Röntgenlaser durchblitzt Proteine in 3D

3D- Darstellung der Beugungsbilder, die die Forscher von 15.000 Nanokristallen ermittelten. Jeder der Nanokristalle wurde zwar durch den intensiven Röntgenlaserblitz zerstört, seine Struktur konnte aber vorher vermessen werden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
3D- Darstellung der Beugungsbilder, die die Forscher von 15.000 Nanokristallen ermittelten. Jeder der Nanokristalle wurde zwar durch den intensiven Röntgenlaserblitz zerstört, seine Struktur konnte aber vorher vermessen werden. Quelle: DESY

03.02.2011  - 

Für Strukturbiologen sind das hervorragende Aussichten: Mit einem leistungsstarken Röntgenlaser haben Physiker aus Deutschland, den USA und Schweden erstmals einzelne Viren und Proteine durchleuchtet, ohne dass sie dazu im Vorfeld große Kristalle von ihren Studienobjekten herstellen mussten. Die Röntgenlaserblitze der Linac Coherent Light Source im kalifornischen Menlo Park, die die Forscher durch die Eiweiße schickten, waren nur den Bruchteil einer milliardstel Sekunde lang. Dennoch reichten sie aus, um ein hochaufgelöstes Bild der 3D-Struktur der filigranen Proben zu ermitteln. Die Forscher präsentieren ihre faszinierenden Röntgenlaser-Schnappschüsse in der Fachzeitschrift Nature (2011, Bd. 470, S. 73).



Die 3D-Strukturen von Proteinen und Viren werden üblicherweise mit Hilfe der sogenannten Röntgenkristallographie aufgezeichnet. Dabei trifft ein Röntgenstrahl auf den zuvor gezüchteten Kristall eines Proteins, und es entsteht eine Anordnung von Punkten, das  Röntgenbeugungsmuster. Während der Kristall im Röntgenstrahl gedreht wird, gibt die gemessene Intensität dieser Punkte ein dreidimensionales Abbild der Probe. In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, was sich hinter dem Begriff Röntgenstrukturanalyse verbirgt.Quelle: biotechnologie.tvDiese Analyse hat allerdings ihren Preis: Die Testobjekte werden durch die intensive ionisierende Strahlung zerstört. Deshalb müssen die Kristalle hinreichend groß sein, um deutliche Beugungsmuster zu erzielen, bevor die Zerstörung einsetzt. Die Kristallzüchtung ist eine sehr komplexe Kunst: Viele Strukturbiologie-Projekte scheitern, weil viele Biomoleküle schlichtweg nicht in Kristallform zu bekommen sind.

Weg von der aufwendigen Kristallzüchtung

Seit mehr als einem Jahrzehnt tüfteln Forscher jedoch an dem Traum, die Struktur von Biomolekülen mit Hilfe von extrem intensiven Röntgenblitzen hochauflösend zu durchmustern- ohne dass dazu Kristalle gezüchtet werden müssen. Berechnungen zufolge sollte es nämlich möglich sein, mit Röntgenblitzen exakte Messungen vom molekularen Aufbau biologischer Strukturen zu machen, bevor die Moleküle zugrunde gehen. Der Hoffnungsträger der Physiker ist der „Freie-Elektronen-Laser“. Er produziert ultrakurze Blitze, die milliardenfach heller sind als herkömmliche Lichtquellen. Mit ihnen lassen sich Bilder aufnehmen, noch bevor ein Zerstörungseffekt eintritt. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Henry Chapman vom Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) bei DESY in Hamburg hat jetzt mit Kollegen am SLAC National Accelerator Laboratory im kalifornischen Stanford an Proteinen und Viren nachgewiesen, dass das neuartige Röntgenlaserverfahren tatsächlich funktioniert.

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Ultrakurzer Röntgenblitz durchleuchtet vor dem Untergang

Ein einzelner Röntgenlaserblitz ist so intensiv, dass jede Probe in dem Strahl zu einem Plasma verdampft, das heißer als die Sonne ist. Die Zerstörung erfolgt aber erst, nachdem der ultrakurze Röntgenblitz das Objekt durchquert hat. In nur 100 Femtosekunden (Billiardstel Sekunden) erzeugt der Röntgenblitz sein Bild, bevor die Moleküle zerplatzen. Das Röntgenbeugungsmuster vermittelt somit die Information über das unzerstörte Objekt. Die Blitze sind so intensiv, dass die Beugungsmuster winziger Nanokristalle oder sogar einzelner Viruspartikel intensiv genug für die Auswertung sind.

Geballte Rechenpower im Einsatz

Die auftreffenden, kurzen Röntgenblitze wurden von diesen Objekten reflektiert und lieferten ein facettenreiches Beugungsmuster. Pro Minute konnten die Forscher bis zu 1.800 solcher Muster aufzeichnen. Durch die Auswahl von einigen tausenden dieser Datensätze und die geballte Rechenpower des Hamburger DESY und des kalifornischen SLAC Insituts entstanden die hochaufgelösten Strukturbilder, die den atomaren Aufbau von Viren und Proteinen in allen drei Raumdimensionen offenbarten. "Diese Experimente sind ein Durchbruch auf unserem Weg zur Röntgenbeugung von Einzelobjekten", sagt Helmut Dosch, Leiter des Forschungszentrums DESY in Hamburg. Letztendlich wird mit der neuen Technik angestrebt, Beugungsmuster von einzelnen Molekülen aufzuzeichnen, ohne dass überhaupt eine Kristallisation notwendig ist. Für dieses Ziel tüfteln die Biophysiker gerade daran, die Röntgenblitze auf noch kleinere Punkte zu fokussieren, um die Intensität der Laserstrahlen noch zu steigern.

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