iGEM in Boston: Mit Biosensoren und molekularen Fließbändern zum Sieg

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Fast 2000 studentische Bioingenieure stellten beim iGEM-Wettbewerb in Boston ihre neuesten Tüfteleien aus der synthetischen Biologie vor. Quelle: Justin Knight/iGEM

11.11.2010  - 

Es ist der absolute Höhepunkt im Kalender von Nachwuchsforschern in der Synthetischen Biologie: Der internationale Studentenwettbewerb iGEM am Massachusetts Institut of Technology (MIT) in Boston. Beim iGEM-Jamboree vom 6. bis 8. November kamen diesmal 128 Studententeams aus aller Welt zusammen, um ihre neuesten Biokonstrukte zu präsentieren. Acht Teams aus Deutschland, so viele wie nie zuvor, waren mit von der Partie. Zu den großen Abräumern in diesem Jahr zählten allerdings andere: Das Slowenien-Team hatte ein Stück DNA zu einer Art molekularem Fließband umkonstruiert, was die Herstellung von Molekülen deutlich effizienter machen soll. Dafür gab es Platz eins in der Gesamtwertung. Aufgemotzte Mikroben als Biosensoren, die etwa Schwermetalle oder Nitrate im Boden aufspüren können, gehörten wieder zu den beliebtesten Tüfteleien der studentischen Biokonstrukteurs-WM.

iGEM ist der weltweit bedeutendste Studentenwettbewerb in synthetischer Biologie, die "International Competition of Genetically Engineered Machines". Ähnlich wie bei einer Maschine, die aus verschiedenen vorgefertigten Bauteilen aufgebaut ist, wollen Biotüftler einfache Gen-Bausteine dazu verwenden, um sie neu zu kombinieren und dabei Neues zu schaffen. Es geht um die Konstruktion von lebenden Systemen mit Eigenschaften, die es in der Natur so nicht gibt.

In seinem sechsten Jahr brach der Bio-Bastler-Wettbewerb vom 6. bis 8. November sämtliche Teilnehmer-Rekorde. 128 Teams mit insgesamt an die 2000 Studenten hatte die Bioingenieurs-Konkurrenz nach Boston geführt. Acht deutsche Teams, ebenfalls so viele wie nie zuvor, waren diesmal mit von der Partie: Bielefeld, Dresden, Freiburg (2x), Heidelberg, München (2x) und Weimar. Gehörten in den letzten Jahren deutsche Teams sogar zu den Finalisten  (mehr...), hatten es diesmal keines der Teams bis in die Runde der letzten Fünf geschafft.

iGEM  auf biotechnologie.tv

In unserem wöchentlichen TV-Nachrichtenmagazin biotechnologie.tv stellen die deutschen iGEM-Teams ihre Projekte vor:

Folge 53: Team Bielefeld

Folge 55: Team Dresden

Folge 56: Team Heidelberg

Folge 57: Team Freiburg

Folge 58Team LMU München

Folge 60: Team TU München

Folge 62: Team Weimar

Goldmedaille für den Bielefelder Schärfe-Senor

„Trotzdem waren die deutschen Teams alle sehr zufrieden, allein schon weil das Niveau der Projekte im Wettbewerb sehr hoch war. Viele haben Medaillen erobert“, berichtet Frieder Hänisch von der Universität Bielefeld, der gerade frisch aus Boston zurückgekehrt ist. Seine Gruppe war erstmals bei iGEM mit dem Ziel angetreten, ein Bodenbakterium gentechnisch so umzurüsten, dass es fortan den Schärfestoff Capsaicin messen kann. Die technische Umsetzung des Projekts überzeugte die Jury in Boston: Als Auszeichnung gab es eine von insgesamt 60 vergebenen Goldmedaillen. Auch das Team Bioware Freiburg kann sich neben einer Goldmedaille über einen Spezialpreis für das beste Medizinprojekt des Wettbewerbs freuen. Die Freiburger unter Leitung von Kristian Müller hatten einen Viren-Baukasten zur Herstellung von Genfähren entwickelt, mit dem sich Körperzellen ganz gezielt ansteuern lassen können. Weitere Goldmedaillen nahmen die iGEMer aus Dresden, Heidelberg und von der TU München mit nach Hause (zum iGEM-Medaillenspiegel: hier klicken).

Fertigungsstraße in der Zelle

Der große Gewinner von iGEM 2010 ist das Team aus Slowenien, und das nun schon zum dritten Mal in der Geschichte des Studentenwettbewerbs. Diesmal überzeugten die Nachwuchstüftler die Jury mit einer bestechenden Idee: Sie konstruierten ein Stück DNA zu einer Art molekularem Fließband in Bakterienzellen um. Wie bei einer Fertigungsstraße in einer Fabrik bringt das Erbgutmolekül nun verschiedene Proteine in der Zelle näher zusammen. Wie winzige Industrieroboter können diese dadurch bestimmte Moleküle viel schneller zusammenbauen und diese auch in größeren Mengen fertigen. Die slowenischen Biobastler konnten bereits nachweisen, das ihre Idee im Prinzip funktioniert. „Das slowenische Team hat absolut verdient gewonnen“, sagt Frieder Hänisch, „die Idee von einem Fließband in der Zelle ist genial und wurde toll umgesetzt“. Der zweite Platz ging an das Team aus Peking, das Mikroben zu Biosensoren und Bioabsorbern für Schwermetalle umfunktioniert hatte.

Mikroben als Nitratanzeiger in Böden

Über den dritten Preis durfte sich das Team aus Bristol freuen. Die Briten haben in ihrem Projekt „agrEcoi“ Darmbakterien als Biosensoren für Nitrat umfunktioniert.

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Die leuchtenden Mikroben sollen auf Äckern die Konzentration von Nitrat im Boden anzeigen. So könnten Landwirte ablesen, an welchen Stellen sie ihre Nutzflächen wirklich gezielt düngen müssen.  Ihre Versuche haben die Jungforscher aber nur auf Testböden im Labor durchgeführt, wohlwissend dass ihre gentechnisch veränderten Mikroben in freier Natur gesellschaftlichen Sprengstoff bergen würden.

Die drei Tage iGEM in Boston sind für die Teilnehmer ein besonderes Erlebnis. Das Treffen am MIT sei aber nicht ein bloßes Studentenhappening, wie gerne von den Medien dargestellt, berichtet iGEM-Novize Hänisch: „Anfangs herrscht eher eine offene Atmosphäre wie auf einer Wissenschaftskonferenz, entspannt gefeiert wird erst nach den Präsentationen der Projekte.“ Der mikrobielle Schärfesensor aus Bielefeld soll nun nach dem Wettbewerb nicht einfach im Gefrierschrank landen. Hänisch: „Wir überlegen derzeit, die Idee in mehreren Master-Arbeiten weiterzuführen“.

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