Warum die grauen Haare wachsen

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Ein menschliches Haar unter dem Elektronenmikroskop. Mit fortschreitendem Alter wird immer weniger Melanin gebildet, wenn das Haar nicht sogar ganz ausfällt. Quelle: Universität Heidelberg

11.03.2009  - 

Wer als graue Eminenz bezeichnet wird, mag das noch als Kompliment hinnehmen. Wenn die Haare grau werden, gilt das im Allgemeinen aber nicht als Zeichen der Stärke, sondern als Hinweis auf das Einsetzen des Alters. Tatsächlich sind graue Haare ein sichtbarer Beweis dafür, dass der Körper mit der Zeit immer mehr seiner Fähigkeiten einbüßt. Zum Beispiel jene, Wasserstoffperoxid abzubauen, wie deutsche und britische Forscher nun erstmals nachgewiesen haben. Ein Übermaß an H2O2 sorgt nämlich bei älteren Menschen dafür, dass keine Farbpigmente mehr gebildet werden können, schreiben die Forscher im Fachblatt "The FASEB Journal" (Online-Vorabveröffentlichung, 23. Februar 2009).




Die ersten grauen Haare zeigen sich oft schon, bevor man sich tatsächlich alt fühlt. Und doch sind sie ein Anzeichen für das fortgeschrittene Alter des Organismus. Mit der Zeit lässt nämlich der Gehalt des Pigments Melanin nach, das für die Färbung der Haare zuständig ist. Das einzelne Haar wird dabei weiß. Grau erscheinen die Haare nur, wenn die Farbe der anderen Haare noch durchscheint. Erst im hohen Alter ist die Entfärbung des Kopfhaars komplett, der Schopf erscheint schlohweiß. Warum das Farbpigment Melanin sich nach und nach aus den Haaren zurückzieht, war jedoch bisher unbekannt.

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Wasserstoffperoxid hemmt Herstellung von Melanin

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der University of Bradford in Großbritannien haben nun entdeckt, dass vor allem Sauerstoffradikale für den Verlust der Haarfarbe verantwortlich sind. "Ausgangspunkt des gesamten Prozesses ist Wasserstoffperoxid, das wir auch als Bleichmittel kennen", sagt Heinz Decker vom Institut für Biophysik der Universität Mainz. "Bei zunehmendem Alter wird es in den Haaren vermehrt gebildet und verhindert schlussendlich die Herstellung von Melanin." Den molekularen Mechanismus dieses Prozesses haben die Mainzer Biophysiker nun zusammen mit den Dermatologen aus Bradford erstmals genau aufgeschlüsselt.

Wenn wir altern, hemmt Wasserstoffperoxid die Bildung des Pigments Melanin an den Haarwurzeln.Lightbox-Link
Wenn wir altern, hemmt Wasserstoffperoxid die Bildung des Pigments Melanin an den Haarwurzeln.Quelle: Georgia Health Care

Wasserstoffperoxid - oder H2O2 in der chemischen Bezeichnung - entsteht beim Stoffwechsel in kleinen Mengen in allen Zellen des Körpers, so auch im Haar. Mit dem Alter nimmt der Gehalt an Wasserstoffperoxid jedoch zu, da der Körper nicht mehr hinterherkommt, es zu Wasser und Sauerstoff abzubauen und damit der Stoffwechsel in der Zelle aus der Balance gerät. Mit einer ähnlichen Theorie des metabolischen Gleichgewichts haben im Januar bereits Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin eine Theorie des Alterns vorgelegt (mehr...).

Die Mainzer Forscher haben für die Haare nun gezeigt, dass ein dafür verantwortliches Enzym namens Katalase, das normalerweise Wasserstoffperoxid neutralisiert, in den Zellen nur noch in sehr geringer Konzentration vorkommt.

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Mehr als zehn Jahre Forschung

Dies löst eine Kettenreaktion aus. Das Wasserstoffperoxid greift das Enzym Tyrosinase an und oxidiert dabei einen bestimmten Eiweißbaustein, nämlich die Aminosäure Methionin. "Durch diesen Oxidationsvorgang wird die Funktion des Enzyms Tyrosinase so stark beeinträchtigt, dass es kein Melanin mehr bilden kann. Wir kennen jetzt die genaue Molekulardynamik, die diesem Vorgang zugrunde liegt", erläutert Decker. Die Wissenschaftler am Institut für Biophysik arbeiten bereits seit etwa zehn Jahren an der Erforschung der Tyrosinasen, die als Enzyme in allen Organismen vorkommen und viele verschiedene Funktionen ausüben. Bei den Computersimulationen zur Aufdeckung der molekularen Mechanismen wurden die Biophysiker zudem durch das neu gegründete Zentrum für rechnergestützte Forschungsmethoden in den Naturwissenschaften der Uni Mainz unterstützt.

Nach und nach gehen alle Pigmente im Haar verloren

Die Oxidation durch Wasserstoffperoxid legt jedoch nicht nur die Melaninproduktion lahm, sondern beeinträchtigt auch noch weitere Enzyme, die zur Wiederherstellung der beschädigten Eiweißbausteine benötigt werden. So kommt eine Kaskade von Ereignissen in Gang, an deren Ende der allmähliche Verlust der Pigmente im gesamten Haar - von der Haarwurzel bis zur Haarspitze - steht.

Mit dieser Arbeit haben die Wissenschaftler aus Mainz und Bradford nicht nur das uralte Rätsel, warum unsere Haare im Alter grau werden, auf molekularer Ebene gelöst, sondern auch Ansätze für eine künftige Therapie etwa bei Vitiligo, einer Pigmentstörung in der Haut, aufgezeigt. Denn Melanin ist nicht nur für die Färbung der Haare, sondern ebenso der Haut und Augen verantwortlich.

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