Hochwirksame Antikörper halten HIV in Schach

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Die Illustration zeigt, wie der Antikörper VRC01 (blau und grün) an die verwundbaren Stellen des HI-Virus (rot und grau) andockt. Quelle: NIAID VRC

13.07.2010  - 

US-Forschern ist es gelungen, aus dem Blut eines HIV-Infizierten zwei Antikörper zu isolieren, die mehr als 90 Prozent der weltweit bekannten HIV-Stämme unschädlich machen. Zudem konnten die Biomediziner die Wirkungsweise der Abwehrproteine aufklären. Demnach greifen die Antikörper namens VRC01 und VRC02 offenbar an Punkten der Erreger-Oberfläche an, die bei den meisten Virusstämmen weitgehend unveränderlich sind. So verhindern sie, dass die HI-Viren in Wirtszellen eindringen können. Die neuen Erkenntnisse seien wichtig für die weitere Suche nach einem Impfstoff gegen das Aidsvirus, schreiben die US-Wissenschaftler im Fachmagazin Science (8. Juli 2010, Online-Vorabveröffentlichung).


Mehr als 25 Jahre nach der Identifizierung des Aids-Virus suchen Forscher weltweit immer noch nach einem Impfstoff gegen die Immunschwächekrankheit. Zwar wurden bereits natürliche Antikörper gefunden und deren Wirkweise entschlüsselt. Doch immer wieder gibt es Rückschläge: Da die HI-Viren durch Mutationen sehr schnell ihre Gestalt und die Struktur ihrer Oberfläche verändern, schaffen sie es, den natürlichen Schutzmechanismen des Immunsystems zu entkommen. Diese Eigenschaft macht es schwer, einen geeigneten Impfstoff zu finden - denn weltweit existiert eine enorme Anzahl von verschiedenen Varianten des Krankheitserregers.

HIV-Infizierte mit natürlicher Immunität

Doch nicht alle Infizierten reagieren gleich auf das Aidsvirus. Während es bei manchen nur zwölf Monate dauert, bis sie an der Immunschwäche erkranken, können andere jahrzehntelang ohne HIV-Therapie leben, ehe sich die Krankheit ausbildet. Erst im vergangenen Jahr hatten Jenaer Forscher herausgefunden, dass aufgrund einer Veränderung im X-Chromosom die Aids-Erkrankung bei einigen Frauen langsamer abläuft (mehr...). Es gibt also Menschen, die offenbar eine natürliche Immunität gegen das HI-Virus aufweisen. Diese Patienten sind in den Fokus der HIV-Forscher weltweit gerückt. Offenbar produziert ihr Immunsystem Antikörper, die einen Teil des Virus erkennen, der so wichtig ist, dass er kaum verändert werden kann. Antikörper gegen solche verwundbaren Punkte des Erregers könnten der Schlüssel für ein Medikament oder einen Impfstoff sein.

Zwei dieser Antikörper, VRC01 und VRC02, haben die Forscher um den Virologen Xueling Wu von den National Institutes of Health (NIAID) in Bethesda aus dem Blut eines HIV-Patienten mit natürlicher Immunität herausgefischt. Wie die Forscher in Science (8. Juli 2010, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, blockieren diese Antikörper eine wichtige Stelle des Moleküls gp120 auf der Oberfläche von HIV, die sogenannte CD4-Bindungsstelle. Diese Bindungsstelle tritt mit dem „Pforten-Molekül“ CD4 auf menschlichen Zellen in Kontakt. Sie ist der Schlüssel, mit dem das Virus sich Zugang zu den Zellen verschafft. In Laborversuchen erwiesen sich die beiden Moleküle als sehr effektive Infektions-Blockierer: Sie stoppten 90 Prozent aller bekannten HI-Viren-Stämme bei ihrem Versuch, in Wirtszellen einzudringen.

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Neuer Ansatz für einen HIV-Impfstoff

Zukünftig könnten die neu entdeckten Antikörper im Kampf gegen die HIV-Pandemie eingesetzt werden, wie die Wissenschaftler um Tongqing Zhou in einer weiteren Studie in Science (8. Juli 2010, Online-Vorabveröffentlichung) berichten. Das Team untersuchte die molekulare Struktur des Antikörpers VRC01 und konnte klären, auf welche Weise das Protein die Virusaktivität blockiert. Nun sind die Forscher dabei, einen Impfstoff-Kandidaten herzustellen. Sie hoffen, dass dieser dem Immunsystem aller Menschen beibringen kann, selbst Antikörper wie VRC01 und VRC02 herzustellen.

Zwar ist die Entwicklung noch weit von einem klinischen Einsatz entfernt. Trotzdem geben sich die US-Forscher optimistisch. Anthony Fauci, Direktor des NIAID, sagte: „Die Entdeckung der beiden HIV-neutralisierenden Antikörper und ihre Analyse werden die Suche nach einer breit einsetzbaren Vakzine beschleunigen.“

Auch deutsche Forscher optimistisch

Auch deutsche Forscher bewerten die Ergebnisse vorsichtig optimistisch. Die Entdeckung der neuen Antikörper sei "sehr vielversprechend", sagte Georg Behrens von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) der Nachrichtenagentur AFP. Allerdings stammten die fraglichen Antikörper von einem bestimmten Menschen. Deshalb sei die "große Frage", ob sie auch an anderen HIV-Infizierten wirksam seien. Trotzdem sei der Weg hin zu einem Impfstoff nun "interessanter und sicherer" geworden. "Das ist ein neuer Stein im Puzzle", betonte auch Jan van Lunzen, Leiter des Bereichs Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Erstmals seien an Aidsviren "hochkonservierte Regionen" gefunden wurden, die sich Antikörpern nicht durch Mutation entziehen könnten. Auch Lunzen warnt aber vor überzogenen Erwartungen. Die Arbeit der Forscher werde die Grundlagenforschung voranbringen, doch bis zur Entwicklung eines Impfstoffes sei der Weg noch weit.

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