Millionenschweres Epigenom-Projekt startet
25.10.2011 -
Nach dem Genom kommt jetzt das Epigenom des Menschen unter die Lupe: Unter dem Dach des 2010 gegründeten „Internationalen Humanen Epigenomprojekts“ (IHEC) wollen Forscher aus aller Welt kleine chemische Markierungen auf dem Erbmaterial und den sie umgebenden Proteinen untersuchen. Sie gelten als Schlüssel dafür, ob und welche Gene abgelesen werden und welche stumm bleiben. Unter Beteiligung von deutschen Wissenschaftlern ist Anfang Oktober das erste europäische IHEC-Großprojekt in Amsterdam gestartet. Es wird von der Europäischen Kommission mit 30 Millionen Euro gefördert.
Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass kleinste chemische Veränderungen der DNA (DNA-Methylierung) und an Seitenketten der Proteine, die das zwei Meter lange Spiralmolekül aufwickeln, bestimmen, welche Gene aktiv abgelesen werden können und welche stumm bleiben. Mit der Erforschung dieser An- und Abschaltautomatik beschäftigt sich die Epigenetik. Wegen zahlreicher Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Muster der DNA-Methylierung und dem Auftreten von Krankheiten wie Krebs, haben Forscher im vorigen Jahr begonnen, alle krankheitsrelevanten chemischen DNA-Veränderungen – das Epigenom – erstmals systematisch zu erfassen. Ziel des „International Humane Epigenome Consortium“ (IHEC) ist es, die Epigenome aller menschliche Zellen zu ermitteln. Dazu wollen die IHEC-Verbündeten insgesamt 1.000 kranke und gesunde Zelltypen mit vollautomatischen DNA-Sequenziermaschinen analysieren (mehr...).
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Anfang Oktober ist das erste IHEC-Projekt europäischer Forscher gestartet, das sich die Europäische Kommission einiges kosten lässt. Mit 30 Millionen Euro ist das Blueprint-Projekt eines der bislang teuersten EU-Einzelprojekte. „Das Blueprint-Projekt verfolgt das Ziel, genetische Informationen in funktionelle Biologie zu übersetzen“, erklärt Epigenom-Experte Jörn Walter. Der Professor von der Universität des Saarlandes ist neben 48 weiteren akademischen Forschergruppen und acht Firmen einer der Mitglieder im Blueprint-Konsortium. Gemeinsam wollen die Wissenschaftler herausfinden, welche Rolle die epigenetischen Markierungen bei der Entstehung von Krankheiten wie Blutkrebs und Typ-1-Diabetes spielen.
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Dazu ist geplant, die DNA-Methylierung und ihr Einfluss auf die Aktivität der Gene in je 50 Blutzelltypen von Gesunden und Leukämiekranken sowie acht Blutzelltypen aus Diabetikern zu untersuchen. Auf Basis der mehr als einhundert ermittelten Epigenome erstellen die Wissenschaftler dann genetische Landkarten, die ihnen Auskunft über epigenetische und genetische Veränderungen der kranken Zellen geben und sich diagnostisch nutzen lassen. Auch neue Angriffspunkte für Medikamente gegen Krebs und Typ-1-Diabetes wollen sie auf diese Weise finden. „Das wichtigste ist aber, dass eine Datenbank entsteht, die erstmals epigenetische Vergleichsdaten für zukünftige biomedizinische Forschungsprojekte liefert“, so Walter.
Deutsches Epigenom-Projekt geplant
Neben Walter sind von deutscher Seite auch Arbeitsgruppen der Universitäten Ulm, Kiel und Essen beteiligt. Darüber hinaus gehören die deutschen Biotech-Firmen Cellzome aus Heidelberg und Genomatix aus München zum Team. Im kommenden Jahr wird es darüber hinaus sehr wahrscheinlich auch ein rein deutsches Epigenom-Konsortium unter dem Dach von IHEC geben. Bis Mai konnten sich entsprechende Verbünde beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) um eine Förderung bewerben. Derzeit läuft das Begutachtungsverfahren. Zum Start des Blueprint-Projektes in Amsterdam stellten BMBF-Vertreter denn auch eine deutsche Beteiligung an IHEC für den nächsten Sommer in Aussicht – bei positiver Begutachtung.
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