Arteriosklerose an- und ausschalten

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme eines Gewebschnitts durch die Arterie einer microRNA 143/145-Knockout-Maus. Das Gefäß ist krankhaft erweitert und mit Abwehrzellen des Immunsystems (rot) gefüllt. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme eines Gewebschnitts durch die Arterie einer microRNA 143/145-Knockout-Maus. Das Gefäß ist krankhaft erweitert und mit Abwehrzellen des Immunsystems (rot) gefüllt. Quelle: MPI für Herz- und Lungenforschung

01.09.2009  - 

MicroRNAs sind winzige Schnipsel aus Erbgut, die maßgeblich die Herstellung von Eiweißen steuern können. Forschern vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim ist es nun erstmals gelungen, die Schlüsselfunktion zweier dieser microRNAs bei Arteriosklerose aufzuklären. Wie sie im Journal of Clinical Investigation (Online-Veröffentlichung, 17. August 2009) berichten, züchteten die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Freiburg sogenannte Knock-out-Mäuse, die keine der entscheidenden microRNAs mehr produzieren konnten. Die Folgen waren schlaffe Adern und Gefäßablagerungen. An diesem Tiermodell erproben die Forscher nun Therapien.


 

Eiweiße sind die wichtigsten Baustoffe aller Lebewesen: Aus ihnen bestehen der Körper, die Organe, alle Gewebe und Zellen sowie die molekularen Maschinen in diesen Zellen. Die Baupläne für die Eiweiße sind wiederum auf den Genen abgespeichert. Wann diese Baupläne dann auch tatsächlich abgelesen und zur Produktion von Eiweißen genutzt werden, unterliegt einem komplizierten Regulationsprozess. Dieser ist auch notwendig, denn nur so ist sichergestellt, dass die Zellen eines Organismus – die alle die gleichen Gene besitzen – auch unterschiedliche Aufgaben übernehmen können.

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme eines Gewebschnitts durch eine gesunde Arterie. Die kontraktilen Zellen sorgen für eine kompakte und freie Ader. Lightbox-Link
Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme eines Gewebschnitts durch eine gesunde Arterie. Die kontraktilen Zellen sorgen für eine kompakte und freie Ader. Quelle: MPI für Herz- und Lungenforschung

Fehlen zwei microRNAs, verkalken die Arterien

Erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass winzige Erbgutschnipsel – die microRNAs - eine große Rolle dabei spielen, welche und wie viele Eiweiße in der Zelle produziert werden. Sie wirken mit den Boten RNAs zusammen, die dafür zuständig sind, die Eiweiß-Baupläne von der DNA im Zellkern zu den Eiweiß-Fabriken in der Zelle zu transportieren. Auf diesem Weg können die Boten-RNAs jedoch abgefangen werden, und zwar von den microRNAs, die wie ein Schlüssel zum Schloss immer genau auf eine bestimmte Sequenz bestimmter Boten-RNAs passen. Lagert sich eine microRNA an, dann wird die Boten-RNA und damit der Auftrag  zum Eiweißbau deaktiviert. MicroRNAs steuern damit die Expression von Genen. Je mehr microRNAs vorhanden sind, desto weniger oft wird der Bauplan eines Gens in ein Eiweiß umgesetzt. Es gibt Tausende verschiedener microRNAs, die biologischen Funktionen der allermeisten sind noch unbekannt. Das noch junge Forschungsfeld boomt. Einige Experten schätzen, dass  die Expression von bis zu einem Drittel der Gene durch microRNAs reguliert werden könnte.

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Zusammen mit Kollegen aus Freiburg haben nun Forscher des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim zwei microRNAs identifiziert, die an der Bildung von Arteriosklerose beteiligt sind. Die Arbeitsgruppe um Thomas Braun konnte die zwei microRNAs 143 und 145 mit der Entstehung gewisser Gefäßmuskelzellen in Verbindung bringen. Eine Verkalkung der Blutgefäße ist eine in westlichen Gesellschaften weit verbreitete Grunderkrankung, die zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen kann. Neben der Einlagerung von Fetten, wozu auch Cholesterin gehört, kommt es in der Gefäßwand dabei auch zu Änderungen in der sogenannten glatten Gefäßmuskulatur.

