Wochenrückblick KW 33

18.08.2014

Aktive Gene einer Spinne entschlüsselt

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Göttinger Forscher haben alle aktiven Gene der Gewächshausspinne Parasteatoda tepidariorum entschlüsselt. Quelle: Universität Göttingen

Bei der Gewächshausspinne sind mehr als doppelt so viele Gene aktiv wie beim Menschen. Das haben Göttinger Entwicklungsbiologen aufgedeckt.

Fünf Jahrzehnte dient die Fruchtfliege Drosophila melanogaster Forschern als Modellobjekt, um Gene und Mechanismen für die Organbildung von Tieren zu erkunden. Doch das kaum zwei Millimeter große Insekt hat Konkurrenz bekommen. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre hat sich die Gewächshausspinne Parasteatoda tepidariorum zu einem begehrten  Studienobjekt entwickelt. Und das nicht ohne Grund. Die Untersuchung zur Embryonalentwicklung der Gewächshausspinne  zeigte, dass – anders als bei der Fruchtfliege – dieser Prozess bei Spinnen dem der Menschen nicht nur sehr ähnlich ist,  sondern auch durch die gleichen Gene gesteuert wird.

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Mit Hilfe neuester Sequenziermethoden hat jetzt ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftlern des Göttinger Zentrums für Molekulare Biowissenschaften (GZMB) alle aktiv abgelesenen Gene der Gewächshausspinne entziffert. Dabei stellten sie fest, dass im Achtbeiner deutlich mehr Gene aktiv sind als beim Menschen, wie sie im Fachjournal PLOS ONE (2014; Online-Veröffentlichung) berichten. Das Team um den Entwicklungsbiologen Nico Posnien fand heraus, dass die Gewächshausspinne über 60.000 solcher Gene verfügt, während im Leben eines Menschen nur etwa 25.000 Gene aktiv sind. Warum die Spinne mehr als doppelt so viele Gene besitzt, ist noch unklar. „Wir vermuten, dass im Lauf der Evolution das Erbgut der Spinne verdoppelt wurde. Mit diesem zusätzlichen Genmaterial könnten neue Eigenschaften, wie zum Beispiel die Herstellung von Spinnseide zum Netzbau oder die Produktion von Giften zum Töten der Beute entwickelt worden sein“, so Posnien. Auge, Gehirn, Gliedmaßen der Gewächshausspinne wurden von Forschern bereits untersucht und geben Antworten auf Fragen nach den Gemeinsamkeiten der Organentwicklung bei Tier und Mensch. Die jetzige Entdeckung der zahlreichen spinnen-spezifischen Gene lässt die Forscher hoffen. Dies sei möglicherweise bedeutsam, um aus molekularer Sicht zu verstehen, wie Spinnengifte und Spinnenseide gebildet werden. "Erkenntnisse darüber können wiederum für industrielle und medizinische Zwecke eingesetzt werden“, sagt Posnien. Die Forscher sind zuversichtlich, weitere wichtige Antworten zu finden, sobald das komplette Genom von Parasteatoda tepidariorum entschlüsselt ist.

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Rezeptor in Zellen ist Teil der Immunabwehr

Der enge Kontakt zwischen Erreger und Abwehrzelle ermöglicht das Eindringen von Pigmenten wie Phthiocol in die Wirtszelle. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Der enge Kontakt zwischen Erreger und Abwehrzelle ermöglicht das Eindringen von Pigmenten wie Phthiocol in die Wirtszelle. Quelle: MPI für Infektionsbiologie / Volker Brinkmann

Berliner Max-Planck-Forscher haben entdeckt, dass ein in Zellen vorkommender Rezeptor Spuren von Krankheitserregern erkennt und deren Zerstörung einleitet.

Der Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor – auch Ah-Rezeptor genannt – war lange Zeit nur als Andockstelle für Umweltgifte wie das Dioxin TCDD bekannt. Doch das Protein, das im Cytosol und Zellkern vorkommt, kann mehr. Forscher vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin fanden heraus: der Ah-Rezeptor spielt auch für das Immunsystem eine wichtige Rolle. Er bindet auch an bakterielle Virulenzfaktoren im Körper, wie die Wissenschaftler im Fachjournal Nature (2014, Online-Vorabveröffentlichung) berichten. Die Folge: Dadurch wird die angeborene Immunantwort aktiviert und die Faktoren werden sofort abgebaut.

