Wochenrückblick KW 31

08.08.2011

Genetische Ursache für häufigen Hirntumor aufgespürt

Ein internationales Konsortium mit Beteiligung von Bonner Forschern hat die genetische Ursache für einen gutartigen Hirntumor, das Meningeom, ausgemacht.

Im Rahmen einer umfassenden Erbgutanalyse haben die Forscher die Gene von knapp 4000 Probanden, darunter 1600 Patienten, untersucht und dabei bestimmte Genvarianten identifiziert, die das Risiko für die Entwicklung eines Hirntumors erhöhen können. Meningeome sind gutartige, aber nicht harmlose Hirntumore, die sehr häufig vorkommen. "Meningeome sind nach den Gliomen die häufigsten Hirntumore, die wir operieren", sagt Matthias Simon, einer der Studienleiter und Leitender Oberarzt an der Neurochirurgischen Universitätsklinik in Bonn. Der Tumor breitet sich von den Hirnhäuten aus und kann den Patienten gefährlich werden. "Durch sein Wachstum kann das Meningeom auf das Gehirn drücken und Schäden verursachen", berichtet Simon. "Teilweise lassen sich die Tumoren bei Operationen auch nicht vollständig entfernen - der Tumor kann also wiederkehren." Das internationale Forscherteam suchte nun nach häufigen Varianten im Erbgut von Patienten, die mit der Entstehung des Tumors zusammenhängen. "Wir gehen davon aus, dass nicht ein einziges verändertes Gen, sondern mehrere Gene zu einem höheren Meningeom-Risiko beitragen", berichtet Simon. Die Wissenschaftler gewannen die DNA aus Blutproben und untersuchten das Erbgut von 1.633 Meningeom-Patienten auf Unterschiede zu gesunden 2.464 Probanden.

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Die Forscher nutzten so genannte Genchips - kleine Plättchen, an die bestimmte Abschnitte des Erbguts andocken, die von Mensch zu Mensch verschieden sind. Das Verfahren erlaubt, automatisiert viele einzelne Erbgutabschnitte zu analysieren. Damit überprüften die Forscher insgesamt mehr als 270.000 variable Stellen auf der DNA eines jeden Patienten. Das internationale Team fand eine Region im Erbgutstrang des Chromosoms 10, die bei Meningeom-Patienten besonders häufig verändert war. Dort befindet sich das AF10/MLLT10-Gen. "Wer über diese Erbgutveränderung verfügt, hat ein etwa 1,5-fach erhöhtes Risiko, an einem Meningeom zu erkranken", so Simon. Der Zusammenhang sei statistisch eindeutig belegt, aber der Unterschied zu gesunden Personen erscheine zu gering, um mit einem Erbguttest die genetisch bedingte Anfälligkeit für ein Meningeom zu untersuchen. Es müsse nun die Umgebung in dieser Region des Erbguts genauer angesehen werden, um das verantwortliche Gen sicher zu identifizieren. Dann könnten die Wissenschaftler herausfinden, wo genau das verdächtige Gen in den Stoffwechsel der Patienten eingreift. "Das sind dann potenzielle Ansatzpunkte für neue Medikamente", so die Humangenetiker.

Chemieindustrie erhöht Forschung auf Rekordniveau

Die chemische Industrie investiert immer mehr Geld in die Forschung. Im Jahr 2011 sollen die F&E-Ausgaben erstmals über 10 Milliarden Euro liegen, wie der Branchenverband VCI prognostiziert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 8 Prozent.

In der Chemieindustrie halten immer mehr biotechnologische Verfahren Einzug. Sie sparen Energie, vermeiden Abfall und schonen Ressourcen.Lightbox-Link
In der Chemieindustrie halten immer mehr biotechnologische Verfahren Einzug. Sie sparen Energie, vermeiden Abfall und schonen Ressourcen.Quelle: BASF

"Die chemische Industrie ist wichtigster Lieferant von neuen Materialien und Vorprodukten sowie von Ideen und Anwendungs-Know-how für viele andere Industriezweige", sagte Andreas Kreimeyer, Vorsitzender des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI. Vor allem in der industriellen Biotechnologie sind Chemieunternehmen aktiv. So nannte die Wacker Chemie AG ihren Bereich Feinchemikalien erst 2010 in "BioSolutions"  um (mehr...), während die Henkel AG sich in Forschungsporjekten für Klebstoffe aus Muscheln interessiert (mehr...).

