Wochenrückblick KW 09

02.03.2009

RNA-Experte Tuschl lehnt Humboldt-Professur ab

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Neben Thomas Tuschl sind weitere Humboldt-Professuren aus dem Bereich der Biotechnologie im Gespräch. Die Entwicklungsbiologin Ulrike Gaul hat schon zugesagt, während der Bioinformatiker Burkhard Rost noch verhandelt.

Ulrike Gaul: Die pragmatische Abenteurerin

Burkhard Rost: Enträtselt das Genom mit Bits und Bytes

Die Humboldt-Professur wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingerichtet, um im Ausland arbeitende Spitzenforscher nach Deutschland zu holen (mehr...).  Mit bis zu fünf Millionen Euro in den ersten fünf Jahren unterstützt das BMBF die Preisträger. Der derzeit in den USA forschende Zellbiologe Thomas Tuschl hat den Ruf als Humboldt-Professor an die Freie Universität Berlin nun abgelehnt, weil die Universitätsverwaltung seinen Forderungen in Ausstattung und Personal nicht nachgekommen sei und sich generell zu unflexibel und bürokratisch verhalten habe. Das sagte Tuschl in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (mehr...). Schon beim "ersten und letzten" Gespräch über die Ausstattung der Professur im Sommer 2007 hätte er gegenüber dem Kanzler Peter Lange seine Forderung nach einer Spülkraft rechtfertigen müssen. "Gute Nachwuchskräfte sollen ihre eigene kreative Forschung betreiben und nicht meinen Kram machen." Gleich darauf hätte der Kanzler bezweifelt, ob er denn wirklich eine volle Sekretärinnenstelle brauche. "Ich hatte jedenfalls nicht den Eindruck, dass man mich unbedingt haben wollte. Und bei so einem Affenzirkus kann man keine vernünftigen Gespräche führen." Der 42-jährige Zellbiologe, der wegen seiner Arbeiten zur RNA-Interferenz beim Menschen schon als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt wurde, bleibt damit vorerst an der Rockefeller-Universität in New York, an der er seit 2003 forscht. Tuschl trat auch Gerüchten entgegen, es habe ein Gegenangebot seitens der Rockefeller-Universität gegeben. Nach den Vorstellungen der FU sollte Tuschl am Institut für Chemie und Biochemie den Lehrstuhl des langjährigen Direktors Professor Volker Erdmann übernehmen, der Ende März in den Ruhestand geht.

Gesundheitsforschungsrat empfiehlt nationales Biobank-Register

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Dossier: Biobanken: Fundgruben für die Wissenschaft

Biobanken werden für die medizinische Forschung der Zukunft an Bedeutung gewinnen, glaubt der Gesundheitsforschungsrat. Deshalb rät das Beratergremium des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in seiner aktuellen Empfehlung, nicht nur alle deutschen Biobanken zentral zu registrieren, sondern auch ein einheitliches Qualitätsniveau zu sichern. Biobanken sind Archive, in denen organische Proben für vergleichende medizinische Studien abgelegt werden. Das kann etwa Gewebe, Blut oder auch genetisches Material sein. Der Gesundheitsforschungsrat begrüßt in seiner knapp gehaltenen Empfehlung das derzeitige Vorhaben zur Bildung eines nationalen Biobankenregisters und fordert alle in dieser Richtung aktiven Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen auf, die Initiative zum Aufbau eines nationalen Biobankenregisters aktiv zu unterstützen. Zur Qualitätssicherung von Biomaterialbanken hält das Gremium es zudem für erforderlich, angemessene Verfahren für die Zertifizierung und Auditierung von Biobanken zu etablieren. Der Gesundheitsforschungsrat wurde 1990 eingerichtet. Ihm gehören Vertreter der großen Forschungs- und Forschungsförderorganisationen aus dem In- und Ausland an. Die 22 Mitglieder des Rats beraten das BMBF in übergreifenden Fragen der Gesundheitsforschung und bei der Gestaltung des Gesundheitsforschungsprogramms.