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Diese Erkenntnis ist überraschend. Bislang galt es unter Immunbiologen als unwahrscheinlich, dass das Immunsystem bakterielle Virulenzfaktoren unmittelbar zerstört. Fest stand allerdings: Unterschiedlichste Organismen von Fadenwürmern über Insekten bis hin zum Menschen verfügen über den Ah-Rezeptor. Die Wissenschaftler um den Berliner Infektionsbiologen Stefan Kaufmann waren daher überzeugt, dass der Rezeptor nicht nur existiert, um Umweltgifte zu erkennen, sondern auch um sich gegen Infektionen zu verteidigen. Sie suchten daher nach bakteriellen Molekülen, die ähnlich aufgebaut sind wie bereits bekannte Bindungspartner des Aryl-Hydrocarbon-Rezeptors. Unter den sogenannten Pigmentstoffen der Bakterien, welche zwar die Erreger schützen, den Körper aber schädigen, wurde das Team fündig.  Erste Ergebnisse mit mathematischen Modellen ließen die Vermutung bereits zu, dass ein Immunsystem ohne den Ah-Rezeptor den Krankheitserreger zu spät erkennt. Bestätigung fanden sie schließlich in den Experimenten mit Mäusen. „Für den Erreger sind die bakteriellen Virulenzfaktoren Segen und Fluch zugleich: Sie ermöglichen einerseits die Infektion des Wirtsorganismus, andererseits helfen sie dem Wirt, den Erreger aufzuspüren“, sagt Kaufmann. Das Besondere ist, dass der Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor die bakteriellen Pigmente direkt bindet und daraufhin selbst im Zellkern die Expression zahlreicher Gene für den Abbau der Virulenzfaktoren anschaltet. Dafür wandert der Rezeptor von der Außenseite in das Innere des Zellkerns, wo er sich an die DNA anlagert. Der Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor hat damit eine Doppelrolle. Er ist Rezeptor und Transkriptionsfaktor in einem und kann deshalb extrem schnell auf eine Infektion reagieren. Andere Rezeptoren des Immunsystems sind dagegen meist auf Helferproteine angewiesen, damit Informationen über Krankheitserreger den Zellkern erreichen. Im nächsten Schritt wollen die MPI-Forscher ergründen, mit welchen anderen Transkriptionsfaktoren der Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor noch zusammenarbeitet und welche Enzyme konkret für den Abbau der bakteriellen Virulenzfaktoren verantwortlich sind.

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Gentherapie: Uniqure übernimmt Inocard

Inocard und Uniqure werden zukünftig gemeinsam Gentherapien zur Behandlung der Herzinsuffizienz entwickeln. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Inocard und Uniqure werden zukünftig gemeinsam Gentherapien zur Behandlung der Herzinsuffizienz entwickeln. Quelle: Uniqure

Der Amsterdamer Gentherapie-Spezialist Uniqure übernimmt die Start-up-Firma Inocard aus Heidelberg.

Uniqure zahlt je 1,5 Millionen Euro in bar und Aktien und übernimmt dafür die Inocard GmbH in Heidelberg vollständig. Im Erfolgsfall winken den ehemaligen Inocard-Eignern jedoch zusätzliche Prämien und Umsatzbeteiligungen. Inocard entwickelt eine Gentherapie zur Behandlung der Herzinsuffizienz, mit der die Expression des Kalzium-bindenden Proteins S100A1 gesteigert werden soll. Es hat sich im Tierversuch gezeigt, dass die Substanz eine Schlüsselrolle bei der Regulation der Herzmuskelaktivität spielt. So konnte die Gabe von S100A1 das Kontraktionsvermögen der Herzmuskelzellen steigern und den Herzrhythmus stabilisieren. Zudem scheint das Protein das Wachstum der Herzmuskelzellen zu regulieren und auch die Energieversorgung der Herzmuskelzellen zu beeinflussen. Wurden Schweine, die an Herzinsuffizienz litten, mit der Gentherapie AAV-S100A1 behandelt, so lag die Überlebensrate nach zwölf Monaten noch bei 90 Prozent.

