Biotechnologie gegen Schweinegrippe

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Das Schweinegrippe-Virus hat sich innerhalb weniger Wochen von Mexiko aus über die ganze Welt verbreitet. Quelle: Manuel Schuster / pixelio.de

Die Schweinegrippe hält die Welt in Atem. Seit in Mexiko ein neuer Grippeerreger auftrat, der in seinem Erbgut Elemente von menschlichen, Schweine- und Vogel-Grippeviren aufwies, hat sich die "Schweinegrippe" überraschend schnell über den ganzen Erdball verbreitet. Auch in Deutschland sind schon erste Infektionen aufgetreten. Was das neue Virus ausmacht, wie Deutschland darauf reagiert und wann mit einem Impfstoff zu rechnen ist: in all diesen Fragen steckt Biotechnologie drin.

Das Virus

Schon seit jeher ist das Immunsystem der Lebewesen mit immer neuen Mutationen von Viren konfrontiert. Eine besondere Herausforderung in diesem ewigen Kampf sind allerdings Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen übergehen (Zoonosen). Besonders begabt dafür sind Influenzaviren, die Grippe auslösen. Grippeviren kommen sowohl bei Vögeln und Schweinen als auch beim Menschen vor. Springen Sie über die Artengrenze, nehmen sie oft Erbgut anderer Virusstämme in sich auf. Das macht den Virus für das menschliche Immunsystem erst einmal zu einem Unbekannten.

"Mexikanische Grippe" oder "Neue Grippe"

Nach Angaben der US-Seuchenschutzbehörde "Centers for Disease Control and Prevention" (CDC) sind die zuerst in Mexiko beobachteten Viren des Typs H1N1 ein solcher Fall. Der geläufige Begriff "Schweinegrippe" ist eigentlich nicht ganz korrekt, da das aktuelle Virus vorher noch nie in Schweinen beobachtet wurde, sondern eine neue Mischung aus verschiedenen Grippeviren darstellt. Es enthält nicht nur genetisches Material aus Virenstämmen, die Schweine befallen, sondern auch solches aus Viren, die Menschen und Geflügel anstecken. Wie das Virus entstanden ist, weiß bisher noch niemand.

Die WHO geht mittlerweile davon aus, dass ein menschliches Grippevirus offenbar Elemente artfremder Grippeviren eingebaut hat. Die Mutation könnte allerdings in einem Schwein passiert sein. Die Tiere können sich als "mixed vessels" nämlich auch mit Erregern der menschlichen Grippe und der Geflügelgrippe anstecken.

Ein Grippevirus unter dem Elektronenmikoskop. Deutlich zu sehen ist der einzelne RNA-Strang, auf dem das Ergbgut des Virus liegt. Lightbox-Link
Ein Grippevirus unter dem Elektronenmikoskop. Deutlich zu sehen ist der einzelne RNA-Strang, der das Erbgut des Virus darstellt. Quelle: Cynthia Goldsmith / CDC

Wegen seines menschlichen Grundgerüsts überträgt sich das Virus offenbar auch so problemlos von Mensch zu Mensch, was der Vogelgrippe des Typs H5N1 nicht so einfach gelang. Mittlerweile gibt es mehrere Vorschläge für eine Neubenennung des Virus: "Neue Grippe" oder Mexikanische Grippe" werden immer wieder als korrekte Bezeichnung ins Spiel gebracht. Noch aber ist die "Schweinegrippe" weltweit ein Begriff.

A und B befallen den Menschen

Schon bei der Vogelgrippe tauchten Buchstaben-Zahlen-Kombinationen wie H5N1 auf. Das rührt von dem Ordnungssystem her, mit dem Mediziner der verwirrenden Vielfalt von Grippeviren Herr zu werden versuchen. Die sogenannte "echte" Grippe, die im Fachjargon auch Influenza genannt wird und schwerer verläuft als ein grippaler Infekt oder eine normale Erkältung, kann beim Menschen von den Influenzavirustypen A und B ausgelöst werden (Typ C gibt es auch, dieser ist aber nicht für schwere Infektionen verantwortlich). Während Typ B-Viren nur Menschen befallen, wird Typ A vor allem in Wasservögeln gefunden und besitzt viele Untertypen, von denen einige Formen für den Menschen sehr ansteckend sind. Um die vielen verschiedenen Subtypen voneinander zu unterscheiden, orientieren sich Experten an den Oberflächeneiweißen. So gibt es für das Influenzavirus A 15 Varianten des Hämagglutinins und neun der Neuraminidase. Je nachdem, welche Variante auf der Oberfläche des Erregers zu finden ist, gibt es Bezeichnungen wie H1N1 oder H9N2.

