Brokkolipatent beschnitten: Biomarker nicht mehr geschützt

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Der vom Patent geschützte Brokkoli soll nach Herstellerangaben besonders reich an einem Inhaltsstoff sein, der helfen könnte, Krebs vorzubeugen. Quelle: whologwhy/flickr.com

28.10.2011  - 

Der Streit um ein Patent auf bestimmte Brokkoli-Varianten nähert sich offenbar seinem Ende: Eine für den 26. Oktober geplante Anhörung vor dem Europäischen Patentamt (EPA) in München ist kurzfristig abgesagt worden. Die beiden Streitparteien haben sich geeinigt, heißt es zur Erklärung. Demnach verzichtet das britische Unternehmen Plant Bioscience auf das Patent für das biomarkergestützte Züchtungsverfahren, das Schutzrecht für die Pflanze selbst bleibt aber bestehen. Die beiden klagenden Firmen  Syngenta und Limagrain sind mit diesem Teilerfolg offenbar zufrieden. Syngenta bat das EPA deshalb, die geplante Anhörung abzusagen und nach Aktenlage zu entscheiden. Die endgültige Entscheidung liegt zwar nun bei der Großen Beschwerdekammer. Wahrscheinlich ist jedoch, dass diese das Patent nicht kippen, sondern nur das Recht auf die Biomarker herauslösen wird.


 

Mit der Einigung könnte ein Streit beendet werden, der schon beinahe ein Jahrzehnt andauert. Im Jahr 2002 vergab das EPA das Patent Nr. 1069819 an die britische Firma Plant Bioscience. Das Schutzrecht umfasste ein Auswahlverfahren zur Zucht von Brokkolipflanzen, die aus natürlichen Gründen einen besonders hohen Anteil von Senfölverbindungen haben. Diese auch Glukosinolate genannten Verbindungen stehen in dem Ruf, bei bestimmten Krebserkrankungen vorbeugend zu wirken.

Einige Brokkolipflanzen haben durch Veränderungen im Erbgut von Natur aus einen höheren Anteil an Gluosinolaten. Rein äußerlich sind die Pflanzen aber nicht von ihren gewöhnlichen Artgenossen zu unterscheiden. Plant Bioscience hatte nun einen Test entwickelt, der anzeigt, ob es sich um eine Pflanze handelt, die mit den entsprechenden Merkmalen ausgestattet ist. Für die Züchtung ist das ein großer Vorteil, den so können die Pflanzen mit vielen Glucosinolaten gezielt ausgesiebt werden.

In den USA und Großbritannien gibt es den patentgeschützten Broccoli schon in Supermärkten zu kaufen.Lightbox-Link
In den USA und Großbritannien gibt es den patentgeschützten Broccoli schon in Supermärkten zu kaufen.Quelle: Ed Yourdon/flickr.com

Brokkoli im Supermarktregal: „Natürlich besser“

Das Patent, das Plant Bioscience vom EPA erhielt, umfasste zusätzlich zu diesem biomarkergestützten Zuchtverfahren auch die damit gezüchteten Samen, die ausgewachsenen Pflanzen und deren Teile. Gegen das Patent legte der Schweizer Konzern Syngenta schon 2003 Einspruch ein, das französische Saatgutunternehmen Limagrain beteiligte sich an der Klage. Die beiden Kläger versuchten daraufhin, die Reichweite des Schutzrechtes einzuschränken, da es ein „im Wesentlichen biologisches Verfahren“ beinhaltet, das im Sinne des Europäischen Patentübereinkommens nicht patentierbar ist.

Der US-amerikanische Saatgutkonzern ließ sich von dem laufenden Verfahren nicht abschrecken und kaufte Plant Bioscience die Nutzungsrechte für das Patent ab. In englischen und amerikanischen Supermärkten wird der vermeintlich krebsvorbeugende Brokkoli deshalb schon seit längerem angeboten, mit dem Etikett "Naturally better" und selbstverständlich deutlich teurer als die normale Variante.

Patent bleibt bestehen

Eine erste Entscheidung traf die Große Beschwerdekammer des EPA im Dezember 2010 (mehr...). Sie fiel ganz im Sinne der beiden Kläger Syngenta und Limagrain aus. „Im Wesentlichen biologische Verfahren" umfassen demnach herkömmliche Züchtungsverfahren, die Kreuzungsschritte beinhalten, die das gesamte Erbgut verändern, sowie die Auswahl der daraus resultierenden Pflanzen durch die Züchter. All diese Schritte sind nach Ansicht des EPA nicht patentierbar, auch wenn in diesem Ablauf technische Verfahren eingesetzt werden, die die Kreuzung und die Auswahl von Züchtungsnachkommen erleichtern und beschleunigen. Hierzu zählen auch biotechnologische Methoden wie etwa molekulargenetische Marker, also Orientierungspunkte im Erbgut, die Zuchtbetriebe für markergestützte Auswahlverfahren (Smart Breeding) nutzen. Das Verfahren von Plant Bioscience fällt unter diese Kategorie.

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Nachdem sich die klagenden Unternehmen geeinigt haben, wird die Große Beschwerdekammer das Verfahren nun wohl bald beenden. Das Patent wird aller Voraussicht nach bestehen bleiben, umfasst in Zukunft allerdings dann nicht mehr das Auswahlverfahren mit Biomarkern, sondern nur noch die Pflanze selbst. Das ist Umweltschutz- und Bauernverbänden zu wenig. Sie dringen seit Jahren auf eine vollständige Rücknahme des Patents. Nach der Absage der Anhörung protestierten vor dem EPA-Gebäude in München mehrere hundert Menschen. Sie forderten Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) dazu auf, Klage beim Bundespatentgericht einzureichen. "Pflanzensorten und deren Züchtung dürfen keinem Patentschutz unterliegen", sagte Christoph Then vom gentechnikkritischen Verein Testbiotech, der Greenpeace in Patentfragen berät. "Die Interessen der Verbraucher, Landwirte und Züchter müssen von der zuständigen Ministerin geschützt werden."

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie man mit Smart Breeding Pflanzen mit ganz bestimmten Eigenschaften züchten kann.Quelle: biotechnologie.de

Nächster Streitpunkt: Wasserarme Tomaten

Aigner hat sich zur aktuellen Wendung noch nicht geäußert, im vergangenen Jahr hatte sie sich noch für die Landwirte und ihre Belange stark gemacht. "Wir dürfen nicht zulassen, dass es zu einer kommerziellen Privatisierung unseres Naturerbes durch die Hintertür kommt", sagte sie im Vorfeld der EPA-Entscheidung zu biologischen Verfahren im Juli 2010 (mehr...). Auch im Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP wird das Verbot von Patenten auf Nutzpflanzen und Nutztiere gefordert.

 Nächster Termin in Sachen Biopatente ist der 8. November. Dann geht es um eine Tomate mit geringem Wassergehalt. Das israelische Landwirtschaftsministerium hatte im Jahr 2000 ein Patent auf ein biomarkergestütztes Zuchtverfahren von entsprechenden Pflanzen angemeldet. Sie sollen sich besonders gut für die Ketchup-Produktion eignen. Dagegen hatte der niederländische Unilever-Konzern Einspruch eingelegt.

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