BioIndustrie 2021

Um die Entwicklung der Biotechnologie in der chemischen und sonstigen Industrie voranzutreiben, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Herbst 2006 den Wettbewerb „BioIndustrie 2021“ ins Leben gerufen. Fünf Cluster sind daraus entstanden, die bisher rund 60 Millionen Euro Fördermittel erhalten haben.

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Jedes fünfte Patent kommt hierzulande aus der Chemie - hinter der Automobilindustrie der zweite Platz in der Forschungs-Rangliste. Die Verstärkung der Forschungsaktivitäten schafft auch Arbeitsplätze in Deutschland. Laut einer VCI-Umfrage planen über 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen in den nächsten fünf Jahren ihre Forschungskapazitäten im Inland auszuweiten. Für die großen Chemieunternehmen spielen jedoch auch die Schwellenländer eine zunehmend bedeutende Rolle. 46 Prozent planen einen Ausbau ihres Forschungsengagements in diesen Ländern, vor allem in Asien. Knapp ein Drittel der großen deutschen Chemieunternehmen will ihre Forschung dort sogar stärker ausbauen als in Deutschland.

Boehringer erhält EU-Zulassung für Schlaganfall-Pille

Im Rennen um die Zulassung eines neuen Schlaganfallmedikaments in der EU kann die Boehringer Ingelheim AG & Co. KG einen wichtigen Erfolg verbuchen: Die EU-Kommission hat das Medikament Pradaxa zur Vorbeugung von Schlaganfällen bei Herzrhythmusstörungen zugelassen, hieß es am 4. August aus der Ingelheimer Konzernzentrale.

Im September soll Pradaxa in Deutschland als einem der ersten europäischen Länder auf den Markt kommen, berichtete das Handelsblatt. Es ist das erste neue Medikament seit mehr als 50 Jahren, das in der EU zur Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern zugelassen wird. In den USA ist die Arznei bereits seit September vergangenen Jahres erhältlich. Warfarin, das gängige Standardmedikament, gilt in Medizinerkreisen als schwer zu dosieren. Zudem müssen Patienten eine strenge Diät einhalten und es werden regelmäßige Blutchecks fällig. Der nun zugelassene Wirkstoff Dabigatranetexilat soll diese Nachteile nicht haben. „Die Zulassung von Dabigatranetexilat in Europa ist ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte von Boehringer Ingelheim“, sagte Konzernchef Andreas Barner. Bereits seit 2008 ist der Wirkstoff in der EU zur Thromboseprophylaxe nach Hüft- oder Kniegelenksoperationen zugelassen. Die Ausweitung der Zulassung dürfte nun aber für einen Umsatzschub sorgen. Analysten trauen Pradaxa Spitzenumsätze von bis zu 2 Milliarden Euro zu.

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Wochenrückblick: Pradaxa schafft 120 Arbeitsplätze bei Boehringer Ingelheim

In den etwa 15 Milliarden US-Dollar schweren Weltmarkt für Schlaganfallprävention dürfte in den kommenden Monaten weitere Bewegung kommen: Die Bayer AG entwickelt gemeinsam mit dem US-Pharmakonzern Johnson & Johnson den Gerinnungshemmer Xarelto. Im Januar 2011 sind die Zulassungsanträge für Europa und die USA eingereicht worden. Im dritten oder vierten Quartal könnten die Anträge positiv entschieden werden, hofft Bayer. Ob Xarelto sich dann aber mit Pradaxa wird messen können, beurteilen Analysten kritisch. Mit Apixaban von Bristol-Myers Squibb und Pfizer sowie Edoxaban von Daiichi Sankyo sind bereits zwei weitere Medikamentenkandidaten in der Entwicklung.

NRW-Wettbewerb: 1,6 Millionen Euro für chipbasierten Zellsortierer

Mit dem Konzept eines Mikrochip-basierten Zellsortiersystem haben Wissenschaftler aus dem Ruhrgebiet beim Landeswettbewerb NanoMikro+Werkstoffe.NRW überzeugt und haben sich eine Fördersumme von 1,6 Millionen Euro gesichert.

Den überwiegenden Teil der Forschung wird der landeseigene Cluster NanoMikro+Werkstoffe.NRW finanzieren. In den nächsten drei Jahren werden insgesamt 1,59 Millionen Euro Fördermittel fließen. Die am Projekt beteiligten Partner stocken diese Summe auf insgesamt 1,83 Millionen Euro auf. Neben dem Institut für Zellbiologie (Tumorforschung) des Uniklinikums Essen sind auch das Fachgebiet Allgemeine und Theoretische Elektrotechnik der Universität Duisburg-Essen, das Duisburger Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme sowie die Dortmunder Firma Bartels Mikrotechnik an dem Vorhaben beteiligt.

