Sehr menschlich: Das Genom des Neandertalers

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Neandertaler und Mensch gleichen sich in ihrem Ergbut zu 99 Prozent. Homo sapiens entwickelte sich vor spätestens 400.000 Jahren zur eigenen Art. Quelle: Knut Finstermeier / MPI

10.02.2009  - 

Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben das Erbgut eines Neandertalers vollständig entschlüsselt. Das berichtet das Fachjournal Nature (Bd. 457, S.645, 2009).  Auf der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) in Chicago, die diese Woche stattfindet, stellen die Leipziger um den Neandertaler-Experten Svante Pääbo die Genomsequenz offiziell vor.



Damit haben Pääbo und sein Team ihr Versprechen aus dem Jahr 2006 gehalten, die Erbinformationen aus einem Neandertaler-Knochen, der in Kroatien gefunden wurde, innerhalb von zwei Jahren komplett zu entziffern. Bereits damals hatten sie erste Ergebnisse der damals gerade angelaufenen Untersuchungen veröffentlicht (mehr...).
Nach der Entschlüsselung von einer Million Basen oder 0,04 Prozent des Neandertaler-Genoms konnte Pääbo damals schon sagen, dass der Neandertaler tatsächlich der nächste Verwandte des Menschen ist. Außerdem konnte 2006 bestätigt werden, dass sich die Entwicklungslinien zwischen Mensch und Neandertaler vor mindestens einer halben Million Jahre getrennt haben.

Hintergrund
Zur Webseite von Svante Pääbo am MPI für evolutionäre Anthropologie: hier klicken

Vor 30.000 Jahren plötzlich ausgestorben

Wie die Paläogenetiker um Svante Pääbo nun per Liveschaltung von Leipzig in Chicago berichten, gleichen sich die Genome der beiden Menschenarten zu 99 Prozent. Mit der nun vorliegenden ersten Rohfassung des Genoms kann jetzt erstmals systematisch weiter analysiert werden. Von derartigen Untersuchungen erwarten sich die Forscher in naher Zukunft unter anderem eine Antwort auf die in der Zunft leidenschaftlich diksutierte Frage, warum der Neandertaler vor 30.000 Jahren plötzlich ausgestorben ist. Denn das Neandertaler-Hirn ist genauso groß wie das des Menschen, das Schädeldach allerdings flacher, der Hinterkopf runder. Typisch sind zudem Überaugengeschwülste und das fehlende Kinn.

Schnipsel mit nicht mehr als 50 Basenpaaren

Fast noch leidenschaftlicher streiten sich die Anthropologen darüber, ob sich Neandertaler und Homo sapiens zu einem Punkt ihrer Entwicklung miteinander vermischten oder der Homo sapiens tatsächlich seit seiner Entstehung vor 800.000 Jahren eine völlig eigenständige Entwicklung durchgemacht hat. Pääbo hatte vor zwei Jahren nicht ausgeschlossen, dass es Techtelmechtel zwischen den beiden Arten gegeben haben könnte - allerdings sind sie seiner Auffassung nach wohl eher unwahrscheinlich gewesen. Und falls doch, dann hatten sie zumindest keine gemeinsamen Kinder. Denn bislang konnten die Forscher keine genetischen Spuren von Neandertaler-Spuren im Erbgut des modernen Menschen finden. Aufschluss würden aber erst weitere Analyse des Genoms bringen, so Pääbo.

MPI-Forscher und Paläogenetiker Svante Pääbo mit dem Schädel eines Neandertalers. Lightbox-Link
MPI-Forscher und Paläogenetiker Svante Pääbo mit dem Schädel eines Neandertalers. Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Die Entzifferung der DNA des Neandertalers war besonders knifflig, weil in dem 38.000 Jahre alten Knochen aus  der Vindija-Höhle in Kroatien keine kompletten DNA-Ketten mehr vorhanden waren, sondern die DNA im Laufe der Jahrtausende zu einzelnen Schnipseln zerfallen ist, die typischerweise nicht länger als 50 Basenpaare waren. Das erschwerte die Analyse erheblich, da jeder Schnipsel einzeln angegangen werden musste.

Neue Technik soll Lesefehler reduzieren

Die Genomkarte des Neandertalers ist zunächst einmal eine Arbeitsversion. Wegen der Zersplitterung des Erbguts haben die Forscher jeden Buchstaben der DNA im Schnitt erst ein einziges Mal gelesen - normalerweise sequenzieren Forscher solange, bis alle Stellen mehrmals gelesen sind, um Fehler zu verringern. Pääbo schätzt, dass sie bislang erst 60 Prozent des Neandertalergenoms gesehen haben. Durch den Einsatz einer neuen Technik hoffen die Leipziger Wissenschaftler aber, die Fehlerquote schon bei diesem ersten Durchgang auf ein erträgliches Maß gesenkt zu haben. Das wäre gut, denn jeder Druchgang kostet Zeit und Geld. Drei Jahre und fünf Millionen Euro waren es in diesem Fall.

Noch vor wenigen Jahren war es praktisch unvorstellbar, überhaupt DNA aus dermaßen alten Knochen zu gewinnen. Erst als es Pääbo gemeinsam mit Matthias Krings gelungen war, die ersten DNA-Bausteine aus Knochenproben des Neandertalers auszulesen, wurden die Paläogenomik geboren. Pääbo hat dafür eine Reinraumtechnik entwickelt, die eine Verschmutzung des alten Erbguts mit genetischen Spuren moderner Menschen verhindert. Gleichzeitig hat er ein Markierungsverfahren etabliert, mit dem sich alte und neue DNA voneinander unterscheiden lässt.

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