Krebsimpfung: Die Immunabwehr gezielt ankurbeln

Die Immunabwehr zur Bekämpfung von entarteten Zellen schärfen - das ist Ziel einer Krebsimpfung. In einem Eurotransbio-Projekt wollen Forscher aus Hannover und den Niederlanden hier einen Schritt weiter kommen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Immunabwehr zur Bekämpfung von entarteten Zellen schärfen - das ist Ziel einer Krebsimpfung. In einem Eurotransbio-Projekt wollen Forscher aus Hannover und den Niederlanden hier einen Schritt weiter kommen. Quelle: NIAID/Flickr.de

07.11.2012  - 

Das eigene Immunsystem durch eine Impfung gegen den Krebs in Stellung bringen – noch steckt diese Idee in den Kinderschuhen. Forscher am Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung Twincore in Hannover arbeiten gemeinsam mit niederländischen Partnern daran, dieses Prinzip in die Anwendung zu bringen. Entsprechende präklinische Studien werden in den nächsten beiden Jahren von der Europäischen Forschungsinitiative Eurotransbio mit 500.000 Euro unterstützt.

Eigentlich ist das Immunsystem gegen Krankheitserreger und entartete Zellen gut gerüstet. Es reagiert mit den immer gleichen Maßnahmen: Eine bestimmte Klasse von Immunzellen, die dendritischen Zellen, erkennen Veränderungen an kranken Zellen und setzen eine Kaskade in Gang, an deren Ende befallenen Zellen eliminiert werden. Abläufe, die sich meist im Verborgenen abspielen. Tagtäglich werden auf diese Weise unzählige Eindringlinge oder krankhaft veränderte körpereigene Zellen erfolgreich bekämpft. Erst wenn dieses Schutzsystem versagt, kommt es zum Ausbruch von Krankheiten wie Krebs oder Infektionen. „Einige Infektionserreger und Tumore sind in der Lage, unser Immunsystem zu umgehen“, sagt Christian Mayer, Wissenschaftler am Institut für Infektionsimmunologie. Die körpereigene Abwehr reagiere dann nicht in der erforderlichen Intensität und die Krankheit breitet sich aus. „Dann benötigt das Immunsystem Unterstützung - beispielsweise durch eine therapeutische Impfung“, so Mayer. Gemeinsam mit seinen Kollegen arbeitet der Biochemiker Mayer an einer solchen Impfung. 

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Oberflächenmoleküle als Personalausweis

Alle Zellen tragen auf ihrer Oberfläche Moleküle, die Teile aus dem Inneren der Zelle nach außen präsentieren. Sie funktionieren wie ein molekularer Personalausweis, mit dem die Zelle gegenüber dem Immunsystem seine Herkunft nachweist und so als ungefährlich eingestuft wird. Die Oberflächenmoleküle können aber noch viel mehr als ein gewöhnlicher Ausweis. Ihre Zusammensetzung ändert sich, wenn sich die Zelle verändert, beispielsweise weil ein Krankheitserreger sich in ihr eingenistet hat oder weil sie durch eine Erbgutveränderung entartet ist. In so einem Fall verraten die Oberflächenmoleküle den ständig patrouillierenden Immunzellen, dass die Zelle krank ist, und dass die körpereigene Abwehr reagieren muss.

Das Problem: Viele Krebsarten hebeln diesen Kontrollmechanismus aus. Der Tumor veranlasst, dass die Zellen immer weniger dieser verräterischen Oberflächenmoleküle produzieren. Sind nur wenige Identifizierungsmöglichkeiten auf den Zellen vorhanden, reagieren auch die Immunzellen nur schwach. Gleichzeitig veranlasst der Tumor das Immunsystem, seine regulatorischen T-Zellen, so genannte Tregs, zu mobilisieren. Sie sind quasi die Gegenspieler der dendritischen Zellen und stören deren Funktion so stark, dass die Tumorzellen sich nahezu ungehindert ausbreiten können.

