Zangenangriff auf den Krebs

Eine angeschnittene Hautkrebszelle eines Plattenepithelkarzinoms offenbart den Zellkern. Mittels RNA-Interferenz aktivieren die Bonner Forscher das dort hinterlegte Selbstmordprogramm der Zelle. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Eine angeschnittene Hautkrebszelle eines Plattenepithelkarzinoms offenbart den Zellkern. Mittels RNA-Interferenz aktivieren die Bonner Forscher das dort hinterlegte Selbstmordprogramm der Zelle.

05.11.2008  - 

Schwarzer Hautkrebs ist der bösartigste Hauttumor und eine der gefährlichsten Krebsarten überhaupt. Jedes Jahr fordert er in Deutschland rund 2000 Todesopfer. Eine international besetzte Forschergruppe unter Leitung der Universität Bonn hat nun ein Molekül entwickelt, dass den Tumor von zwei Seiten in die Zange nimmt. Der Wirkstoff ähnelt einerseits Bestandteilen von Viren und alarmiert so das Immunsystem. Die körpereigene Abwehr wird dabei auch gegen Krebszellen scharf gemacht. Außerdem schaltet der Wirkstoff in den entarteten Zellen ein bestimmtes Gen aus und treibt sie dadurch in den Selbstmord. Das berichten die Forscher im Fachmagazin Nature Medicine berichten (2. November 2008, Online-Veröffentlichung).




Die Wissenschaftler haben für ihre Studie auf die Technik der RNA-Interferenz zurückgegriffen. RNA oder Ribonukleinsäure ist eng mit der DNA verwandt und unter anderem für den Transport von Erbinformationen innerhalb der Zelle zuständig. Seit einigen Jahren ist es Wissenschaftlern möglich, die RNA-Moleküle als Schalter zu benutzen, um einzelne Gene damit an- oder auszuknipsen.

Gunther HartmannLightbox-Link

BioFuture-Preisträger: Vor zwei Jahren entdeckte Gunther Hartmann, wie das Immunsystem zwischen körpereigener RNA und Viren-RNA unterscheidet.

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Selbstmord erwünscht

„Wir haben diese Methode genutzt, um die Tumorzellen in den Selbstmord zu treiben“, erklärt der Bonner Hautforscher Thomas Tüting. Jede einzelne Körperzelle verfügt über ein entsprechendes Suizid-Programm. Es wird beispielsweise aktiviert, wenn die Zelle entartet: Sie stirbt, bevor sie Schlimmeres anrichten kann. „In Tumoren ist aber ein Gen aktiv, das dieses Selbstmord-Programm unterdrückt“, erläutert der Leiter des Labors für Experimentelle Dermatologie. „Dieses Gen haben wir gezielt mittels RNA-Interferenz ausgeschaltet.“ Die Forscher verhindern damit die Produktion des Eiweißes Bcl2, das in Tumorzellen den natürlichen Suiziddrang hemmt.

Gleichzeitig sind die Forscher dem Krebs noch auf eine weitere Art zu Leibe gerückt: „Wir haben unsere RNA gewissermaßen "verkleidet"“, sagt Professor Dr. Gunther Hartmann, Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Pharmakologie. „Daher hat das Immunsystem sie für das Erbgut eines Virus gehalten.“ Viele Viren nutzen tatsächlich RNA als Informationsspeicher. Wenn der Körper also RNA-Fragmente entdeckt, die er für Viren-Erbgut hält, bläst er zur Attacke. Durch diesen Trick wurde die Körperabwehr also angeregt, viel aggressiver gegen die Tumorzellen vorzugehen als normalerweise. Auch in den körpereigenen Zellen kommt RNA vor. Lange Zeit war nicht bekannt, wie das Immunsystem potenzielle Viren-RNA von unschädlicher eigener RNA unterscheidet. Vor zwei Jahren war es Hartmann in der Zeitschrift „Science“ gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen (mehr...). Dieses Wissen haben die Forscher nun genutzt, um den RNA-Wirkstoff so zu modifizieren, dass er das Immunsystem in Alarmzustand versetzen konnte. Hartmanns Forschungen werden seit 2005 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des BioFuture-Programms unterstützt.

Erste Versuche an Mäusen erfolgreich

„Der Charme unserer Methode besteht darin, dass wir mit einem einzigen Designer-Molekül den Krebs von zwei grundlegend unterschiedlichen Seiten in die Zange nehmen“, sagt Hartmann. „Dadurch werden dem Tumor Ausweichmöglichkeiten genommen, die eine erfolgreiche Therapie sonst so schwierig machen.“ Erste Versuche an Mäusen mit Lungenmetastasen verliefen ermutigend. Durch die Behandlung verkleinerten sich die Tochtergeschwülste oder verschwanden sogar ganz.

Dennoch warnen die Forscher vor zu viel Optimismus: „Was in der Maus klappt, muss sich nicht unbedingt auch im Menschen bewähren“, warnt Professor Tüting. „Außerdem sind noch viele Fragen zu klären, bevor überhaupt an eine Studie mit Krebspatienten gedacht werden kann.“ Dennoch sei der Ansatz viel versprechend, zumal der Wirkstoff mit leichten Veränderungen auch bei anderen Krebsarten eingesetzt werden könnte.

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