selbst, ob er kritische gesundheitsbezogene Ergebnisse erfährt. Auf Krebs, Diabetes, Herz- und Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und andere Volksleiden haben es die 23 teilnehmenden Forschungseinrichtungen abgesehen. „Wir haben in den nächsten Jahren durch das Forschungsprojekt die große Chance, einen enormen Wissensschub im Kampf gegen Volkskrankheiten wie Krebs zu erzielen. Diese Chance auf eine bessere Prävention müssen wir nutzen“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka zum Start der Studie.

Nationale Kohorte

Das Netzwerk deutscher wissenschaftlicher Einrichtungen bildet die Forschungsinitiavite Nationale Kohorte für eine groß angelegte Bevölkerungsstudie. Zur Homepage: hier klicken.

Viel hilft viel

Im Studiendesign wird berücksichtig, dass sich nur ein gewisser Anteil der 400.000 zufällig adressierten Bundesbürger zur Teilnahme bereit erklärt. So rechnen die Forscher mit etwa 200.000 Probanden zwischen 20 und 69 Jahren für ihre Studie. Sie werden medizinisch eingehend untersucht, ihre kognitive Funktion wird erfasst und über Interviews und Fragebögen sammeln die Wissenschaftler Angaben zum Lebensstil der Teilnehmer. Die Mundgesundheit, körperliche Aktivität, Lungenfunktion und die umfassende Vermessung aller Körperdaten sind nur wenige Beispiele aus einer langen Checkliste. Ergänzend entnehmen die Forscher bestimmte Bioproben: Blut, Plasma, Erythrozyten, DNA, RNA aber auch lebende Zellen und Körperflüssigkeiten werden ausgewertet und für spätere Tests konserviert. Anschließend stehen die Männer und Frauen nach etwa 5 Jahren für Folgeuntersuchungen und noch 10-20 Jahre für Nachbeobachtungen zur Verfügung – so jedenfalls das Konzept der Studie. Nach Angaben der „Nationalen Kohorte e.V.“  sind die Daten sicher. Ein unabhängiger Beirat überwacht die ethischen Standards und ein Datenschutz- und IT-Sicherheitskonzept stellt den Schutz der Informationen sicher.

Mehr auf biotechnologie.de

Förderung: BMBF: 125 Millionen Euro für Präventionsforschung

News: Biobanker fordern Unterstützung

News: BMBF stellt Aktionsplan zur Individualisierten Medizin vor

Gesamtzusammenhänge aus Einzelheiten ziehen

In der Epidemiologie werden solche Analysen, die Risiken, Lebensstilfaktoren und Umwelteinflüsse mit genetischen Faktoren kombinieren, als prospektive Kohortenstudien bezeichnet. Durch diesen vorausschauenden Charakter halten die Forscher Daten fest, die zunächst bedeutungslos erscheinen. Erst in den nachfolgenden Analysen können Muster erkannt werden, auf deren Basis Therapien und personalisierte Präventionsstrategien entstehen sollen. Mit biotechnologischen Verfahren beispielsweise können Hinweise auf neurodegenerative Leiden erfasst oder die genetisch vorbestimmte Anfälligkeit für Krankheiten bestimmt werden.

Bund und Land: Gemeinsame Sache

Der Aufbau der Nationalen Kohorte wird von 23 Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gemeinsam geplant und durchgeführt. Sie sind in 18 Studienzentren gruppiert. Bundesweit verteilen sich diese Studienzentren wiederum auf acht länderübergreifenden Clustern. Seit 2013 läuft die Pilotphase, in der Methoden zur Datenerhebung und Wege der Rekrutierung von Probanden entwickelt und getestet wurden. Die Rekrutierung der Studienteilnehmer für die Hauptphase der Studie wird ab 2014 beginnen. Finanziert wird die Studie durch das Bundesforschungsministerium, die vierzehn beteiligten Länder und die Helmholtz-Gemeinschaft mit insgesamt 210 Millionen Euro. Gelenkt und verwaltet wird der Verein „Nationale Kohorte“ durch den Vorstand, eine Mitgliederversammlung und ein epidemiologischen Lenkungskomitee.

Personalisierte Therapien und Prävention als oberstes Ziel

Es gibt eine ganze Reihe offener Fragen hinsichtlich der Wirkung von verschiedenen Risikofaktoren und ihren Wirkzusammenhängen, der Mechanismen der Krankheitsentstehung und der Wechselwirkung mit genetischer Variabilität. Die prospektive Kohortenstudie nimmt Faktoren unter die Lupe, für die es konkrete Hinweise gibt, dass sie das Erkrankungsrisiko steigern. Neben Rauchen, Alkoholkonsum und dem Ernährungsverhalten werden gezielt auch andere Risikofaktoren berücksichtigt: Virale oder bakterielle Infektionen, psychosozialer Stress und berufliche sowie Umwelt-Expositionen sind nur einige davon.

Mit der Forschungsinitiative erhält Deutschland Anschluss an die internationale epidemiologische Spitzenforschung. „Dies kann nur mit der aktiven Unterstützung und Beteiligung der Bevölkerung gelingen. Wenn ich einen Brief erhalten sollte, werde ich gerne als Teilnehmerin mitwirken“ so Ministerin Johanna Wanka.

© biotechnologie.de/bs

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit