Uwe Bornscheuer: Chemikalien umweltschonend herstellen

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Das Steckenpferd von Uwe Bornscheuer von der Universität Greifswald heißt weiße Biotechnologie. Quelle: Bornscheuer

13.07.2009  - 

Bei Uwe Bornscheuer dreht sich alles um die Weiße Biotechnologie. Für industrielle Anwendungen entwickelt der Greifswalder Professor Enzyme in allen Varianten. Seine Motivation ist dabei klar definiert: „Frei von Erdöl, umweltschonend und energiesparend“ müssen die Verfahren sein, um den Ansprüchen des Wissenschaftlers zu genügen. Inzwischen treibt der studierte Chemiker gezielt Biotech-Ausgründungen aus seinem Arbeitskreis heran.

Die erste Berührung mit seinem Steckenpferd, der weißen Biotechnologie, machte Bornscheuer während seiner Habilitation bei Professor Rolf D. Schmidt an der Universität in Stuttgart, selbst ein Experte auf diesem Gebiet (mehr...). „Hier habe ich erstmals interdisziplinär gearbeitet und die Chemie mit der Mikro- und Molekularbiologie verknüpft,“ erinnert sich der 45jährige. 1999 führte ihn schließlich ein Ruf vom Schwabenland nach Mecklenburg-Vorpommern. „Als ich in Greifswald ankam, war alles zunächst sehr schwierig ,“ so der Forscher. „Zu DDR-Zeiten wurde an dem Gebäude sehr wenig gemacht - und mit dem vorhandenen Instrumentarium konnte ich auch nicht viel anfangen.“ Doch recht schnell hat sich das Blatt zum Positiven gewendet – heute schwärmt Bornscheuer in höchsten Tönen von der Ernst-Moritz Arndt Universität. Er arbeitet in einem schicken Neubau, genießt den hohen Freizeitwert der Region und lobt die hoch motivierten Studenten.

Hintergrund
Sie wollen sich intensiver über die Arbeiten von Uwe Bornscheuer informieren? Dann schauen Sie auf die Webseite seiner Arbeitsgruppe vorbei.

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Protein Engineering de luxe
Trotz anderer Jobangebote von anderen Universitäten ist Bornscheuer dem Institut für Biochemie, Abteilung Biotechnologie und Enzymkatalyse, bis dato treu geblieben. Mit seinem 40köpfigen Forschungsteam arbeitet er daran, hochreine Ausgangsstoffe für die industrielle Nutzung herzustellen. Die Wissenschaftler bedienen sich dabei im molekularen DNA-Baukasten und designen Enzyme mit neuen Eigenschaften. Mithilfe von Hochdurchsatz-Screening wird die enzymatische Spreu vom Weizen getrennt und somit die besten Enzyme aus einem riesigen Pool isoliert. Esterasen, Lipasen, Oxygenasen heißen die optimierten Helfer - sie produzieren chemisch reine Substanzen, die dann von der chemischen Industrie weiterverarbeitet werden können.
„Seit dem Contergan-Skandal weiß man, wie wichtig hochreine Ausgangssubstanzen für die Herstellung von Medikamenten sind, so der Professor mit Blick auf chirale Wirkstoffe. Als Chiralität bezeichnen Chemiker die Eigenschaft von Molekülen, in zwei Formen vorzukommen, die sich wie Bild und Spiegelbild zueinandern verhalten und auch als Enantiomere bezeichnet werden. Obwohl sie sich nur in ihrer räumlichen Struktur unterscheiden, können sie ganz unterschiedliche Eigenschaften haben – was insbesondere in der pharmazeutischen Industrie dramatische Folgen haben kann, wenn die „falsche“ Form zum Einsatz kommt.

Weiße Biotechnologie
Ob im Waschmittel oder in der Hautcreme – in einer Vielzahl von industriellen Produkten steckt Biotechnologie. In diesem Zusammenhange sprechen Experten von weißer oder industrieller Biotechnologie. Der Griff in die Werkzeugkiste der Natur hilft der Industrie, ressourcenschonender und umweltfreundlicher zu arbeiten.