Die Empfehlung im Volltext: hier klicken

Ohne FTO kein Speck auf die Rippen

Übergewicht ist ein komplexes Phänomen, das sowohl vom Verhalten, aber offenbar auch von mehreren Genen beeinflusst wird. Der stärkste Zusammenhang ist dabei mit Mutationen im sogenannten FTO-Gen beobachtet worden. Bisher stellten Wissenschaftler allerdings nur auf statistischem Wege fest, dass Menschen mit derartigen Mutationen im Durchschnitt schwergewichtiger waren.

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Dossier: Gene geben Gewicht

Förderbeispiel: Das dicke Erbe
News: Dickmacher-Gene bei Kindern besonders deutlich

Nun hat eine Arbeitsgruppe um Julia Fischer von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf nachgewiesen, was mit Mäusen passiert, denen das Gen ganz fehlt.  Im Fachblatt Nature (Online-Veröffentlichung, 22. Februar 2009) berichtet sie, dass die FTO-freien Mäuse sechs Wochen nach der Geburt schon 30-40% weniger auf die Waage brachten als ihre Artgenossen, deren FTO-Gen noch vorhanden war. Dabei aßen diese Mäuse im Verhältnis zu ihrem Gewicht mehr als üblich und bewegten sich sogar weniger. Trotzdem verbrannten sie mehr Energie. Im Alter von 15 Monaten hatten die FTO-freien Mäuse schließlich nahezu kein Körperfett mehr. Damit haben die Forscher nach eigenen Angaben zum ersten Mal nachgewiesen, dass FTO direkt bei der Steuerung des Energiehaushalts beteiligt ist. Sie vermuten, dass das Gen maßgeblich bei der Steuerung des vegetative Nervensystems beteiligt ist.

Diagnose bei Darmkrebs verbessert

Jährlich erkranken in Deutschland schätzungsweise 37.000 Männer und 36.000 Frauen an Krebs des Dickdarms, Mastdarms oder Enddarms. Damit steht diese Tumorart auf dem zweiten Platz sowohl bei der Häufigkeit als auch bei den Todesfällen. Jeder dritte, der eine Erkrankung zunächst überlebt, bekommt später Metastasen. Mit einer Entdeckung von Würzburger Forschern ist es jetzt möglich, die Therapie genauer abzustimmen, wie sie im New England Journal of Medicine (2009, Vol. 360, S. 833-836) berichten. Seit Anfang 2008 ist in Deutschland der von der Merck KgaA vertriebene Antikörper Erbitux zur Behandlung von metastasiertem Dickdarmkrebs zugelassen. Er wirkt nicht bei allen Patienten: Immer wenn in den Tumoren das Gen KRAS mutiert ist, versagt der Antikörper. Nun haben die Mediziner um Stefan Gattenlöhner entdeckt, dass sich eine KRAS-Mutation in die Metastasen fortsetzt. War das Gen im Tumor mutiert, ist es in den Metastasen ebenfalls mutiert. War das Gen im Tumor normal, dann ist das auch in den Metastasen so. Damit lassen sich nun Diagnose und Therapie verfeinern, wie Gattenlöhner erklärt; "Denken Sie sich einen Patienten, der vor sechs Jahren einen Dickdarmkrebs überstanden hat. Jetzt ist er wieder in Behandlung, weil in seiner Lunge und in der Leber Metastasen sitzen. Um herauszufinden, ob ihm die neue Antikörper-Therapie etwas bringen würde, müssen wir erst gar keine Gewebeproben aus den Metastasen entnehmen - was im Übrigen auch nicht immer machbar ist. Stattdessen können wir das Gewebe des Anfangstumors untersuchen, denn das wird in den Kliniken aufbewahrt. Wenn in diesem Gewebe das KRAS-Gen unverändert ist, dann gilt das auch für die aktuellen Metastasen des Patienten. Also wird die Antikörper-Therapie bei ihm wirken."

Roche unterstützt Biomarker-Stiftungsprofessur in Frankfurt

Die Stiftungsprofessur "Molekulare Marker in der Hepatologie und Gastroenterologie" an der J.W. Goethe-Universität Frankfurt am Main ist besetzt. Jörg Trojan hat die Arbeit an dem Lehrstuhl angetreten, der von Roche Pharma unterstützt wird. Mit der Einrichtung des Lehrstuhls werde der neue  Schwerpunkt "Gastrointestinale Onkologie" des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen Frankfurt (UCT) mit der klinischen Grundlagenforschung vernetzt, teilte die Universität in einem Schreiben mit.

