Gen-Chirurgen überprüfen die Schärfe ihrer Scheren

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ZNF-Genscheren sind ein beliebtes Werkzeug von Molekularbiologen. Ein internationales Forscherteam unter deutscher Beteiligung hat erstmals protokolliert, wie exakt die Scheren eigentlich schneiden. Quelle: U. Dreiucker/pixelio.de

10.08.2011  - 

Sie gelten als die Präzisionswerkzeuge der Gentechnik: Zinkfinger-Nukleasen (ZFN). Diese Kunstproteine sind in der Lage, eine bestimmte Stelle im Erbgut einer lebenden Zelle anzusteuern und mittels einer Genschere quasi chirurgische Eingriffe an der DNA vorzunehmen. Damit können fehlerhafte Stellen im Genom ausgetauscht oder zerstört werden. Nun haben Heidelberger Forscher zusammen mit internationalen Kollegen erstmals genau überprüft, wie zuverlässig die Genscheren wirklich arbeiten. Wie sie in Nature Biotechnology (2011, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, setzen die Scheren ihre Schnitte zwar zumeist mit der gewünschten Präzision. In seltenen Fällen aber vertun sich die molekularen Skalpelle. Wenn die Wissenschaftler durch ihre Forschungen einmal erfahren, warum diese Fehler passieren, können sie Gentherapien möglicherweise sicherer machen.


Lange haben Molekularbiologen nach Werkzeugen gesucht, mit der sich gezielt einzelne Genbausteine in der DNA schneiden, austauschen oder zerstören lassen. Doch das molekulare „Cut & Paste“, das im Englischen unter dem Begriff „genome editing“ gefasst ist, blieb gerade in lebenden Säugetierzellen lange eine harte Nuss für die Forscher. Das Problem: In Säugerzellen sind besonders viele Reparatur- und Schutzmechanismen am Werk, die Veränderungen an der Erbsubstanz sofort unterbinden oder rückgängig machen.

Designerprotein kombiniert Zielerfassung und Genschere

Einen vielversprechenden Neuzugang in der Werkzeugkiste der Molekularbiologen stellen die sogenannten Zinkfinger-Nukleasen (ZFN) dar. Dabei handelt es sich um Designer-Proteine, bei denen zwei Funktionen miteinander kombiniert werden.

Zinkfinger-Forschung

Das internationale Zinkfinger-Konsortium will die Forschung an den genchirurgischen Werkzeugen  vorantreiben.

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Um die richtige Stelle im Erbgut anzuvisieren, sind die Zinkfinger notwendig. Das sind besonders zielsichere Eiweiße, die mit ihren fingerähnlichen Ausstülpungen die DNA an einer bestimmten Stelle anpacken können. An die Zinkfinger gekoppelt sind Genscheren, die sogenannten Nuklease-Enzyme. Werden beide Instrumente kombiniert, erhält man ZFN-Genscheren. Diese arbeiten wie programmierbare Nanoroboter, die selbständig eine fehlerhafte DNA-Position ansteuern und reparieren können. Die Entwicklung der ZFN-Moleküle gilt vielen Molekularbiologen als ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg zu einer Gen-Chirurgie. Die Hightech-Werkzeuge sind so präzise, dass sie selbst einzelne DNA-Bausteine austauschen können. Das macht sie zu Hoffnungsträgern für die Grundlagenforschung wie auch für die Medizin.

Katalog der tatsächlich gesetzten Schnitte

Doch wie präzise gehen die ZNF wirklich ans Werk? Erstmals haben Forscher exakt nachgemessen, wie die Aktivität von ZNF-Genscheren in lebenden Zellen verteilt ist. Federführend waren Forscher um Christof von Kalle vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und Deutschen Krebsforschungszentrum an der Studie beteiligt. Die Heidelberger arbeiteten dabei mit weiteren ZFN-Experten in Italien und den USA zusammen, so auch die kalifornische Firma Sangamo BioSciences, die die Technologie bereits vermarktet. „Bislang wussten wir jedoch nicht, wie die Genchirurgie mit dem Instrument der Zinkfinger-Nukleasen wirklich funktioniert, weil DNA-Brüche in lebenden Zellen sehr schnell repariert werden“, erläutert Christof von Kalle den Forschungsansatz, mit dem sein Team die Aktivität der Scheren in vivo, also in lebenden Zellkulturen, untersuchte. „Wir wussten nur, wo diese ZFN schneiden sollen. Jetzt wissen wir auch, wo sie tatsächlich schneiden.“

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Nur selten am Ziel vorbei geschnitten
Das ist doppelt nützlich: Zum einen erlaubt die Methode zum ersten Mal ein Protokoll der Aktivität von ZFN in lebenden Systemen. Bei der Reparatur gebrochener Genom-Abschnitte werden beim Zunähen des Risses nämlich auch andere, zufällig in der Zelle herumschwimmende DNA-Bruchstücke eingebaut. Nach diesen „DNA-Flicken“ suchten die Forscher und entdeckten so auch die längst wieder geschlossenen Bruchstellen. Außerdem ergab sich so erstmals ein präziser Katalog der tatsächlichen Bindungsstellen für die ZFN-Genscheren. Überwiegend heften sich die Zinkfinger-Nukleasen an den erwarteten DNA-Abschnitten an. Falls sie einmal irrten, war die falsch anvisierte DNA der Ziel-DNA meist sehr ähnlich.

Die Genchirurgie mit ZFN-Skalpellen wird bereits in der Entwicklungsbiologie, zur Korrektur von Erbkrankheiten oder in der AIDS-Therapie eingesetzt. Die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen, noch zielgenauere ZFN-Genscheren oder auch andere synthetische Enzyme zu entwickeln und diese - so die Hoffnugn der Forscher -  schnell in die breite klinische Anwendung zum Beispiel bei der Krebsbehandlungzu bringen.

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