Hämagglutinin Neuraminidase, beide Nr.1

So unterscheidet man zunächst drei Grundtypen von Grippeviren: A, B und C. Vor allem der bei Menschen als auch Tieren vorkommende Typ A ist es aber, der immer wieder Schlagzeilen macht. Denn er verändert sich ständig. Das recht einfach auf einer RNA angeordnete Genom des Virus ist sehr anfällig für spontane Mutationen. Durch die ständige Veränderung sind einmal erworbene Immunitäten oft schon in der nächsten Grippesaison wieder veraltet und schützen nur noch begrenzt vor einer Neuinfektion. Deshalb wird auch der Grippeimpfstoff jedes Jahr neu angepasst.

Grippeviren - Schön aber gefährlich.Lightbox-Link

In unserem Dossier zu Grippeimpfstoffen erfahren Sie alles über die Revoluton hinter den Kulissen in der Impfstoffherstellung - mit biotechnologischen Methoden

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Grippeviren vom Typ A werden gemeinhin nach zwei Molekülen auf ihrer Oberfläche klassifiziert. Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N). Von diesen Molekülen gibt es wiederum Variationen, bisher sind 16 H-Subtypen und 9 N-Subtypen bekannt. Ein Virus kann verschiedene Variationen der Subtypen auf seiner Oberfläche tragen. Bei dem Schweinegrippen-Virus handelt es sich um eine neue Variation der Virusart, die Hämagglutinin Nr. 1 und Neuraminidase Nr. 1 auf ihrer Hülle vorweisen. Dieselbe Kombination trat auch in der gerade zu Ende gegangenen europäischen Grippesaison auf, ebenso wie bei der verheerenden "Spanische Grippe" von 1918, der weltweit Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Extreme Verwandlungsfähigkeit sichert Grippeviren Überleben

Das Erbgut der Viren ist sehr einfach aufgebaut. Das Erbgut befindet sich in Form von acht einzelnen RNA-Strängen mit einer Länge zwischen 890 und 2341 Buchstaben im Zentrum des Virus. Die RNA-Stränge beinhalten den genetischen Code für elf Proteine, von denen acht im Virus selbst und die restlichen drei dann in der befallenen Zelle hergestellt werden. Dieser reduzierte Aufbau bedeutet, dass Veränderungen große Auswirkungen haben können. Daher stammt die extreme Wandlungsfähigkeit der Grippeviren, die Patienten in jeder Saison wieder leidvoll erfahren müssen. Grippeviren verändern ihr Erscheinungsbild so oft, dass der Körper sie nicht wieder erkennt. Diese Veränderungen erfolgen zum einen kontinuierlich, zum anderen sprunghaft und werden von Experten als Drift und Shift bezeichnet.

Genetischer Drift: Kleine Fehler im Kopierapparat

Der genetische Drift der Grippeviren hat folgende Ursache: Das Virus zwingt die Wirtzellen, die es befällt, sein Erbgut 1000fach zu kopieren. Jedoch ist der Kopiervorgang nicht perfekt. Bei jedem 10.000sten bis 100.000sten neu hergestellten Virus schleicht sich ein Fehler ein. Der Grund dafür ist, dass das Enzym, welches die RNA kopiert, nicht so genau arbeitet. So verändert sich das Erbgut der Viren ständig ein wenig, wodurch sich auch die Eiweiße auf den Hüllen der Erreger ändern. Dies wiederum verhindert, dass das Immunsystem schnell und effektiv gegen das Virus kämpfen kann und aus diesem Grund sind immer wieder regional begrenzte Grippewellen (Endemien) möglich, die sich zu einer Epidemie ausweiten können. Da das Virus sich meist aber nicht sehr stark geändert hat, besitzt ein Teil der Bevölkerung zumindest eine partielle Immunität, so dass sich eine solche Grippewelle dann nicht länderübergreifend ausbreitet (Pandemie).

