EU-Netzwerk soll die Erforschung seltener Krankheiten bündeln

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Seltene Erkrankungen mit Millionen von Patienten - Das EU-Netzwerk E-RARE soll künftig die Forschung auf diesem Gebiet europaweit bündeln. Quelle: BMBF

03.05.2007  - 

In Europa leiden rund 30 Millionen Menschen an sogenannten seltenen Erkrankungen, davon allein vier Millionen in Deutschland. Eine Erkrankung gilt als selten, wenn weniger als vier von 10.000 Menschen unter einem spezifischen Krankheitsbild leiden. Für die Betroffenen ist die Lage oft doppelt beschwerlich: Es gibt kaum Medikamente, weil seltene Krankheiten für die Pharmafirmen aufgrund der niedrigen Patientenzahlen nicht lukrativ genug sind. Dies bedingt zudem, dass die Forschung in diesen Feldern oft nicht sehr weit ist, die Ursachen deshalb unbekannt und mitunter sogar eine Diagnose äußerst schwierig ist. All diesen Problemen wollen sich nun acht europäische Länder gemeinsam widmen und haben sich auf Initiaitve von Frankreich zum Netzwerk „E-RARE“ zusammengeschlossen. Hier sollen in den kommenden drei Jahren 12,8 Millionen Euro in die Erforschung von seltenen Krankheiten fließen.

Anders als der Name vermuten lässt, sind seltene Krankheiten insgesamt betrachtet gar nicht so selten: Von rund 30.000 diagnostizierbaren Erkrankungen gelten bis zu 7.000 als selten, darunter Muskelschwunderkrankungen (Muskeldystrophien), Missbildungen des Skeletts (Skelettdysplasien), Nervenerkrankungen (Leukodystrophien) oder Stoffwechselerkrankungen wie Mukoviszidose. Insgesamt sind somit Millionen von Menschen betroffen, aber an der speziellen Krankheit leiden nur wenige Patienten – mitunter nur zehn oder zwanzig Personen in ganz Deutschland. Die Ursachen von seltenen Erkankungen sind mehrheitlich genetisch bedingt, weshalb sie oft schon im Kindesalter auftreten. Eine Behandlung ist jedoch schwierig: So gibt es unter Ärzten nur wenige Spezialisten, große Defizite bei der Diagnostik und oft keine wirksamen Therapien. Manchmal wiederum existieren zwar Medikamente, aber sie sind offiziell nicht für die Behandlung der speziellen seltenen Erkrankunge zugelassen und müssen daher vom Patienten selbst bezahlt werden.

EMEA unterstützt Medikamentenzulassung für seltene Erkrankungen

Arzneimittel, die speziell für seltene Krankheiten eingesetzt werden, heißen im Fachjargon „Orphan Drugs“ und geniessen seit dem Jahr 2000 durch den Orphan Drug Status europaweit einige Vorteile bei ihrer Zulassung. Unternehmen, die solche Medikamente entwickeln, erforschen und auf den Markt bringen, werden von der europäischen Arzneimittelagentur EMEA beim Zulassungsprozess unterstützt. Da der potenielle Absatzmarkt für solche Produkte begrenzt ist, gibt es zahlreiche Vorteilen, wie die kostenlose Unterstützung bei der ansonsten kostenpflichtigen Erstellung von klinischen Prüfplänen oder eine Gebührenermäßigung bzw. –befreiung bei der Zulassung. Der Orphan Drug Status sichert dem Unternehmen zudem das exklusive Vermarktungsrecht innerhalb der Europäischen Union für die Dauer von bis zu zehn Jahren nach Erhalt der Zulassung.

Bildung von nationalen Netzwerken in Deutschland zeigt erste Erfolge

Um die Erforschung von seltenen Krankheiten auf nationaler Ebene voranzutreiben, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bereits im Jahr 2003 ein spezielles Programm initiiert. Bis zum Jahr 2008 stehen hierbei 30 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen zehn Forschungsnetzwerke mit 90 Teilprojekten zu den unterschiedlichsten Krankheitsbildern finanziell unterstützt werden. Ein Erfolg konnte auf diesem Wege bereits erreicht werden: So gelang es dem Netzwerk „Erbliche Bewegungsstörungen“ aufgrund seiner aufgebauten Infrastruktur die Schweizer Pharmafirma Santhera zu überzeugen, erste klinische Studien in Europa mit dem bereits bekannten Medikament Idebenon durchzuführen. Erst durch die Bildung des Netzwerks konnten in Deutschland genügend ausreichend charakterisierte Patienten für diese Studie gewonnen werden.

E-RARE soll die Forschung europaweit koordinieren

Das europäische Netzwerk E-RARE ergänzt nun die nationalen Anstrengungen zu seltenen Krankheiten, die es auch in anderen Ländern der Europäischen Union gibt. Seit 2003 werden hier bereits im Rahmen eines von der EU unterstützten ERA-NETs existierende Förderprogramme abgestimmt sowie am Aufbau einer gemeinsamen wissenschaftlichen Plattform gearbeitet. Neben Frankreich, Deutschland und Spanien sind inzwischen auch Belgien, die Niederlande, Israel, Italien und die Türkei dabei. In diesem Jahr wurde nun eine erste gemeinsame Ausschreibung veröffentlicht, bis zum 11. Mai können noch Bewerbungen eingereicht werden (Mehr Informationen hier). Finanziell sollen ingesamt 12,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, von denen der Hauptteil aus Deutschland, Italien und Spanien (jeweils 3 Millionen Euro) stammt. „Durch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus ganz Europa können seltene Erkrankungen künftig viel effektiver erforscht werden. Das ist die Grundlage für schnellere Diagnosen, wirksamere Therapien und bessere Versorgung für viele Patienten", sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan am 2. Mai auf einer Pressekonferenz in Berlin und Eva Luise Köhler, Gattin des Bundespräsidenten und Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Krankheiten (ACHSE), ergänzt: "Viele Patienten machen die Erfahrung, dass ihre seltene Erkrankung noch nicht richtig erforscht ist, es keine Medikamente gibt und es aufgrund der wenigen Menschen, die an dieser Krankheit leiden, nicht viel Hoffnung gibt, dass in naher Zukunft die Forschung helfen kann. Und genau hier ist die internationale Vernetzung so wichtig und kann Abhilfe schaffen."

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