Überraschend erfolgreich: DKFZ und Bayer verlängern Krebskooperation

Freuen sich über eine "erstaunlich" gute Zusammenarbeit: "Alwin Krämer (DKFZ), Otmar Wiestler (DKFZ), Christof von Kalle (DKFZ), Andreas Busch (Bayer), Karl Ziegelbauer (Bayer) und Kerstin Crusius (Bayer). <ic:message key='Bild vergrößern' />
Freuen sich über eine "erstaunlich" gute Zusammenarbeit: "Alwin Krämer (DKFZ), Otmar Wiestler (DKFZ), Christof von Kalle (DKFZ), Andreas Busch (Bayer), Karl Ziegelbauer (Bayer) und Kerstin Crusius (Bayer). Quelle: biotechnologie.de

19.01.2011  - 

Wenn nur alle Beziehungen so gut funktionieren würden: „Es ist eine der erfolgreichsten und wertvollsten Partnerschaften, die unser Haus unterhält“, sagte Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), in Berlin, als er am 17. Januar die Verlängerung der strategischen Kooperation mit Bayer verkündete. Da wollte Andreas Busch, Vorstandsmitglied der Bayer Schering Pharma AG, nicht zurückstehen. „Einen neuen Meilenstein in der Zusammenarbeit“ habe man in den vergangenen beiden Jahren erreicht, bezeugte er. Wegen der für beide Seiten überraschend guten Erfahrung wollen das Forschungszentrum und der Pharmakonzern nun drei weitere Jahre lang gemeinsam neue Medikamente gegen Krebs entwickeln. 6,5 Millionen Euro nehmen die Partner dafür in die Hand.

Als Bayer Schering und das Heidelberger DKFZ im November 2008 eine neuartige Form der Zusammenarbeit in der Krebsforschung ankündigten (mehr...), war ungewiss, ob das Experiment gelingen würde . Die Kulturen in der akademischen und der kommerziellen Forschung sind bekanntlich recht unterschiedlich. „Das ist für uns eine ganz neue Erfahrung“, sagte DKFZ-Chef Otmar Wiestler damals vorsichtig. Nach zwei Jahren sind beide Beteiligte angenehm überrascht – von sich selbst und ihrem Gegenüber. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin bezeichnete Wiestler den Partner Bayer als „Glücksfall“. Es sei „erstaunlich schnell“ eine Vertrauensbasis entstanden. „Wir kamen aus zwei unterschiedlichen Welten“, so der DKFZ-Chef, und  schon jetzt sei die Kooperation „ein schönes Beispiel für eine Public Private Partnership, wie wir sie in Deutschland dringend brauchen.“

Mehrpolige, missgebildete Spindel einer Krebszelle. Diese Eigenschaft wollen die Forscher von DKFZ und Bayerfür neue Medikamente ausnutzen.Lightbox-Link
Mehrpolige, missgebildete Spindel einer Krebszelle. Diese Eigenschaft wollen die Forscher von DKFZ und Bayerfür neue Medikamente ausnutzen.Quelle: biotechnologie.de

Neue Angriffspunkte für die Krebstherapie

Innerhalb der Vereinbarung wurden Projekte aus dem Ideenarchiv des DKFZ auf die Chancen einer möglichen Weiterverwertung überprüft. Ein paritätisch besetztes Komitee mit Wissenschaftlern aus beiden Häusern bewertete die Vorhaben, ein Steuerungskomitee wählte schließlich neun davon aus. Die meisten Projekte zielen darauf ab, neue zelluläre Angriffspunkte, sogenannte Targets zu finden, die in der Krebstherapie nützlich sein könnten. Außerdem geht es um Diagnoseverfahren, um den individuellen Krankheits- und Therapieverlauf besser überwachen und einen Behandlungserfolg vorhersagen zu können.

