Erbgut von Tutanchamun gibt Geheimnis preis

Die goldene Totenmaske des Tutanchamun im Ägyptischen Museum in Kairo gibt keine Hinweise darauf, dass der Pharao wohl schwer an Malaria erkrankt war. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die goldene Totenmaske des Tutanchamun im Ägyptischen Museum in Kairo gibt keine Hinweise darauf, dass der Pharao wohl schwer an Malaria erkrankt war. Quelle: MykReeve/Wikipedia.de

18.02.2010  - 

Seit der britische Archäologe Howard Carter im Jahr 1922 den Fuß in die unberührte Grabkammer setzte, ist Tutanchamun mit der goldenen Totenmaske zum Superstar unter den ägyptischen Pharaonen avanciert. Doch bisher stritten sich die Forscher, von wem er abstammte. Der Tübinger Genetik-Experte Carsten Pusch hat mit internationalen Kollegen nun im Fachmagazin Journal of the American Medical Association (2010, Bd. 303, Ausg. 7, S. 638-647) das Rätsel gelöst. Eine umfassende Untersuchung von 16 Mumien aus dem Tal der Könige ergab nicht nur, dass Tutanchamun der Sohn des Echnaton war, sondern auch, was ihn mit 19 Jahren dahingerafft hat: Eine Kombination von Malaria und einer Knochenkrankheit scheint zuviel gewesen zu sein für den mächtigsten Mann am Nil.



 

Tutanchamun war einer der letzten Könige der 18. Dynastie des Neuen Reichs. Mit neun Jahren bestieg er 1332 vor Christus den Thron, nur um zehn Jahre später schon wieder zu sterben. Die Entdeckung seiner nahezu vollständig erhaltenen Grabkammer im ägyptischen Tal der Könige war im Jahr 1922 eine Sensation und lieferte den Archäologen viele Informationen über das Leben im antiken Ägypten. Doch gab die Mumie den Forschern auch neue Rätsel auf: Von wem stammte der Herrscher ab? Und an was ist er noch in so jungen Jahren gestorben?

Ist Nofretete die Mutter von Tutanchamun? Das sollen weitere genetische Untersuchungen klären.Lightbox-Link
Ist Nofretete die Mutter von Tutanchamun? Das sollen weitere genetische Untersuchungen klären.Quelle: Xenon77/Wikipedia.de

Die Biotechnologie hat nun Antworten geliefert. In einem bisher beispiellosen Projekt, das vom amerikanischen TV-Sender Discovery Channel finanziert wurde, analysierte ein internationales Forscherteam mit genetischen, forensischen und radiologischen Methoden Tutanchamun und fünfzehn weitere Mumien aus der Zeit des Neuen Reichs, das von 1550–1070 v. Chr. andauerte. Unter der Schirmherrschaft von Zahi Hawass, dem schillernden Direktor des "Supreme Council of Antiquities" in Kairo, hatte ein zehnköpfiges Team mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Südtirol und Ägypten damit begonnen, von elf Mumien aus der Verwandtschaft Tutanchamuns und von fünf weiteren Mumien Gewebeproben aus dem Knocheninnern zu entnehmen.

Die genetischen Untersuchungen wurden von Carsten Pusch und Albert Zink geleitet. Pusch ist Dozent am Institut für Anthropologie und Humangenetik der Universität Tübingen, Zink leitet an der Europäischen Akademie Bozen in Südtirol das weltweit erste Institut für Mumienforschung. Im Bozener Archäologiemuseum wird "Ötzi" aufbewahrt, Europas berühmteste Mumie. Die gefrorene Leiche eines im 4. Jahrtausend vor Christus gestorbenen Mannes wurde 1991 von Wanderern am Hauslabjoch gefunden. In zweijähriger Arbeit haben die Mumienforscher die DNA extrahiert und genetische Fingerabdrücke für alle 16 Mumien erstellt. "Wir haben unsere Analysen mehrfach wiederholt und in einem zweiten Labor unabhängig repliziert", so Pusch. Damit sollen mögliche Vermischungen mit moderner DNA ausgeschlossen werden. So haben die Wissenschaftler auch die DNA-Profile aller an den Untersuchungen beteiligten Mitarbeitern erhoben und regelmäßig mit den Pharaonen-Daten verglichen. Überrascht waren die Forscher von dem vergleichsweise guten Erhalt der alten DNA, der offensichtlich durch die speziellen Einbalsamierungstechniken für die Königsmumien gefördert wurde.

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Die Untersuchung des Erbguts bestätigte nun eine alte Theorie: Vater von Tutanchamun ist der berühmte Pharao Echnaton, das Grab seines mumifizierten Körpers wird im Tal der Könige mit der Nummer KV (King Valley) 55 geführt. Seine Mutter ist die so genannte "Younger Lady", die Mumie aus Grab KV35, die zusammen mit einer weiteren - älteren - weiblichen Mumie gefunden wurde. Ob es sich bei der "Younger Lady" um Nofretete handelt, analysieren die Mumienforscher derzeit noch. Die weltberühmte Büste der Nofretete befindet sich im Neuen Museum in Berlin. Durch die genetischen Fingerabdrücke konnte ein Stammbaum der Familie Tutanchamuns über fünf Generationen hinweg erstellt werden.

Institut für Mumienforschung Bozen

An der Europäischen Akademie Bozen ist 2007 das Institut für Mumien und den Iceman gegründet worden. Neben Forschungen zum "Ötzi" werden hier auch Erkenntnisse über weitere Mumien zusammengetragen.

Zur Websseite des Instituts: hier klicken

Auch über den Grund für Tutanchamuns frühes Dahinscheiden haben Wissenschaftler lange und leidenschaftlich gerätsel. Im Gespräch war unter anderem ein Reitunfall, eine Blutvergiftung, eine Fettembolie oder gar eine Palastintrige, komplett mit Vergiftung. Am wahrscheinlichsten ist eine Kombination aus Malaria und einer Knochenkrankheit, wie die Untersuchungen ergeben haben.

"Tutanchamun hat an der schwersten Form von Malaria, der Malaria tropica, gelitten", erklärt Carsten Pusch. Im Erbmaterial der Mumie fanden die Wissenschaftler spuren des Malaria-Parasiten Plasmodium falciparum. Eine radiologische Untersuchung erbrachte außerdem Hinweise auf eine Knochennekrose am linken Fuß, die zur mangelnden Blutversorgung des Knochens und zum Knochenabbau führte. "Diese Erkrankung allein hat mit Sicherheit nicht zum Tod geführt, aber sie hat ihn in seiner Mobilität stark eingeschränkt", erklärt Albert Zink. "Es erklärt wohl auch, warum man in seinem Grab zahlreiche Gehstöcke gefunden hat." Auf die Malaria-These weisen zudem verschiedene Pflanzenreste hin, die im Grab gefunden wurden. Sie sind teilweise noch heute für ihre fiebersenkende und schmerzlindernde Wirkung bekannt. 

Zink und Pusch wollen die königliche Familie nun weiter genetisch erkunden. "Nofretete steht noch aus", sagt Pusch. "Wir haben gerade erst ein neues Universum betreten!" Eine Fülle an Erkenntnissen haben die Untersuchungen bereits jetzt schon erbracht, gibt der Wissenschaftler zu. "Aber wie so oft haben zehn Antworten einhundert neue Fragen aufgeworfen."

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