Das Universitäre Centrum für Tumorerkrankungen (UCT)

Das UCT ist eine im April 2008 gegründete fachübergreifende Institution, an der über 30 Kliniken, Abteilungen und Institute des Klinikums beteiligt sind. Ziel ist die Verbesserung der Behandlung diverser Krebserkrankungen.

Zur UCT-Website: hier klicken

Jörg Trojan studierte Medizin in Frankfurt und Heidelberg. Er befasst sich seit über zehn Jahren mit bösartigen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, insbesondere mit dem Leberzellkarzinom und Darmkrebs, und ist Sprecher des Schwerpunktes Gastrointestinale Onkologie am UCT. Seit 2003 leitet er eine von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderte Nachwuchsforschergruppe, die sich mit den molekularen Mechanismen des erblichen Darmkrebses beschäftigt. Im Rahmen der Stiftungsprofessur will er nun erforschen, wie bereits bei Diagnosestellung diejenigen Patienten zu identifizieren sind, die durch den Einsatz bestimmter Substanzen am meisten profitieren, erklärte Trojan. Langristig solle damit die Therapie von Patienten mit Leberzellkarzinom und Darmkrebs verbessert werden. 

Programm zum Genvergleich schlauer gemacht

Mit hilfe der modenren Technik ist es möglich, das gesamte Erbgut eines Organismus Buchstabe für Buchstabe zu entschlüsseln. Seit 1995 sind die Genome von 800 Organismen sequzenziert worden, im Jahr 2003 ist auch das menschliche Genom hinzugekommen, das aus 3 Milliarden Basenpaaren oder Buchstaben besteht. Da im Laufe der Evolution Teile des Erbguts gleich geblieben sind, können Forscher die Funktion unbekannter menschliche Gene  bestimmen, wenn sie ähnliche Gene im Erbgut von Tieren finden.

CS-BLAST

Das modifizierte BLAST-Programm zum Vergleichen von Gensequenzen lässt isch unter anderem auf der Seite der Arbeitsgruppe von Johannes Söding am Genzentrum München herunterladen.

Zur Bioinformatik-Website am Genzentrum München: hier klicken

Bei der Masse der anfallenden Daten erfolgt der abgleich vollautomatisch mit Hilfe bestimmter Computerprogramme. Nun ist es den Bioinformatikern Johannes Söding und Andreas Biegert vom Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München laut einem Bericht im Fachjournal PNAS (Online-Vorabveröffentlichung, 20 Februar 2009) gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das eines dieser Programme deutlich verbessert und damit die Datenbanksuche bei gleicher Geschwindigkeit deutlich empfindlicher macht. Eines der am häufigsten verwendeten Programme ist das "Basic Local Alignment Search Tool". BLAST ist seit seiner Entwicklung 1990 das wichtigste Instrument der Sequenzsuche und wird weltweit rund 500.000 Mal am Tag aufgerufen. Um einigermaßen schnell arbeiten zu können, beschränkt es sich allerdings nur auf die Aminosäure-Sequenz selbst. Oft ist aber der Kontext einer Sequenz entscheidend für deren Bedeutung.  Die Bioinformatiker vom Genzentrum München und dem Exzellenzcluster "Center for Integrated Protein Science Munich" haben nun ein kontext-spezifisches BLAST, entwickelt, das CS-BLAST. Bei gleicher Suchgeschwindigkeit kann es doppelt so viele entfernte "Verwandte" von Seuenzen aufspüren wie bisher. Um die Ähnlichkeit einer Aminosäure mit den Referenzdaten zu bestimmen, wird bei CS-BLAST auch der Sequenzkontext jeder Aminosäure, nämlich deren sechs linke und sechs rechte Nachbarn, in die Analyse mit einbezogen. In Zukunft wollen die Biowissenschaftler mit der neuen Technik nicht nur einzelne Gene, sondern auch ganze Abschnitte des Erbguts vergleichen.