Informationen im Internet

Weitere Informationen und Hinweise zur Schweinegrippe finden Sie auf folgenden Seiten:

Robert-Koch-Institut

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Bundesgesundheitsministerium

Centers for Disease Control and Prevention

Institut für Virologie der Universität Marburg

Genetischer Shift: Austausch ganzer Genomteile

Grippeviren haben jedoch noch eine zweite, viel gefährlichere Strategie: Beim sogenannten Shift tauscht das Virus mit anderen Grippeviren ganze Stücke seines Genoms aus. Dabei kann es dem Erreger sogar gelingen, auf einen anderen Wirt überzuspringen, z.B. vom Vogel zum Menschen. Die Vorraussetzung dafür: Ein Mensch steckt sich gleichzeitig mit Vogelgrippe und menschlicher Grippe an. In einer einzigen Zelle wird dann das Erbgut zweier unterschiedlicher Viren kopiert – beim Zusammenbau der Viren kann es dann zur genetischen Vermischung kommen. Das ist offenbar beim aktuellen Virus der "Schweinegrippe" geschehen.

Oseltamivir und Zanamivir scheinen zu wirken

Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Eine Infektion mit dem Schweinegrippe-Virus lässt sich offenbar mit den vorhandenen Arzneimitteln behandeln. Sie könnten die Zeit zwischen dem Ausbruch und der Entwicklung des Impfstoffes überbrücken und zur Prophylaxe eingesetzt werden, damit sich das Virus nicht weiter ausbreiten kann. Bei früheren Tests waren die sogenannten Neuraminidasehemmer (antivirale Medikamente gegen Influenzaviren) bei unterschiedlichen Influenzavirus-Subtypen wirksam. Wie die CDC meldet, schienen die handelsüblichen Neuraminidasehemmer Oseltamivir (erhältlich als "Tamiflu" von Roche) und Zanamivir (Relenza von GlaxoSmithKline) bei dem Virus gut zu wirken.

Nicht sicher ist bisher, ob der derzeit aktuelle H1N1-Impfstoff, der für die eben zu Ende gegangene Grippsaison entwickelt wurde, gegen das neue Virus schützt. Das Wirkprinzip von Tamiflu oder Relenza beruht darauf, spezielle Eiweißstrukturen (Neuraminidase) auf der Oberfläche von Grippeviren zu hemmen. Dadurch kann die Wirtszelle keine neuen Viren produzieren, allerdings werden sie nicht eliminiert. Einen langfristigen Schutz vor einem Pandemie-Virus bieten solche Medikamente daher nicht und gerade in dieser Saison hat sich eine Mehrzahl der neuen Grippestämme als resistent gegen Tamiflu erwiesen. Dennoch haben sich bereits viele Länder dafür entschieden, ein gewisses Tamiflu-Lager für den Notfall anzulegen.

Die Vorbereitung auf eine Pandemie

Als Reaktion auf die weltweite Ausbreitung der Vogelgrippe im Frühjahr 2006 hat Deutschland einen Nationalen Influenzapandemieplan erstellt, den das federführende Robert-Koch-Institut im Jahr 2007 veröffentlichte. Der Nationale Pandemieplan soll den Ländern einen Rahmen vorgeben, welche Maßnahmen bei Gefahr einer bundesweit auftretenden ansteckenden Krankheit ergriffen werden. Die Umsetzung des Plans ist allerdings Ländersache.

Nationaler Pandemieplan

Der Plan enthält gemeinsame Empfehlungen des Bundes und der Länder zur Vorbereitung auf eine weltweite Influenzawelle.

Nationaler Influenzapandemieplan: hier klicken

Analog zur WHO sieht der Nationale Pandemieplan sechs Warnstufen vor. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat wegen der sich ausbreitenden Schweinegrippe das Pandemierisiko am 29. April auf die zweithöchste Stufe 5 angehoben. Damit geht die WHO davon aus, dass die weltweite Ausbreitung des mutierten Schweinegrippevirus H1N1 unmittelbar bevorsteht. Erst zwei Tage zuvor war die seit 2005 wegen der Vogelgrippe geltende Stufe 3 auf die nächste Stufe 4 heraufgesetzt worden. In Deutschland gilt dagegen derzeit noch Warnstufe 4, das heißt, im Bundesgesundheitsministerium hat ein spezieller Stab die Arbeit aufgenommen. Derzeit geht es vor allem darum, mehr über das Virus zu erfahren und die Bevölkerung zu informieren.

Die Die Warnstufen des Nationalen Pandemieplans

  • Phasen 1 und 2: vor einem Ausbruch bei Menschen (interpandemische Periode). Experten sollen zum Beispiel die Wirksamkeit von Medikamenten untersuchen und Kapazitäten zur Impfstoff-Produktion sicherstellen. Eine nationale Informationsstrategie wird skizziert.
  • Phase 3: Erkrankungen und Gegenmaßnahmen in anderen Ländern werden beobachtet, Kontakte zu Flughafenärzten und innerhalb der EU aktiviert.

Die elektronenmikroskopische Aufnahme eines rekonstruierten H1N1-Virus der Spanischen Grippe von 1918. Lightbox-Link
Die elektronenmikroskopische Aufnahme eines rekonstruierten H1N1-Virus der Spanischen Grippe von 1918. Quelle: Cynthia Goldsmith / CDC

  • Phase 4 gilt derzeit (30. April 2009) in Deutschland: pandemische Warnperiode. Interner Krisenstab im Gesundheitsministerium wird einberufen; er ist in nationale und internationale Strukturen eingebunden, soll laut dem Pandemieplan Informationen bündeln und Strategien gegen die Seuche entwickeln.
  • Phase 5: Eine lokalisierte Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde festgestellt - jetzt kann eine Kontrolle des Reiseverkehrs angeordnet werden.
  • Phase 6: Das Virus wird "zunehmend und fortdauernd in der Allgemeinbevölkerung" übertragen. Jetzt werden Impfstoffe und Medikamente verteilt.

Die bevorrateten Vorräte an Impfstoffen für die herkömmlichen Grippetypen reichen etwa für ein Fünftel der Bevölkerung. Tritt der Pandemiefall ein, so rufen die Länder sie aus den Lagern ab. Über den pharmazeutischen Großhandel werden die Arzneimittel zu Apotheken und Krankenhäusern gebracht, wo sie auf ärztliche Verordnung ausgegeben werden.

Auf einen Blick

Endemie: andauerndes Auftreten einer Krankheit in einer begrenzten Region oder Population

Epidemie: zeitliche und örtliche Häufung einer Krankheit innerhalb einer Population

Pandemie: länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Krankheit

Nicht für jeden Grippetyp gibt es bereits Impfstoffe. Um im Ernstfall die Zeitspanne der Produktion möglichst kurz zu halten, arbeiten die Behörden mit zwei Impfstoffherstellern zusammen, die ab Warnstufe 5 die Produktion für die gesamte Bevölkerung in Deutschland sicherstellen. Um die gesamte Bevölkerung zu versorgen, wären in kurzer Zeit 160 Millionen Dosen notwendig - für zwei Verabreichungen innerhalb von sechs Wochen. Diese Mengen lassen sich nur mit neuen biotechnologischen Methoden herstellen (siehe Teil 3- Die Jagd nach einem Impfstoff).

Die Impfstoffe werden aus einem zentralen Zwischenlager an die zuständigen Stellen in den Ländern verteilt. Die Impfungen regeln die Länder in eigener Zuständigkeit. Die Bevölkerung wird grundsätzlich nach Altersjahrgängen geimpft. "Die Reihenfolge der Jahrgänge wird so gewählt, dass eine möglichst geringe Krankheitslast und Sterblichkeit zu erwarten ist. Sie ergibt sich aus dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Daten der Pandemie", heißt es im Plan. Bevorzugt wird auch der Personenkreis, der aktiv an der Bekämpfung der Pandemie beteiligt ist und die öffentliche Sicherheit gewährleistet. Auch für den Reiseverkehr sind je nach Phase unterschiedliche Maßnahmen vorgesehen, die international abgestimmt werden. 

