Wochenrückblick KW 07

17.02.2014

Vielfalt der Fresszellen größer als gedacht

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Immunologen haben bewiesen, dass Makrophagen auf mehr Reize reagieren, als bisher angenommen. Quelle: Jia Xue/Uni Bonn

Anhand von molekularen Fingerabdrücken haben Bonner Immunologen eine verblüffende Vielfalt bei den als Fresszellen fungierenden Makrophagen aufgedeckt.

Bisher hatten Immunbiologen die Makrophagen bloß in zwei Gruppen eingeteilt: in „klassische“,  die entzündliche Prozesse anregen und in „alternative“, welche die Entzündungen lindern können. Doch die Fresszellen, die durch unseren Körper streifen und Eindringlinge beseitigen, existieren in deutlich mehr Ausprägungen. „Viele Makrophagen passen nicht in dieses Schema. Vielmehr steht dieses einfache Konzept innovativen Therapieansätzen im Weg“, sagt Joachim Schultze vom Life & Medical Sciences (LIMES) Institut der Universität Bonn. Gemeinsam mit Forschern vom Universitätsklinikum Bonn sowie Worcester und Edinburgh fand der Immunologe heraus: Makrophagen reagieren auf viele verschiedene Reize, zum Beispiel Botenstoffe, die sie wie ein Computer auf höchst komplexe Weise verarbeiten. Wie das Team im Fachjournal Immunity (2014, Online-Vorabveröffentlichung) berichtet, wurden mindestens neun verschiedene Formen gefunden, die auf verschiedene Art mit ihren Waffen Eindringlinge optimal bekämpfen.

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Für ihre Untersuchungen nutzten die LIMES- Wissenschaftler Blutproben verschiedener Menschen, um aus den darin enthaltenen Vorläuferzellen mit Hilfe verschiedener Wachstumsfaktoren möglichst unterschiedliche Makrophagen zu gewinnen. „Mit aufwendigen bioinformatischen Analysen gewannen wir für jeden Makrophagen eine Art Fingerabdruck, der uns zeigte, welche Gene in der Zelle gerade aktiv waren“, berichtet Schultze. Anhand dieses genetischen Fingerabdrucks konnten die Wissenschaftler dann Rückschlüsse ziehen, welche Kombination von Reizen ursächlich dafür war, in welche Richtung sich der Makrophage entwickelte. „Wir müssen uns von der einfachen Einteilung der Makrophagen verabschieden und sie in den jeweiligen Zusammenhängen mit Erkrankungen genauer untersuchen“, sagt Schultze.  Denn der genetischen Fingerabdruck liefert Informationen über die Aktivierung der Fresszellen und damit über klassische Immunreaktionen. Schultze und sein Kollegen sind überzeugt, dass ihre Entdeckung vollkommen neue Therapiekonzepte eröffnen kann. Denn Makrophagen spielen bei vielen Volkskrankheiten wie Arteriosklerose, Fettleibigkeit, Diabetes, Asthma, Alzheimer und Krebs eine entscheidende Rolle.

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Kosmetik aus der Zellfabrik

L’Oréal will zukünftig mehr biotechnische Inhaltsstoffe in seinen Kosmetikprodukten verwenden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
L’Oréal will zukünftig mehr biotechnische Inhaltsstoffe in seinen Kosmetikprodukten verwenden. Quelle: Thomas Meinert / pixelio.de

Der Kosmetik-Konzern L’Oréal wird zukünftig mit dem Schweizer Biotech-Unternehmen Evolva zusammenarbeiten, um mehr biotechnische Inhaltsstoffe in seinen Produkten zu verwenden.

Um welche Substanz genau es sich handelt ist noch unklar. Die Unternehmen teilten lediglich mit,  mithilfe der Synthetischen Biologie Hefen so auszustatten, einen „strategisch wichtigen kosmetischen Inhaltsstoff“ zu produzieren. Laut Luc Aguilar, Global Head of L’Oréal Biotechnologies, könnte die „Biotechnologie-Plattform für Hefeentwicklung, -optimierung und -fermentation zur Entwicklung neuer kosmetischer Inhaltsstoffe führen, die für unsere Kunden einen echten Durchbruch darstellen“.