Beide Partner sollen sich dabei komplementär ergänzen. Das DKFZ, mit 2500 Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland, bringt sein geballtes Know-How in der Grundlagenforschung ein. Die Bayer Schering Pharma AG, die demnächst unter dem Namen Bayer Health Care firmiert, sucht dann nach geeigneten Substanzen und begleitet aussichtsreiche Kandidaten durch die verschiedenen Stufen der Medikamentenentwicklung.

Bündelung bei sich teilenden Krebszellen hemmen

Eines der neun Projekte ist besonders aussichtsreich. „Ausgangspunkt ist ein Mechanismus bei der Zellteilung“, sagt Alwin Krämer, der als Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Molekulare Hämatologie/Onkologie für das Projekt zuständig ist. Gesunde Zellen verfügen über zwei Polkörperchen, die dafür verantwortlich sind, dass der frisch verdoppelte Chromosomensatz korrekt auf die beiden neu entstehenden Tochterzellen aufgeteilt wird. Krebszellen unterscheiden sich in dieser Hinsicht von ihren gesunden Verwandten. Sie haben oft mehr als zwei Polkörperchen, was zu einer ungleichmäßigen Chromosomenverteilung auf die Tochterzellen und damit zum Tod der Zelle führen würde. Deshalb benutzen Krebszellen einen Trick. Sie bündeln die mehrfach vorhandenen Polkörperchen zu zwei Einheiten, die dann wie gewohnt funktionieren. Krämer suchte mit seinem Team nun systematisch nach Eiweißen, die diesen Bündelungsprozess unterstützen. Insgesamt fanden sie 82 Eiweiße, die an dem Prozess beteiligt sind. Könnte man eines oder mehrere dieser Eiweiße unterdrücken, dann hätte man einen Mechanismus gefunden, der Krebszellen in den Untergang treibt, auf gesunde Zellen, die keine Bündelung brauchen, aber wahrscheinlich ohne Auswirkung bleibt.

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Substanzbibliothek archiviert knapp 3 Millionen Moleküle

Die Moleküle zu finden, die diese Eiweiße blockieren können, das geht über das hinaus, was eine Forschungseinrichtung wie das DKFZ leisten kann. Hier kommt Bayer ins Spiel, die sich in der 130-jährigen Geschichte eine riesige Substanzbibliothek aufgebaut hat. Das Archiv wird ständig erweitert und umfasst derzeit 2,6 Millionen biologisch aktive Moleküle. Noch sind einige technische Schwierigkeiten auszuräumen, dann kann das Substanzscreening starten. Krämer ist froh über die neuen Möglichkeiten. Denn „ohne Bibliothek nutzt die schönste Idee nichts“.

Für die Forscher des DKFZ eröffnet sich mit der Kooperation die Möglichkeit, dass ihre Ideen zügig getestet und vielleicht sogar einmal den Patienten erreichen. „Wir haben schon immer die innere Mission erfolgt, Ergebnisse aus der Forschung auch zu nutzen“, sagte Wiestler. Für Bayer bringt die renommierte Forschungseinrichtung das nötige Gewicht mit, um in einem Feld zu reüssieren, in dem der Konzern keine Tradition hat. Erst seit rund 20 Jahren denkt man bei Bayer und vormals bei Schering über Onkologie nach, das Portfolio ist noch jung. Das einzige Medikament mit größeren Umsatzzahlen ist derzeit Nexavar gegen Nieren- und Leberkrebs. Nach den guten Erfahrungen in der bisherigen Zusammenarbeit trifft sich das Auswahlkomitee bald wieder, um die nächsten Projekte zu bestimmen, die weiterverfolgt werden. Die Forscher beider Häuser sind derzeit aufgerufen, Vorschläge einzureichen. Die bisherigen Erfolge haben die Erwartungen in die Höhe geschraubt. Andreas Busch formuliert sie ganz klar. „Wir haben unseren Mitarbeitern klargemacht: Failure is not an option.“

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