Die Jagd nach einem Impfstoff

Im Hinblick auf die Schweinegrippe erweisen sich biotechnologische Verfahren vielfach als unentbehrlich. Nicht nur bei der Entwicklung eines zukünftigen Impfstoffes, sondern auch weitaus früher im Behandlungsprozess. Zunächst muss nämlich eine Grippeinfektion erst einmal diagnostiziert werden.

Üblicherweise wird eine Grippeinfektion auf indirektem Wege nachgewiesen. Eine Blutprobe wird auf die Antikörper hin untersucht, die der Körper auf die Erreger gebildet hat. Allerdings dauert es einige Tage, bis es zu einer Immunantwort kommt. Soll es schneller gehen, muss der Virus im Blut direkt nachgewiesen werden. Am besten schlägt der Test auch schon in der Frühphase einer Infektion an, wenn erst wenige Viren im Blut sind. Dann bleibt mehr Zeit für eine medikamentöse Behandlung.

Zukünftig soll der Impfstoff nicht mehr in Hühnereiern, sondern in Säugetierzellen vermehrt werden.Lightbox-Link
Zukünftig soll der Impfstoff nicht mehr in Hühnereiern, sondern in Säugetierzellen vermehrt werden.Quelle: Boehringer Ingelheim

Polymerase-Kettenreaktion zur Grippe-Diagnose

Damit  der Test aber auch bei geringen Virusmengen im Blut zuverlässig anschlägt, muss das Erbgut des Virus, auf das der Test anschlägt, in der Probe erst einmal spezifisch vermehrt werden. Hier kommt die Polymerase-Kettenreaktion (englisch Polymerase Chain Reaction, PCR) und damit die Biotechnologie ins Spiel.

Die Polymerase-Kettenreaktion wurde 1983 von Kary Mullis entdeckt. Dabei wird der Doppelstrang der DNA, auf der die zu kopierende Sequenz liegt, zunächst durch langsames Erhitzen auf 94 °C in die beiden Einzelstränge aufgetrennt. Dann setzt man zwei kurze DNA-Abschnitte (Primer) zu, die den Start und Endpunkt des zu kopierenden Abschnitts markieren, indem sie sich auf Anfang und Ende der gewünschten Sequenz setzen. Jetzt kommt die DNA-Polymerase zum Einsatz. Dieses Enzym fügt an die von den Primern markierte Sequenz die jeweils passenden DNA-Bausteine an, die zuvor hinzugegeben wurden. Die Sequenz ist kopiert. Wiederholt man diesen Vorgang immer wieder, entstehen von selbst Millionen identische Kopien der DNA-Sequenz. Dieser Kettenreaktion verdankt die Methode ihren Namen.

Handelsübliche Diagnose-Kits schlagen an

Bei Viren, deren Erbgut nicht aus DNA, sondern aus der ähnlichen RNA besteht, ist vor dem Nachweis mittels PCR noch ein Schritt notwendig, der die RNA in DNA umschreibt. Das Enzym, dass diesen Prozess katalysiert ist die Reverse Transkriptase (RT). Das Umschreiben der RNA in DNA und die anschließende Vervielfältigung der RNA-Sequenzen via PCR wird unter der Abkürzung RT-PCR zusammengefasst. Bei nahezu allen Grippeviren, die beim Menschen bekannt sind, gibt es mittlerweile einen Test, der auf PCR bzw. RT-PCR basiert.

Diese Verfahren kommen zum Einsatz, wenn die üblichen Nachweismethoden kein positives Ergebnis liefern, aber dringender Verdacht auf eine virale Infektion besteht oder man beispielsweise bei aggressive Erkrankungen ganz sicher gehen will, dass keine Ansteckung vorliegt.

Mehrere Firmen haben Grippetest-Kits im Angebot, die auf PCR basieren. Der deutsch-niederländische Biotech-Dienstleister Qiagen hat nach eigenen Angaben nicht nur das größte Angebot von Testkits für Grippeviren weltweit, sondern ist auch der größte Hersteller von molekularen Tests für Vogelgrippe und hat den ersten Test für SARS mitntwickelt entwickelt.