Bei Knock-out Mäusen sind die Adern schlaff

Dort gibt es zwei unterschiedliche Arten von Zellen, die kontraktilen Gefäßmuskelzellen und ihre schwächeren Verwandten, die synthetischen Gefäßmuskelzellen. Um dem Gefäß die richtige Spannung zu geben, darf der Anteil der kontraktilen Zellen nicht zu niedrig sein. Genau das geschieht bei Arteriosklerose. Die Folge: Die Gefäßwand wird schlaff und weitet sich aus. Gleichzeitig steigt die Zahl der synthetischen Zellen. Sie können sich nicht mehr zusammenziehen und setzen darüberhinaus auch noch Entzündungsstoffe frei. Die synthetischen Zellen wandern mit der Zeit in die innere Schicht der Gefäßwand. Die Folgen sind arteriosklerotische Plaques und die Entstehung von Gefäßverschlüssen.

Die beiden microRNAs finden sich in den glatten Gefäßmuskelzellen, zum Beispiel an verschiedenen Stellen im Herz.Lightbox-Link
Die beiden microRNAs finden sich in den glatten Gefäßmuskelzellen, zum Beispiel an verschiedenen Stellen im Herz.Quelle: MPI für Herz- und Lungenforschung

Die Gruppe um Braun konnte nun mithilfe der RNA-Interferenz Mäuse züchten, die kein miR-143/145 bilden können. "Gegenüber normalen Mäusen war bei diesen so genannten miR-143/145-Knockout-Mäusen der Anteil der synthetischen Muskelzellen stark erhöht. Dadurch sinkt die Spannung der Blutgefäße so sehr, dass diese Mäuse sogar einen verminderten Blutdruck haben", sagt Braun. Um herauszufinden, welches Eiweiß die beiden microRNAs beeinflussen, untersuchten die Max-Planck-Forscher mit Hilfe einer eigens hierfür entwickelten Methode eine große Zahl an Zellproteinen. Das als quantitative Massenspektrometrie bezeichnete Verfahren ermöglichte es, rund 1600 verschiedene Eiweiße bei normalen und den microRNA-143/145-Knockout-Tieren auf einmal zu vergleichen. Schließlich kristallisierte sich mit dem Angiotensin-Converting-Enzym (ACE) ein Kandidat heraus, der den Forschern nicht unbekannt war. Aus ACE entsteht nämlich ein weiteres Enzym, das in vielfältiger Weise auf glatte Gefäßmuskelzellen wirkt. ACE könnte somit ein Ansatz für eine neuartige Therapie sein.

Arteriosklerose bereits in einer frühen Phase unterbinden

Die Tiermodelle ermöglichen es den Forschern aber auch, die molekularen Voraussetzungen der Arteriosklerose so genau wie noch nie zu ergründen. "Mit den miR143/145 Knockout-Mäusen steht uns jetzt ein Modell zur Verfügung, mit dem wir die Entstehung der Arteriosklerose unabhängig von anderen Einflüssen wie dem Fettstoffwechsel untersuchen können", sagt Braun. Dadurch könne man künftig Signalwege, die durch die beiden miRNAs reguliert würden, genau analysieren. Neben dem ACE sollen nun weitere Proteine identifiziert werden, die für eine Therapie bei Arteriosklerose-Patienten in Frage kommen. "Wenn wir dadurch den normalen Phänotyp der glatten Muskelzellen erhalten können, könnte die Arteriosklerose zukünftig bereits in einer frühen Phase unterbunden werden", so Braun.

Die Ergebnisse helfen auch dabei, die Wirkungsweise der ACE-Hemmer beziehungsweise AT-Blocker zu verstehen, die bereits in großem Ausmaß zur Behandlung des Bluthochdruckes eingesetzt werden. In den microRNA 143/145 Knockout-Mäusen führte die Behandlung mit derartigen Substanzen zu einer teilweisen Normalisierung des krankhaften Geschehens. Laut Braun eröffnet die Blockade des Angiotensin-Signalweges damit eine interessante Option zur Blockade der krankhaften Umbauvorgänge der Arteriosklerose.

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