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 News: NRW - Studie benennt Topthemen der Bioökonomie

News: Duisburger Forscher sind Wanderbewegungen der Zelle auf der Spur

Gemeinsam soll eine neue Technik für die Sortierung von Zellen entwickelt werden, die MikroChip-Navigierte Parallel-Sortieranlage (MINAPSO). Das der Technik zugrunde liegende Prinzip: Der Chip ist in viele kleine Bereiche unterteilt, an die einzeln eine positive oder negative Spannung angelegt werden kann. In dem Bereich vorhandene Flüssigkeitstropfen lassen sich so mitsamt der darin enthaltenen Zellen aufteilen und wieder zusammenführen. „Wir können die Zellen so kreuz und quer über den Chip flitzen lassen“, sagte Ralf Küppers vom Institut für Zellbiologie. Dieses Prinzip, das sogenannte Elektrowetting, wird zum Beispiel bei den modernen E-Book-Lesegeräten genutzt, um die Schrift anzuzeigen. Die Forscher um Küppers verfolgen ein anderes Ziel: Sie wollen das System um eine Laserkomponente erweitern. So könnten mit unterschiedlichen fluoreszierenden Antikörpern gefärbte Zellen voneinander unterschieden und anschließend aufgetrennt werden. Die Forscher wollen das System nutzen, um Mikroorganismen, Lymphozyten oder Stammzellen besonders schonend zu untersuchen und sortieren. Idealerweise würde die Entwicklung in den nächsten drei Jahren in einem Prototypen münden, sagte Küppers: „Wir könnten dann eventuell auch einen größeren Partner einbinden, erste Gespräche führen wir bereits.“

Alzheimer: Plaque fressende Zellen lokalisiert

Freiburger Neurophathologen haben körpereigene Immunzellen entlarvt, die das giftige Protein Amyloid im Gehirn „auffressen“. 

Das Eiweiß Amyloid lässt Nervenzellen absterben und ist damit mitverantwortlich für die Alzheimer-Erkrankung. Nicht immer kämpft die körpereigene Gesundheitspolizei nur an vorderster Front gegen Bakterien oder Viren. Manchmal muss sie auch gegen Strukturen antreten, die vom Organismus selbst gebildet werden. Um bei Alzheimer-Patienten abgestorbene Nervenzellen sowie das dafür verantwortliche Amyloid abzubauen, gibt es deshalb eine spezielle Familie von Fresszellen im Gehirn: die Makrophagen oder Mikrogliazellen.

Körpereigene Immunzellen (Mikrogliazellen; weiß), fressen das giftige Alzheimer-Eiweiß Amyloid im Gehirn.Lightbox-Link
Körpereigene Immunzellen (Mikrogliazellen; weiß), fressen das giftige Alzheimer-Eiweiß Amyloid im Gehirn.Quelle: Christine Menzfeld

Mit Kollegen aus Göttingen, Berlin, Bonn und Leipzig konnte der Freiburger Forscher Marco Prinz erstmals im Tiermodell nachweisen, dass eine bestimmte Population dieser Fresszellen besonders wichtig für den Amyloidabbau im Gehirn ist und somit entscheidend den Verlauf der Krankheit beeinflusst. Das Überaschende für die Forscher: Entgegen der Lehrmeinung sitzen die Eiweiß fressenden Makrophagen nicht im Hirngewebe selbst, sondern um die Blutgefäße herum. Für Prinz eine möglicherweise wichtige Erkenntnis. „Wenn wir nun wissen, welche Fresszellen entscheidend für den Verlauf der Erkrankung sind, besteht die berechtigte Hoffnung, neue, zellspezifischere Therapieansätze zur Behandlung dieser Erkrankung zu entwickeln“, sagt der Direktor der Neuropathologie am Neurozentrum des Universitätsklinikum Freiburg. Darüber hinaus berichten die Forscher in der Fachzeitschrift Journal of Neuroscience (2011, Bd. 31, S. 11159 ) von einer weiteren Erkenntnis: Das Team konnte zeigen, dass die Fresszellen bestimmte Rezeptoren brauchen, um das Amyloid aufzunehmen und aus dem Gehirn zu schaffen.