Manche der Grippe-PCR-Tests zeigen nur das Vorhandensein von Grippeviren im Allgemeinen an, manche können zwischen Typ A und Typ unterscheiden, einige sind auf spezielle Grippearten wie die Vogelgrippe abgestimmt. Einige der handelsüblichen Tests schlagen nach Angaben der Hersteller auch auf das Schweinegrippe-Virus an. Qiagen meldete, dass zwei ihrer Tests auf Grippeviren des Typus A auch bei der Schweinegrippe anschlagen. Das Institut für Virologie an der Universität Marburg hat mittlerweile einen Test entwickelt, der speziell auf das Virus der Schweinegrippe anschlägt.

Künstliches Virus aus Genen herstellen 

PCR-Tests können allerdings nur bestimmen, ob Virus-RNA im Blut vorhanden ist. Ob die dazugehörigen Viren aber vielleicht schon ausgeschaltet wurden und nicht mehr gefährlich sind, lässt sich damit nicht feststellen. Deshalb wird die Probe meist im Anschluss noch in einer Zellkultur herangezüchtet, um zu sehen, ob die Viren noch aktiv und damit gefährlich sind. In Marburg werden derzeit Speichelabstriche von Infizierten gesammelt, um daraus einen Impfstoff zu entwickeln. Das Institut für Virologie arbeitet dazu mit dem Pahrmakonzern Novartis zusammen. Neueste biotechnologische Methoden sollen die Produktion beschleunigen.

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Becker will dabei nicht warten, bis die WHO Virusmaterial liefert. "Die WHO hat das Genom veröffentlicht", sagte Becker gegenüber der Nachrichtenseite Spiegel Online. "Wir lassen die Gene nun synthetisieren und stellen daraus ein rekombinantes Virus her." Dieser Erreger wird über die Oberflächenproteine der neuen Variante verfügen, der Rest wird von einem bereits bekannten Virentyp stammen. Dieser genetische Mischling, ein sogenannter rekombinanter Virus, soll dann bei der Impfstoffentwicklung helfen. Bis der in größeren Mengen zur Verfügung steht, wird allerdings noch dauern, obwohl Novartis mit einer neuen Methode zur massenhaften Herstellung von Impfstoffen schon Erfahrung hat (mehr...).

Herkömmliche Herstellungsmethoden dauern zu lange

Üblicherweise werden Impfstoffe mit Hilfe von Hühnereiern hergestellt, die mit Viren infiziert werden. Die Eier werden drei Tage lang gebrütet. In dieser Zeit vermehrt sich das Virus in der äußeren Fruchthülle um den Hühnerembryo. Später wird das virushaltige Eiklar geerntet und zu verschiedenen Impfstoffen weiterverarbeitet. Das dauert. Zudem sind viele Viren – wie etwa Vogelgrippeviren – so aggressiv, dass sie nicht in Eiern wachsen können. Aus diesem Grund muss zuvor der Erregerstamm gezielt verändert werden. Das dauert noch länger.
Schneller geht es mit einem anderen Ansatz, bei dem Säugetierzellen für die Zucht verwendet werden. Sie sind stabiler, das Virus muss vorher nicht mehr entschärft werden. Novartis hat bei dieser Methode mit seinem Marburger Forschungsstandort Novartis Behring die Nase vorn. Im Sommer 2007 erhielt der Zellkultur-Grippeimpfstoff Optaflu die Zulassung in der Europäischen Union. Optaflu war der erste Grippeimpfstoff, bei dessen Herstellung statt Hühnereiern eine firmeneigene Zelllinie zur Produktion von Antigenkomponenten eingesetzt wird. In Marburg steht die weltweit erste Anlage, die Zellkultur-Grippeimpfstoff im industriellen Maßstab für den Markt produziert. Die erste Lieferung erfolgte in der Saison 2007/2008.

Das amerikanische Pharmaunternehmen Baxter wiederum besitzt einen Impfstoff gegen die aktuelle Virus-Variante  H1N1. Er erhielt bereits 2007 eine Zulassung. Baxter setzt ein Verfahren ein, bei dem sogenannte Vero-Zellen aus Nierenzellen von Grünen Meerkatzen mit dem Grippevirus vermischt werden. Baxter gibt an, mit dieser Methode bei der Entwicklung eines Impfstoffs an die acht bis zehn Wochen einsparen zu können.

