Wie sich Pflanzen gegen Krankheitserreger zur Wehr setzen

Zusammen wehren sie Feinde ab: Die Sensoren FLS2 und BAK1 sorgen dafür, dass die Pflanze eine Immunabwehr gegen Bakterien einleitet (Bilder oben). Wenn BAK1 ausgeschaltet ist, findet ein solcher Prozess nicht statt (Bilder untern). <ic:message key='Bild vergrößern' />
Zusammen wehren sie Feinde ab: Die Sensoren FLS2 und BAK1 sorgen dafür, dass die Pflanze eine Immunabwehr gegen Bakterien einleitet (Bilder oben). Wenn BAK1 ausgeschaltet ist, findet ein solcher Prozess nicht statt (Bilder untern). Quelle: MPI für Züchtungsforschung/ Robatzek

08.08.2007  - 

Ähnlich wie Menschen können sich auch Pflanzen mit einem ausgeklügelten Immunsystem gegen Krankheitserreger wie Pilze, Bakterien und Viren zur Wehr setzen. So besitzen sie auf der Oberfläche ihrer Zellen bestimmte Sensoren, die einen gefährlichen Angreifer erkennen können und eine erste Immunreaktion einleiten. Ein internationales Forscherteam, an dem unter anderem Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln und der Universität Tübingen beteiligt waren, hat nun einen neuen Sensor entdeckt, der bei der pflanzlichen Erregerabwehr gegen Bakterien eine wichtige Rolle spielt. Wie das Team im Fachmagazin Nature (2007, Vol. 448, S. 497-500) berichtet, war dieser bisher nur aus der pflanzlichen Entwicklung bekannt und nimmt offenbar eine Doppelrolle ein.

Nicht nur Menschen können sich im Kampf gegen fremde Eindringlinge mit einer körpereigenen Immunabwehr schützen, auch Pflanzen haben ein komplexes und hoch entwickeltes Immunsystem. Allerdings besitzen sie kein zirkulierendes Waffenarsenal an Antikörpern und unterschiedlichen Immunzellen. Stattdessen muss jede einzelne Pflanzenzelle in der Lage sein, einen Krankheitserreger – seien es Bakterien, Pilze oder Viren – beim ersten Kontakt zu erkennen. Dies erfolgt über bestimmte Sensoren, die auf der Oberfläche angesiedelt sind und auf der Basis von speziellen molekularen Mustern zwischen ‚fremd’ und ‚eigen’ unterscheiden können.

Bei einer Reihe von krankheitsauslösenden Bakterien ist das Eiweiß Flagellin Bestandteil der Schwimmhärchen wie hier bei Pseudomonas syringae. Lightbox-Link
Bei einer Reihe von krankheitsauslösenden Bakterien ist das Eiweiß Flagellin Bestandteil der Schwimmhärchen wie hier bei Pseudomonas syringae. Quelle: Robatzek

Eiweiß Flagellin wird als fremd erkannt

Als fremd wird beispielsweise das Eiweiß Flagellin erkannt, das unter anderem Bestandteil der Schwimmhärchen einiger Bakterien ist und in Pflanzen nicht vorkommt. Bei der von Pflanzenforschern oft genutzten Modellpflanze Arabidopsis thaliana nennt sich der entsprechende Sensor Flagellin Sensing 2, kurz FLS2. Kommt er mit dem Eiweiß in Kontakt, setzt sich ein Prozess in Gang, bei dem am Ende hunderte Gene aktiviert werden, die wiederum für eine ganze Reihe von Abwehrreaktionen gegen den Eindringling sorgen.

Zwei Sensoren wirken zusammen gegen Eindringlinge

Wie dieser Prozess im Detail auf molekularer Ebene abläuft, war bisher nicht bekannt und wurde von einem internationalen Forscherteam um Thomas Boller von der Universität Basel nun genauestens untersucht, an dem auch Silke Robatzek vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung sowie mehrere Wissenschaftler des Zentrums für Molekularbiologie der Pflanze (ZMBP) an der Universität Tübingen beteiligt waren. Bei ihren Experimenten stellten die Wissenschaftler Überraschendes fest: Sobald die Pflanze mit Flagellin in Berührung kommt, löst FLS2 eine Abwehrreaktion aus – allerdings in Verbindung mit einem zweiten Sensor, BAK1, der offenbar als Co-Regulator eine entscheidende Rolle spielt und mit dem FLS2 schon innerhalb von zwei Minuten nach ‚Feindkontakt’ einen aktiven Komplex bildet.

BAK1 übernimmt Doppelrolle

BAK1 war bisher nur als Regulator bei der Erkennung spezieller Pflanzenhormone (Brassinosteroide) bekannt, die bei Pflanzen Wachstum und Entwicklung steuern und koordinieren. Mit ihren neuesten Erkenntnissen zeigen die Forscher nun, dass BAK1 weit mehr Funktionen ausübt. Sie konnten nachweisen, dass Pflanzen ohne BAK1 gegenüber Krankheitserregern quasi blind waren: Wurde bei ihnen die Aktivität von BAK1 mithilfe gentechnischer Verfahren gezielt ausgeschaltet, fiel die Immunabwehr nur gering aus. Gleichzeitig demonstrierten sie, dass eine Interaktion zwischen FLS2 und BAK1 offenbar wesentlich für eine effiziente erste Immunabwehr gegenüber bakteriellen Krankheitserregern ist. Darüber hinaus haben die Wissenschaftler bereits Hinweise dafür gefunden, dass BAK1 neben FLS2 auch mit anderen erregerspezifischen Sensoren interagiert.

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Ähnliche Doppelrolle auch bei Toll-like-Rezeptoren

Die Wissenschaftler glauben nun, mit BAK1 einen Regulator gefunden zu haben, der den sogenannten Toll-like-Rezeptoren beim Menschen ganz ähnlich ist. Auch diese TLRs sind sowohl bei der embryonalen Entwicklung als auch bei der angeborenen Immunabwehr aktiv und haben aufgrund ihrer zentralen Rolle bereits zur Entwicklung einer Reihe von Medikamentenkandidaten geführt, die gezielt die Aktivität der TLRs beeinflussen.

Ursprünglich entdeckt wurden TLRs von der deutschen Forscherin Christiane Nüsslein-Volhard, Direktorin am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, in der Fruchtfliege Drosophila in den 90er Jahren. Unter anderem für diese Erkenntnisse erhielt Nüsslein-Volhard 1995 den Nobelpreis für Medizin – zusammen mit ihrem Kollegen Eric Wieschaus und und dem bereits verstorbenen Amerikaner Edward Lewis. Seitdem sind jedes Jahr neue TLR-Varianten in Menschen und Tieren entdeckt worden, sie finden sich sowohl bei Fischen und Reptilien, als auch bei einfacheren Organismen. Aus diesem Grund sind Forscher der Ansicht, dass es sich hierbei um ein evolutionär altes System handelt.

Möglicherweise haben die Pflanzenforscher nun mit BAK1 einen ähnlich bedeutenden Regulator in der Pflanzenwelt entdeckt. Wie die Tübinger Wissenschaftler in einer anderen Veröffentlichung in Current Biology (2007, Vol. 17, S. 1116-1122) gezeigt haben, laufen die beiden Signalwege in der Erregerabwehr und Pflanzenentwicklung, an denen BAK1 beteiligt ist, jedenfalls tatsächlich völlig getrennt voneinander ab.

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