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„Es gibt starke wissenschaftliche Hinweise, dass die Behandlung der Kalzium-Fehlregulation bei Herzinsuffizienz zu erstaunlichen Effekten führen kann“, fasst Uniqure-Chef Jörn Aldag zusammen. Gemeinsam könnten Inocard und Uniqure nun eine Best-in-Class-Behandlung für dieses Leiden entwickeln. Erst Anfang Juli hatte sich der Amsterdamer Gentherapie-Spezialist einen neuen Kredit über 10 Millionen Euro von der Hercules Technology Growth Capital Inc. besorgt. Schon damals hatte Aldag angekündigt, Uniqure mit Hilfe des Geldes den Zugang zu aussichtsreichen Programmen in der frühen Entwicklungsphase sichern zu wollen. Die Übernahme von Inocard ist offenbar das erste Ergebnis dieser Strategie. Das Heidelberger Start-up wurde von Patrick Most und Hugo Katus gegründet. Sie bleiben auch nach der Übernahme an Bord. Mit dem gemeinsamen Start-up Inocard gewannen die beiden Mediziner im Oktober 2013 den Business-Plan-Wettbewerb der Health Axis Europe (HAE), der vom BioRN Spitzencluster in Heidelberg ausgerichtet wurde. Uniqure hat sich auf die Entwicklung von gentherapeutischen Arzneien spezialisiert. Das Amsterdamer Biotech-Unternehmen brachte mit Glybera die erste Gentherapie überhaupt bis zur Zulassung. Das Mittel darf seit Oktober 2012 in Europa zur Behandlung einer bestimmten Form der Lipoproteinlipase-Defizienz (LPLD) , einer Fettstoffwechselkrankheit, eingesetzt werden.

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Arzneifälschungen so häufig wie nie

Gefälschte Arzneimittel sind heute nur noch schwer von den Originalen zu unterscheiden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Gefälschte Arzneimittel sind heute nur noch schwer von den Originalen zu unterscheiden. Quelle: Daniel Fuhr -fotolia / ©SL

In Deutschland gelangen nach Aussagen des Zollkriminalamts (ZKA) zunehmend gefälschte Arzneimittel auf den Markt.

Das Problem Arzneimittelfälschung ist nicht neu. Die neuen Zahlen allerdings sind alarmierend. So hat sich allein die Anzahl der Verfahren wegen Schmuggels von Medikamenten seit 2008 von 407 auf zuletzt 1.854 mehr als vervierfacht. Beim illegalen Handel mit Medikamenten dominieren vor allem Krebs- und Antibiotikapräparate. Während die Medikamente zunächst plump gefälscht wurden – viele enthielten Pulver statt Flüssigkeit – nimmt die Qualität inzwischen zu. „Über das Internet werden nicht nur Anleitungen, sondern auch Qualitätsmerkmale der Originalpräparate ausgetauscht“, sagte ein Sprecher des Zollkriminalamtes gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit. Es habe sich ein „Täternetzwerk mit alarmierendem Ausmaß“ entwickelt, in dem auch die organisierte Kriminalität mitmische.

So schützen Sie sich vor gefälschten Arzneimitteln!

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Allein im Jahr 2013 wurden nach Angaben der Zollverwaltung Medikamentenplagiate im Wert von 1,12 Millionen Euro beschlagnahmt. Viele der Fälschungen stammen danach aus China und kommen per Luftfracht oder über den Seeweg nach Deutschland. Allein am Frankfurter Flughafen wurden 11.529 Sendungen mit über einer Million gefälschter Pillen oder Ampullen sichergestellt. Ein weiteres Problem: Die Fälschungen sind indes von den Originalen nur noch schwer zu unterscheiden. Damit gefälschte Produkte nicht in den Handel gelangen sollen bis 2018 – so der Plan der Bundesregierung – alle Apotheken mit einem neuen Sicherheitssystem arbeiten. Mit Hilfe einer speziellen Codierung könnten Plagiate schneller enttarnt werden.

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