Wurzel: Katalog der bakteriellen Untermieter

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Mikroskop-Aufnahme einer Wurzel der Ackerschmalwand mit eingedrungenen Bakterien (grün). Quelle: MPI für Pflanzenzüchtungsforschung

02.08.2012  - 

Die Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) unterscheidet sehr genau, mit welchen Bakterien sie eine Lebensgemeinschaft an der Wurzel eingehen möchte. Wie Max-Planck-Forscher aus Köln und Bremen durch die Sequenzierung des sogenannten Mikrobioms herausfanden, hängt die Auswahl stark mit dem Bodentyp und dem jeweiligen Genotyp der Pflanze zusammen. Im Fachjournal Nature (2012, Bd. 488, S. 86) beschreiben die Pflanzenforscher, wieso die Ackerschmalwand Actinobakterien, Proteobakterien und Exemplare der Gattung Bacteroidetes in ihren Wurzeln beherbergt.

Gesunde Böden stellen die reichhaltigsten Ökosysteme der Erde dar. In diesem Ballungsraum der Kleinstlebewesen funktionieren Pflanzenwurzeln wie Pforten, die sich bevorzugt für ganz bestimmte Gäste öffnen. Diese Gäste sind Bakterien, von denen sich die Pflanze Vorteile versprechen kann. Die Resultate einer solchen Beziehung zwischen Gewächs und Mikroorganismus können vielfältig sein und reichen von vermehrtem Wachstum durch eine verbesserte Nährstoffaufnahme über höhere Ernteerträge bis hin zur Phytosanierung schadstoffbelasteter Böden.

Lebensraum Pflanzenwurzel

Allerdings wird die Bedeutung solcher mikrobieller Lebensgemeinschaften erst seit wenigen Jahren systematisch erforscht. Paul Schulze-Lefert vom Kölner Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung hat sich zusammen mit seinen Kollegen dieser Aufgabe gewidmet. In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen haben die Kölner Spezialisten der Modellpflanze Arabidopsis genauer auf die Wurzel geschaut. Mihilfe modernster Sequenziertechniken haben sie molekulare Spuren sämtlicher Bakterien in der Wurzel decodiert und durch Datenbankabgleiche identifiziert.  In ihren Untersuchungen konnten sie zunächst 43 Abteilungen von Bakterien in unterschiedlicher Menge nachweisen. Dafür betrachteten die Pflanzenforscher drei Lebensräume: das Wurzelgewebe mit den dort ansässigen Bakterien, die unmittelbar an die Wurzel angrenzende Rhizosphäre und das nicht bepflanzte Erdreich in der Umgebung der Testpflanzen. Die Folgerung war eindeutig. Arabidopsis wählt sich also ihre Wurzelbewohner sehr gezielt aus der vorhandenen Fülle an Mikroorganismen im Boden aus. „In den Wurzeln kommen vor allem drei große Abteilungen von Bakterien vor“, sagte Schulze-Lefert. „Das sind Proteobakterien, Bakteroideten und Actinobakterien und jeder dieser Abteilungen ist dort mit einer dominierenden Klasse oder Familie vertreten. Auch die Art des Erdreichs und der Genotyp der jeweiligen Arabidopsis Pflanze haben offensichtlich einen Einfluss darauf, welche Bakterien in die Wurzeln aufgenommen werden.“

Molekulare Eintrittskarte?

Ein weiteres Versuchskriterium war die Art des Bodens. Je nach dem ob die Forscher die Testpflanzen in den sandigen Boden der brandenburgischen Fluss- und Seenlandschaft bei Golm oder im lehm- und schlickhaltigen Erdreich der Kölner Bucht ausbrachten variierten die Ergebnisse. Auch der Ökotyp der Gewächse, der die Anpassung an einen bestimmten Standort widerspiegelt, spielte eine Rolle.

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Aus den Unterschieden in der jeweiligen Mikrobengemeinschaft der beiden untersuchten Ökotypen schlossen die Forscher ebenfalls auf eine selektive Anreicherung der Bakterien in der Wurzel. „Eine der Bakterienarten kommt in einem der Ökotypen zehnmal häufiger vor als im anderen“, sagte Schulze-Lefert. „Wir haben uns natürlich auch gefragt, ob sich die bakterielle Lebensgemeinschaft nur zufällig in der Wurzel zusammengefunden hat oder ob es tatsächlich ein Anreicherungssystem über molekulare Eintrittskarten gibt, wie wir vermuten“, kommentiert der Wissenschaftler die Ergebnisse weiter. Weiterhin wurden die Verteilungsmuster der gefundene Bakterien untersucht. Die Forscher wollten wissen, welche Arten sich nur auf totem organischen Material, welche sich überwiegend in den Wurzeln und welche sich an beiden Orten gleichermaßen finden lassen. Dabei waren vor allem die Actinobakterien in der Wurzel in der Überzahl. Aus dieser Beobachtung folgerten die Pflanzenforscher, es müsse eine Art molekulare Einladung für diese Gruppe geben. Bislang konnten sie dafür aber noch keine Belege finden. Bei der Frage, wie das pflanzliche Immunsystem zwischen nützlichen und schädlichen Bakterien unterscheidet, tappen die Wissenschaftler ebenfalls noch im Dunkeln. Die genauen Vorgänge in der Pflanze werden erst künftige Untersuchungen zeigen können.

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