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News: Alzheimer erkennen, bevor es ausbricht

News: Molekularer Schneeballeffekt lässt Proteine verklumpen

Menschen: Katharina Zimmermann - Alzheimer-Expertin aus der Industrie an die Hochschule

Die Alzheimer Erkrankung ist gekennzeichnet durch den langsam fortschreitenden Untergang von Nervenzellen. Auch wenn die Ursache für die Demenzerkrankung in Teilen immer noch rätselhaft ist, Einigkeit besteht unter Wissenschaftlern aber darüber, dass Amyloid am Ausbruch von Alzheimer beteiligt ist. Das Eiweiß, so die Annahme, ist giftig für die Nervenzellen im Gehirn und führt dazu, dass diese absterben. „Unsere Ergebnisse stellen einen wichtigen Meilenstein für das Verständnis der Alzheimererkrankung dar“, sagt Prinz. In Deutschland gibt es etwa 700.000 Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind und jedes Jahr werden ca. 120.000 neue Fälle diagnostiziert. Eine Therapie gibt es bisher nicht. 

Mit Shiga-Toxin gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs

Aufbauend auf dem Giftstoffmolekül Shiga-Toxin haben Münchner Molekularmediziner einen neuen Ansatz für die gezielte Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs entwickelt.

Forscher um Klaus-Peter Janssen von der Chirurgischen Klinik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München haben dazu das Protein Shiga-Toxin B als Wirkstofftransporter für Medikamente umfunktioniert.

Mikroskopische Aufnahme von humanem Pankreas-Tumor. Mit fluoreszenzmarkiertem Shiga Toxin B wurden Krebszellen rot angefärbt. Lightbox-Link
Mikroskopische Aufnahme eines menschlichen Pankreastumorgewebes. Mit fluoreszenzmarkiertem Shiga Toxin B wurden Krebszellen rot angefärbt. Quelle: Klinikum rechts der Isar

Die Ergebnisse sind in der der Fachzeitschrift Molecular Cancer Therapeutics (2011, Online-Veröffentlichung) veröffentlicht. Bösartige Tumore der Bauchspeicheldrüse gehören zu den aggressivsten Krebserkrankungen überhaupt. Doch nur ein kleiner Teil der Patienten spricht auf die gängige Chemotherapie an. Gleichzeitig haben die eingesetzten Therapien den Nachteil zahlreicher Nebenwirkungen, da sie nicht nur auf Tumorzellen, sondern auch auf das normale Gewebe wirken. Auf der Suche nach zielgerichteten Therapiealternativen arbeiten die Münchner Forscher bereits seit längerem an der Entwicklung eines sogenannten Vektors, eines Wirkstofftransporters, der sich gezielt in Krebszellen anreichert, nicht jedoch im gesunden Gewebe. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Institut Curie in Paris setzte die Arbeitsgruppe auf einen Vektor, der diese Vorgaben auf natürlichem Weg erfüllt: das Shiga-Toxin B.

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Wochenrückblick: US-Krebskongress: Deutsche Biotechfirmen präsentieren neue Studienergebnisse

News: Unheilvoller Mix: Was das EHEC-Genom verrät

Das ursprünglich aus einem Darmbakterium stammende Protein ist ungiftig. Durch die Kopplung an radioaktive oder chemotherapeutische Substanzen lässt sich das Shiga-Toxin B jedoch in ein effektives Werkzeug zur Tumordiagnose verwandeln und möglicherweise auch zur Therapie einsetzen. Wie die Forscher beobacheten, tragen insbesondere Pankreaskarzinome eine Version des natürlichen Rezeptors für das Shiga-Toxin B in hoher Dichte auf ihrer Oberfläche- und zwar deutlich mehr als bei gesunden Zellen. In Zellkulturexperimenten nahmen Zelllinien von Pankreastumoren das Shiga Toxin B rasch und hochspezifisch auf. Die Forscher konnten nun ein Chemotherapeutikum (einen Topoisomerase-Hemmer) direkt an das Shiga-Toxin B koppeln. Diese neuartige Kombination wurde nur von Krebszellen aufgenommen und hatte eine vielfach stärker abtötende Wirkung auf Krebszellen als das unveränderte Medikament. Für die Forscher ist damit der Nachweis erbracht, dass eine Therapie auf Basis des Shiga-Toxins B gezielt auf Krebszellen wirkt.