Den Gegenspieler der Dentritischen Zellen ausschalten

Ein aktueller Forschungsansatz sei es, Patienten die dendritischen Zellen zu entnehmen, gezielt mit für Tumoren typischen Signalmolekülen zu beladen und sie anschließend dem Patienten wieder zu injizieren, sagt Tim Sparwasser, Direktor des Instituts für Infektionsimmunologie und Leiter des Projektes. „Das Problem ist, dass diese sehr aufwändig hergestellten Zellen von dem durch Tregs überfluteten Immunsystem vermutlich stark unterdrückt werden und somit ihre Wirkung nicht entfalten können.“ Die Projektidee: Gleichzeitig mit der Gabe der aktivierten dendritischen Zellen, die das Immunsystem stimulieren sollen, müssen die regulatorischen T-Zellen gehemmt werden. 

Initiative Eurotransbio

EuroTransBio ist ein Förderinstrument der Europäischen Union unter dem Dach des ERA-NET-Programms. Die Initiative unterstützt KMUs, die sich zusammen mit europäischen Partnern an biotechnologischen Projekten forschen. Mittlerweile ist die achte Ausschreibungsrunde gestartet.

www.eurotransbio.eu

Regulatorische T-Zellen fällt Schlüsselrolle zu

Was sich zunächst einfach anhört, könnte in der Praxis durchaus problematisch werden. Gerade erst haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass das Timing beim Entfernen der Tregs eine zentrale Rolle spielt. Entscheidend für den Impferfolg ist das sogenannte Priming. Den T-Zellen werden Strukturen präsentiert, die als fremd erkannt werden sollen. Normalerweise werden dann jene T-Zellen, die am stärksten auf einen Feind reagieren massenhaft hergestellt und schwärmen aus, um den Angreifer abzuwehren. Also – so die Theorie – sollte die Abwesenheit von den regulierend eingreifenden Tregs wie ein Turbo auf die Produktion von T-Zellen wirken. 

Tatsächlich passiert aber etwas vollkommen anderes: Fehlen Tregs während des Priming-Vorganges, kommt es mitnichten zu einer stärkeren Antwort. Stattdessen werden plötzlich viel mehr schwächere, weniger wirksame T-Zellen aktiv. Das gefährdet den Impferfolg. Denn nur wenn das Immunsystem beim Priming starke T-Zellantworten erzeugen kann, kann es sich später auch wieder daran erinnern. Und das wiederum ist das entscheidende Kriterium für den Impferfolg. Denn das Immunsystem muss auch noch nach Jahren passende Abwehrzellen parat haben, die den Erreger erkennen.

Tests ohne großen technischen Aufwand

Im aktuell geförderten Projekt sollen in Zellkulturen gezielt dendritische Zellen mit vielen Krebsantigenen beladen oder die Tregs entfernt werden. Das Herstellen der Zellen und das Beladen mit den Tumor-Signalmolekülen übernehmen niederländische Partnerfirmen DCPrime beziehungsweise DC4U. Die entsprechenden Signalmoleküle liefert das deutsche Unternehmen Orpegen. Mit den Zellen sollen dann verschiedene Impfmodelle untersucht werden, um zu jedem Zeitpunkt der Impfung das optimale Verhältnis zwischen dendritischen Zellen und Tregs zu finden. „Unsere Aufgabe wird sein, diese Strategien prä-klinisch zu testen“, sagt der Forscher Mayer. „Wir haben innovative genetische Methoden entwickelt, um die Eigenschaften menschlicher dendritischer Zellen ohne großen technischen Aufwand möglichst genau abzubilden.“ Trotzdem wird es wohl noch Jahre dauern, bis die Wissenschaftler endgültig wissen, ob verbesserte Impfungen in Kombination mit dem Beeinflussen der Tregs eine sinnvolle Methode sind, Krebs zu bekämpfen

© biotechnologie.de/bk

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