2000 Gene lassen Fruchtfliegen Muskeln wachsen

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Die verschiedenen Muskeltypen der Fruchtfliege sind hier farblich gekennzeichnet. Quelle: Frank Schnorrer

24.03.2010  - 

Der menschliche Körper funktioniert durch ein genau reguliertes Zusammenspiel verschiedenster Zelltypen wie Blut-, Nerven- und Muskelzellen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried bei München haben jetzt gemeinsam mit Kollegen vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien alle Gene der Fruchtfliege Drosophila identifiziert, die eine Rolle bei der Entwicklung und Funktion von Muskeln spielen. Rund 2000 Gene sind bei der einfachen Fruchtfliege beteiligt, berichten die Forscher im Fachblatt Nature (Bd. 464, S. 287-291), damit sich die verschiedenen Typen von Muskelzellen entwickeln und diese dann einwandfrei arbeiten.


 

Der menschliche Körper besteht aus zehn bis hundert Billionen Zellen - das sind 10.000.000.000.000 bis 100.000.000.000.000 Zellen. Nicht alle dieser Zellen sind gleich. Im menschlichen Körper gibt es 200 verschiedene Zell- und Gewebetypen. Während seiner Entwicklung durchläuft jeder dieser Zelltypen ein bestimmtes genetisches Programm, an dessen Ende rote Blutkörperchen Sauerstoff transportieren, Neuronen elektrische Signale weitergeben und Muskeln mechanische Kräfte erzeugen können.

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Mit dem Phänomen der präzisen Entwicklung einzelner Zellen und ganzer Organismen beschäftigt sich ein eigener Zweig der Biologie, die Entwicklungsbiologie. Schon bei relativ einfachen Organismen wie der Fruchtfliege Drosophila melanogaster laufen komplizierte Prozesse ab, bis aus einer Zelle ein flugfähiges Insekt wird. Schon ganz am Anfang entstehen drei Zellschichten, die sogenannten Keimblätter. Aus ihnen entstehen im weiteren Verlauf die Organe. Das außen liegende Ektoderm bildet die Haut und das Nervensystem aus. Außerdem sind die vorderen und hinteren Teile des Verdauungstraktes, der Vorderdarm und der Hinterdarm, ektodermaler Herkunft. Das Endoderm ist für den Mitteldarm zuständig. Das Mesoderm, die mittlere Schicht, ist verantwortlich für Herz, Blut, und die Muskeln.

25.000 Flugtests und 2000 Gene

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried der Forschungsgruppe Muskeldynamik um Frank Schnorrer haben zusammen mit Kollegen um Barry Dickson vom Institut für Molekulare Pathologie jetzt erstmalig alle 12.000 Gene der Fruchtfliege systematisch darauf untersucht, welche Rolle sie bei der Entwicklung und bei der Arbeitsweise von Muskeln spielen. Dickson gilt nicht nur in Österreich als Koryphäe (mehr...), sondern weltweit als Experte für Fruchtfliegen. Das IMP unterhält zudem einen einzigartigen Versand für genetisch unterschiedliche Fruchtfliegen-Mutanten. Online kann jeder Forscher im Katalog blättern und sich Tiere aussuchen, die ihn interessieren. Die Exemplare werden dann umgehend per Post zugeschickt. Weltweit.

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Ähnlich wie der Mensch besitzt die Fruchtfliege verschiedene Typen von Muskeln. Muskeln, die zum Beispiel Fliegenlarven langsam kriechen oder die Flügel der erwachsenen Fliege blitzschnell schlagen lassen. Nach mehr als 25.000 Flugtests konnten die Wissenschaftler rund 2.000 Gene identifizieren, die eine Funktion in den Muskeln der Fliegen haben. "Ein Teil dieser Gene wird in allen Muskeln gebraucht", erklärt Frank Schnorrer, "ein anderer Teil nur in den sehr schnellen, sehr kraftvollen Flugmuskeln." Dabei gehören die Flugmuskeln der Insekten zu den stärksten Muskeln im Tierreich überhaupt. "Sie können bis zu 100 Watt pro Kilogramm Muskelmasse erzeugen und das über einen langen Zeitraum", so der Biochemiker, "davon können Bodybuilder oder Tour-de-France-Fahrer nur träumen." Diese schaffen dauerhaft etwa 30 Watt pro Kilogramm Muskelmasse.

Viele der gefundenen Gene sind auch im Menschen vorhanden und werden dort wahrscheinlich ebenfalls für eine normale Muskelfunktion benötigt, vermuten die Forscher. Eine Veränderung dieser Gene führt häufig zu Muskelerkrankungen. So ist beispielsweise bekannt, dass Mutationen in den Laminin-Genen für eine bestimmte Form von degenerativen Muskelerkrankungen, die Muskeldystrophie, verantwortlich sind. "Das Wissen über solche Zusammenhänge könnte in Zukunft helfen, Muskelerkrankungen früher zu erkennen und individuell zu behandeln", hofft Frank Schnorrer.

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