Deutsche Wissenschaftler bei internationalem Megaprojekt der Krebsforschung dabei

Des Pudels Kern: Die genetischen Veränderungen bei mehr als 50 Krebsarten will das ICGC systematisch untersuchen. Hier die tiefgefrorene und angeschnittene Zelle eines Plattenepithelkarzinoms. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Des Pudels Kern: Die genetischen Veränderungen bei mehr als 50 Krebsarten will das ICGC systematisch untersuchen. Hier die tiefgefrorene und angeschnittene Zelle eines Plattenepithelkarzinoms.

10.12.2009  - 

Es ist die größte und ehrgeizigste biomedizinische Forschungsanstrengung seit dem Humanen Genomprojekt: Im "International Cancer Genome Consortium" (ICGC) tragen Hunderte von Experten ihr Wissen über die genetischen Veränderungen in Tumoren in allen menschlichen Organsystemen zusammen. Anfang Januar gehen die deutschen Teilnehmer an den Start. Koordiniert vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg untersuchen die Wissenschaftler die molekulargenetischen Ursachen von Hirntumoren bei Kindern. Die Forscher erwarten von den Ergebnissen neue Ansatzpunkte für zielgerichtete, nebenwirkungsarme Therapien. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche Krebshilfe fördern die deutsche ICGC-Beteiligung über fünf Jahre mit 15 Millionen Euro.


Krebserkrankungen sind nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Jedes Jahr erkranken mehr als 400.000 Menschen hierzulande neu an Krebs und fast die Hälfte stirbt daran. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation wird sich die Zahl der Todesfälle weltweit durch Krebs bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln. Bereits im Jahr 2010 werden Krebserkrankungen die häufigste Todesursache sein. Jede Krebserkrankung ist auf genetische Veränderungen zurückzuführen, die eine normale Körperzelle zur Krebszelle werden lassen. Je nach Tumorart variieren diese Veränderungen allerdings stark. Mediziner unterscheiden mehr als hundert verschiedene Krebserkrankungen. Jede einzelne von ihnen ist auf ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückzuführen. Anzahl und Qualität der ursächlichen Genveränderungen, die einer Krebserkrankung zugrunde liegen, variieren je nach Tumorart stark und sind nach wie vor zu großen Teilen unbekannt.

International Cancer Genome Consortium

Das IGCG wurde im Jahr 2008 eingerichtet, um den genetischen Veränderungen bei Krebserkrankungen systematisch auf den Grund zu gehen. Ziel ist es, Genomkataloge von 50 der häufigsten Krebsarten zu erstellen und diese der Forschung zur Verfügung zu stellen.

www.icgc.org

Deutsche Wissenschaftler erforschen Gehirntumore bei Kindern

Bisher gibt es viele Einzeluntersuchungen, doch nur eine flächendeckende genomische Analyse könnte einen systematischen Einblick in die Entstehung von Krebs geben. Mittlerweile sind die technologischen Möglichkeiten besonders im Bereich der Hochdurchsatz-Sequenzananalyse so weit fortgeschritten, dass die Forscher tatsächlich daran denken können, das gigantische Puzzle zusammenzusetzen. Dazu müssen alle Mutationen, die sich im Laufe eines individuellen Lebens angehäuft haben, für verschiedene Krebserkrankungen katalogisiert und miteinander verglichen werden. Doch trotz Hightech bleibt die Aufgabe gewaltig. Nur mit einer weltweiten Bündelung von Ressourcen, Expertisen und Kapazitäten kann sie angegangen werden.

Deshalb ist im Jahr 2008 das "International Cancer Genome Consortium" ins Leben gerufen worden. Darin sind Hunderte von Wissenschaftlern aus Dutzenden von Forschungsinstituten aus der ganzen Welt zusammengeschlossen, die sich in kleineren Teams einzelne Krebsarten vornehmen. Auch Deutschland ist mit von der Partie. Angeführt vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg beschäftigen sich die deutschen Spezialisten ab Januar 2010 mit einer besonders schrecklichen Krebsvariante, den Gehirntumoren bei Kindern. Über fünf Jahre werten die Forscher das genetische Profil von Patienten aus und suchen nach Mustern. Das BMBF und die Deutsche Krebshilfe unterstützen das Projekt mit insgesamt 15 Millionen Euro.