Entscheidender Vorteil durch Zellvermehrung

Der Ansatz, das Virus in Zellen zu vermehren, könnte bei einer Pandemie einen entscheidenden Geschwindigkeitsvorteil bieten. Denn das Angebot von Hühnereiern ist begrenzt, Zellen hingegen lassen sich schnell vermehren. So wäre die Herstellung mehrerer Millionen Dosen innerhalb von nur wenigen Wochen möglich. Die Hühnerei-Methode ist so langsam, dass die Impfhersteller schon jetzt mit der Produktion für die nächste Saison begonnen haben, die im Herbst anläuft. Das hat einen weiteren unerwünschten Nebeneffekt. Die Produktionskapazitäten sind nahezu ausgelastet, für einen Schweinegrippe-Impfstoff müssten zusätzliche Anlagen aufgebaut werden. Das würde noch einmal dauern. Die Hühnerei-Methode ist zudem nicht nur langsam, sondern auch unsicher. Eine kleine Verunreinigung der Eier kann eine ganze Charge nutzlos machen.

Bald könnte die Impfstoffherstellung noch schneller und zuverlässiger werden. Experten des Paul-Ehrlich-Institutes arbeiten mit Novartis und GlaxoSmithKline an einem Impfstoff-Prototypen, der als Grundgerüst für später anwendbare Impfstoffe dienen soll. Damit können die Hersteller die erforderlichen klinischen Studien bereits jetzt durchführen und bei der europäischen Zulassungsbehörde EMEA die Zulassung für die Basisplattform einreichen. Wird im Fall einer Pandemie dann ein Impfstoff mit dem tatsächlichen Erreger produziert, muss der Hersteller nur noch wenige Daten nachliefern.

Mehrere deutsche Unternehmen an Impfstoffherstellung interessiert
Aktuell sind in Deutschland mehrere Unternehmen an der Herstellung eines Impfstoffes gegen das Schweinegrippe-Virus interessiert. Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Pharma-Unternehmen in Deutschland, sagte am 27. April in Berlin, dass die Verbandsmitglieder mit der Entwicklung beginnen könnten, sobald die Weltgesundheitsorganisation WHO ihnen isolierte Viren eines Erkrankten als Referenzmaterial für die Entwicklung übergibt. Deutschland zählt zu den wichtigsten Standorten für die Herstellung von Grippeimpfstoffen weltweit mit Produktionseinrichtungen in Dresden und Marburg.

Bis ein Impfstoff auf den Markt kommt, ist der beste Schutz gegen die Grippe nach Aussagen von Ärzten das Händewaschen. Bei Infizierten kann versucht werden, den Verlauf der Erkrankung durch die vorhandenen Grippemedikamente zu mildern, die in Deutschland und vielen anderen Ländern für den Fall einer Epidemie umfassend bevorratet wurden. "Unsere Hersteller haben bereits die Nachproduktion dieser Medikamente hochgefahren oder prüfen, ob dies erforderlich ist", sagt Cornelia Yzer vom VfA.

Hintergrund

Aktuelle Informationen und Hinweise zur Schweinegrippe finden Sie auf folgenden Seiten:

Bundesgesundheitsministerium
Die Lage in Deutschland, Maßnahmen und Empfehlungen, Bürger-Hotline

Robert-Koch-Institut
Umfassende, täglich aktualisierte Informationen zum Stand der Ausbreitung, zum Wissen über das Virus und zur medizinischen Vorsorge.

Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Tägliche Meldungen mit Opferzahlen, Einschätzungen und Informationen

Centers for Disease Control and Prevention
Fakten über das Virus und Empfehlungen für die Bevölkerung

Institut für Virologie der Universität Marburg
Nachrichtensammlung und Linklisten zum Thema Schweinegrippe

Der Nationale Influenzapandemieplan wrde nach den Erfahrungen mit der Vogelgrippe ausgearbeitet. Er koordiniert die Anstrengungen in den Bundesländern.

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