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Dabei wird oft auf das Beispiel Thalidomid verwiesen, das unter dem Handelsnamen Contergan verkauft wurde. Dieses enthielt ein Gemisch von unterschiedlichen Enantiomeren. Während die eine Form die gewünschte Wirkung als Schlafmittel aufwies, zeigte die andere eine fruchtschädigende Wirkung, die allein in Deutschland zu rund 10.000 missgebildeten Kindern geführt hat. „Dank Enzymen können wir selektiv eine passende Form herstellen. Mit chemischen Methoden geht das schwer oder nur mit einer hohen Umweltbelastung“, erläutert der Institutsdirektor, der  in den Jahren 2003/2004 selbst industrielle Erfahrung beim US-amerikanischen Biotech-Unternehmen Diversa Corp. (heute: Verenium Corp.) sammeln konnte.
Die Greifswalder Enzyme werden aber auch in der Nahrungsmittelindustrie angewandt. „Durch die veränderten Enzyme können wir gesunde Fette herstellen, die sonst nur in der Muttermilch vorkommt. Bislang war dieses wichtige Fett in Milchpulver für Babys nicht enthalten“, erklärt Bornscheuer.

Als Technologie-Koordinator im Bereich Screening und Enzymoptimierung ist der Forscher zudem ins Cluster "Biokatalyse 2021" involviert (mehr...), das seit 2007 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Wettbewerbs BioIndustrie 2021 mit 20 Millionen Euro unterstützt wird. Im Herbst 2008 wurde Bornscheuer zudem mit dem Biocat-Award in der Kategorie "Wissenschaftliche Forschung" ausgezeichnet, der seit 2004 an herausragende Persönlichkeiten in der Biokatalyse-Forschung vergeben wird. 

 

Außerhalb des Labors begeistert sich Bornscheuer für Motorräder und ist regelmäßg als Easy Rider unterwegs.Lightbox-Link
Außerhalb des Labors begeistert sich Bornscheuer für Motorräder und ist regelmäßg als Easy Rider unterwegs.Quelle: Bornscheuer

Von der Forschung zur Firmengründung

Weil das Interesse der chemischen Industrie an Bornscheuers Enzymen groß ist, treibt der Forscher inzwischen aber auch Firmengründungen aus seinem Forschungsumfeld voran. „Mit einer Idee haben wir bereits die Expertenjury des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) überzeugt“, freut sich Bornscheuer. Dank dieser Gründerförderung im Rahmen der BMWi-Initiative EXIST-Forschungstransfer wollen drei Forscher aus seinem Arbeitskreis (Marlen Schmidt, Rainer Wardenga und Christian Zimmer) die Ausgründung unter dem Projekttitel „Baltic BiocatS“ noch in diesem Jahr über die Bühne bringen. Die Förderung umfasst die vollständige Finanzierung der drei Wissenschaftlerstellen, Entwicklungskosten sowie die Anschaffung eines Produktionsbioreaktors (Fermenter), mit dessen Hilfe die Ergebnisse vom Labor- in den Produktionsmaßstab überführt werden sollen.

Doch eine Firma ist noch nicht genug: Forscher um Robert Kourist aus seiner Arbeitsgruppe gewannen erst kürzlich den Ideen-Wettbewerb VentureCup des Landes Mecklenburg-Vorpommern und sicherten sich mit ihrem Projekt zur biotechnologischen Herstellung von Protease-Inhibitoren den 1. Platz unter den Finalisten.

Außerhalb der Wissenschaft entspannt sich Bornscheuer am liebsten im Kreis seiner Familie, beim Segeln und als „Easy Rider“. Der passionierte Motorradfahrer gönnt sich einmal im Jahr eine Auszeit mit dem Motorrad und genießt mit einem guten Freund aus Stuttgarter Zeiten die Freiheit auf zwei Rädern.


Autorin: Andrea van Bergen

Broschüre

Pärchen

Sie wollen mehr darüber wissen, wie Mikroorganismen in der Industrie genutzt werden? Einen umfassenden Überblick liefert die Broschüre "Weiße Biotechnologie" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die im Bestellservice kostenlos angefordert und heruntergeladen werden kann. 


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