Am BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg entsteht für das ICGC eine der weltweit größten Datenspeichereinheiten für die Lebenswissenschaften.Lightbox-Link
Am BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg entsteht für das ICGC eine der weltweit größten Datenspeichereinheiten für die Lebenswissenschaften.Quelle: AS-Bau

Genome von 300 jungen Patienten werden ausgewertet

Hirntumoren sind Hauptursache der Krebssterblichkeit im Kindesalter. Selbst wenn eine Heilung erreicht werden kann, leiden die Kinder oft sehr unter der belastenden Behandlung, die das heranwachsende Gehirn in seiner Entwicklung beeinträchtigen kann. Zielgerichtete, schonende Therapieverfahren sind daher dringend erforderlich. Die wichtigsten Hirntumore bei Kindern sind das Medulloblastom, an dem in Deutschland etwa hundert kleine Patienten jährlich erkranken, sowie das pilozytische Astrozytom, das jedes Jahr bei etwa 200 Kindern diagnostiziert wird.

"Ziel ist es, die Erbinformation der so genannten Medulloblastome und Astrozytome vollständig zu entschlüsseln", sagt Peter Lichter vom DKFZ und Sprecher des Verbunds. Bei jeweils 300 Patienten der beiden Erkrankungen werden die Erbanlagen der Tumoren mit gesunden Zellen derselben Person verglichen, um so die tumorspezifischen Genveränderungen (Mutationen) zu identifizieren. Zudem sind die Experten auf der Suche nach so genannten Tumormarkern, an denen die Erkrankung frühzeitig erkannt werden kann und die eine Prognose über den Krankheitsverlauf sowie über das Ansprechen auf bestimmte Therapieformen ermöglichen. Gleichzeitig sollen molekulare Strukturen gefunden werden, die sich als Angriffspunkte für neue Therapien eignen.

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Datenbanken mit mehreren Petabytes Speicherkapazität

Eine besondere Herausforderung stellt die Analyse und Speicherung der unvorstellbaren Datenmengen dar, die im Laufe des internationalen Krebsgenomprojektes erzeugt werden. Das menschliche Erbgut ist aus rund drei Milliarden Bausteinen zusammengesetzt, die bei den verschiedenartigen Analysen bis zu 30-fach erfasst werden, um die Qualität der Ergebnisse abzusichern. Alle Daten der deutschen ICGC-Projekte laufen bei Professor Roland Eils, dem stellvertretenden Sprecher des Verbunds, zusammen. Eils, der am Deutschen Krebsforschungszentrum die Abteilung Theoretische Bioinformatik leitet (mehr...), baut dazu am BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg eine der weltweit größten Datenspeichereinheiten für die Lebenswissenschaften auf. Die Mittel dafür - einige Millionen Euro - stellen der Bund und das Land Baden-Württemberg zur Verfügung. Die Kapazität der Anlage wird mehrere Petabytes betragen - ein Petabyte entspricht einer Million Gigabytes. Peter Lichter ist überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt: "Unsere eigenen Vorarbeiten und die hervorragende Vernetzung von Klinik und Forschung hier in Heidelberg lassen gerade bei Hirntumoren von Kindern rasch Ergebnisse erwarten, die die Behandlung der kleinen Patienten grundlegend verbessern können."

Das Verbundprojekt ist am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, am European Molecular Biology Laboratory (EMBL), an den Universitäten Heidelberg und Düsseldorf sowie am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin angesiedelt. Außerdem übernehmen Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Düsseldorf und vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin Aufgaben im Verbundprojekt. "Da die Wissenschaftler und Ärzte auch in laufende klinische Studien eingebunden sind, werden die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten im Rahmen des ICGC den Krebs-Patienten unmittelbar zu Gute kommen", vermutet der Geschäftsführer der Deutschen Krebshilfe Gerd Nettekoven.

Auch der deutsche Forschungsstandort insgesamt soll von dem Großvorhaben profitieren. "Über die gemeinsame Initiative wird deutschen Forscherinnen und Forschern erstmals der Eintritt in dieses internationale Forschungsprojekt der modernen medizinischen Genomforschung ermöglicht", sagt Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Mit der Finanzierung des Projekts ergänzt das BMBF seine im Rahmen des Programms der medizinischen Genomforschung (Nationales Genomforschungsnetz, NGFN) laufenden Aktivitäten und baut diese hinsichtlich der internationalen Vernetzung aus.

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