Gorilla-Genom: Dem Menschen so nah

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Wissenschaftler aus Großbritannien haben das Erbgut des Gorillas vollständig entschlüsselt. Quelle: wikimedia

08.03.2012  - 

Mit dem Gorilla schließt sich der Kreis. Es ist die letzte der vier großen Menschenaffenarten, deren Erbgut vollständig entziffert wurde. Die wichtigsten Erkenntnisse aus ihrem Projekt präsentierten britische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature (2012, Online-Vorabveröffentlichung). Die Genomanalyse förderte einige Überraschungen zu Tage: Der Gorilla ist dem Menschen noch ähnlicher als gedacht. Bestimmte Evolutionsschritte, zum Beispiel die Hörentwicklung verliefen bei beiden Arten vergleichbar.

Gorillas sind die größten lebenden Primaten und die ausgeprägtesten Blätterfresser unter den Menschenaffen. Die vom Aussterben bedrohten Tiere kommen in freier Wildbahn nur in den mittleren Teilen Afrikas vor. Die beiden Gorilla-Oberarten, der Westliche (Gorilla gorilla) und der Östliche Gorilla (Gorilla beringei), trennten sich vor etwa 1,75 Millionen Jahren und spalteten sich dann in weitere Unterarten auf. Der Westliche Flachlandgorilla (G. g. gorilla) ist die noch am weitesten verbreitete Art. Aber auch ihr Bestand wird in der freien Natur auf weniger als 95.000 Tiere geschätzt.

Weltweit laufen in Zoos Nachzuchtprogramme, um den Tierbestand zu erhalten. Im US-amerikanischen Zoo von San Diego lebt die 35 Jahre alte Gorilla-Dame Kamilah. Was  sie von allen anderen Westlichen Flachlandgorillas unterscheidet: Sie ist das einzige Gorilla-Weibchen, dessen Erbgut vollständig bekannt ist, denn anhand ihrer DNA entschlüsselten die Forscher das Gorillagenom. Ebenfalls sequenziert wurden Teile des Erbguts zweier weiterer Westlicher Fachlandgorillas und eines Östlichen Flachlandgorillas (G. b. graueri).

Genetische Daten sind das letzte Puzzlestück

„Unsere Daten sind das letzte genetische Teil, das wir für das Puzzle gebraucht haben“, sagte Richard Durbin, einer der Autoren der Studie vom britischen Sanger Institute nahe Cambridge, einer Einrichtung des gemeinnützigen Wellcome Trust.

Im Kladogramm sind die Verwandtschaftsverhältnisse der Menschenaffen dargestellt. Nach neuesten Erkenntnissen unterscheiden sich die Genome von Gorilla und Mensch weniger, als bislang vermutet.Lightbox-Link
Nach neuesten Erkenntnissen unterscheiden sich die Genome von Gorilla und Mensch weniger, als bislang vermutet.Quelle: wikimedia

Der Vergleich des Erbguts der verschiedenen Menschenaffenarten offenbart die erste Überraschung: Der Gorilla ist mit dem Menschen näher verwandt als bisher angenommen. Das menschliche Erbgut unterschiedet sich zu 1,37 Prozent vom dem des Schimpansen, zu 1,75 Prozent vom Gorilla und zu 3,4 Prozent vom Orang-Utan.  Die bisher gültige Annahme, der Orang-Utan stünde dem Menschen näher als der Gorilla, ist damit widerlegt. 15 Prozent des menschlichen Genoms sind sogar dem des Gorillas ähnlicher als dem des Schimpansen.

„Das Gorilla-Genom ist wichtig, denn es wirft ein Licht auf die Zeit, als sich unsere Vorfahren von unseren nächsten Verwandten in der Evolution absetzten“, sagte Durbins Kollege Aylwyn Scally. Die aktuellen Forschungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass sich die Gorillas vor rund zehn Millionen Jahren von den gemeinsamen Vorfahren der Schimpansen und Menschen abtrennten. Die Stammeslinien von Mensch und Schimpanse teilten sich dann vor rund sechs Millionen Jahren. „Nach Jahren der Debatte stimmen unsere genetischen Interpretationen nun mit dem Fossilfunden überein", so Durbin.

Parallele Entwicklung bei Gorillas und Menschen

Die Erbgutsequenz gibt aber noch mehr Geheimnisse preis: "Wir haben festgestellt, dass die Gorillas viele parallele genetische Veränderungen mit dem Menschen teilen, darunter die Entwicklung unseres Gehörs", berichtet Chris Tyler-Smith, ebenfalls vom Sanger Institute.

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Gingen die Forscher bisher davon aus, dass sich das menschliche Gehör erst durch die Sprache schnell weiterentwickelte, so ist diese Theorie nun nicht mehr haltbar. „Wir wissen, dass Gorillas nicht miteinander sprechen – wenn sie es könnten, ist es ihnen gelungen, die Fähigkeit geheim zu halten“, so Scally. Insgesamt teilen sich die drei am engsten verwandten Arten - Mensch, Schimpanse und Gorilla - etwa 500 Gene, die sich im Laufe der Evolution besonders schnell verändert haben. „Diese Gene sind mit Funktionen wie der Sinneswahrnehmung, dem Gehör und der Gehirnentwicklung verknüpft“, berichten die Forscher. Das bestätige die wichtige Rolle, die Anpassungen in diesen Bereichen für die Entwicklung der Menschenaffen und Menschen gespielt hätten.

Für die Forscher bietet der Blick in die Gene aber nicht nur Einblick in die Vergangenheit. Er schafft auch Verpflichtungen für die Zukunft: „Die Erforschung der Menschenaffen verbindet uns mit einer Zeit, in der auch unsere Existenz bedroht war, und unterstreicht damit, wie wichtig es ist, die letzten Vertreter dieser bemerkenswerten Arten zu schützen und zu bewahren“, betonen die Forscher.

© biotechnologie.de/bk

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