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Evolva nutzt dabei die hauseigene auf Fermentation basierende Technologieplattform, um Hefestämme mit neuartigen biosynthetischen Stoffwechselwegen auszustatten. Dafür zahlt L’Oréal bis 2016 Forschungsgebühren an die Schweizer. Hinzu kommen erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen. Analysten beurteilten die neue Forschungskooperation positiv. Derartige Geschäfte würden das Angebot von Evolva im Bereich neuartiger, auf Mikroorganismen basierender Fertigung außerhalb der Medikamentenindustrie unterstreichen, betonte Andrew Weiss, Aktienanalyst von Vontobel Research. Darüber hinaus sichere sich Evolva durch die Zusammenarbeit mit L'Oréal eine starke Position in der Kosmetikbranche. Evolva kooperiert unter anderem bereits mit dem US-Unternehmen Cargill für die biotechnische Herstellung von Steviol und mit International Flavors & Fragrances Inc. (IFF) zur Produktion von Vanillin in Hefen.

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Ganymed-Krebsantikörper erreicht klinische Phase

Der Pharmakonzern Ganymed hat mit seinem Krebsantikörper-Produkt  IMAB027 klinische Phase erreicht. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Der Pharmakonzern Ganymed hat mit seinem Krebsantikörper-Produkt IMAB027 klinische Phase erreicht. Quelle: Juan Gärtner -Fotolia / ©SL

Bei der Mainzer Ganymed Pharmaceuticals AG hat mit IMAB027 ein zweites Antikörper-Projekt die klinische Phase I/II erreicht.

Das Pharmaunternehmen hat die Krebsantikörper auf der hauseigenen Ideal-Monoclonal-Antibody-Plattform (IMAB) entwickelt. In Studienzentren in Deutschland, Belgien, der Ukraine und Russland sollen nun 72 Frauen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs damit behandelt werden. In der als Phase I/II konzipierten Ovar-Studie bestimmt Ganymed zunächst die Sicherheit, Verträglichkeit und optimale therapeutische Dosis. Nach Auswertung des ersten Studienteils durch eine unabhängige Kommission, soll anschließend die Wirksamkeit von IMAB027 getestet werden. Im Jahr 2016 könnte die Studie abgeschlossen sein. „Frauen mit Ovarialkrebs haben nur wenige Therapieoptionen“, betont Ganymed-Chefin Özlem Türeci. Durch seine hohe Tumorzellselektivität soll der IMAB-Antikörper das nun ändern.

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IMAB027 ist gegen das Antigen Claudin-6 gerichtet, welches in zahlreichen soliden Tumoren gebildet wird, aber in gesunden Geweben nicht nachweisbar ist.  Dies soll laut Ganymed das Auftreten von Nebenwirkungen verhindern. Bereits Mitte 2010 hatte Ganymed eine erste klinische Studie mit dem bisher am weitesten fortgeschrittenen Entwicklungsprogramm IMAB362 abgeschlossen. Inzwischen wird der gegen das Tight-Junction-Protein Claudin 18.2 gerichtete Antikörper in einer Phase II-Studie zur Therapie von gastro-ösophagealen Tumoren erprobt. Erst im vergangenen November hatte Ganymed eine Finanzierungsrunde über 45 Millionen Euro abgeschlossen. Insgesamt hat das Mainzer Unternehmen damit in den vergangenen fünf Jahren mehr als 100 Millionen Euro eingeworben.

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Weltatlas der genetischen Vermischung vorgelegt

Die Entwicklung der DNA des Menschen wurde von historische Ereignisse beeinflöusst, wie Forscher nun nachwiesen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Entwicklung der DNA des Menschen wurde von historische Ereignisse beeinflöusst, wie Forscher nun nachwiesen. Quelle: Spectral-Design -fotolia / ©SL

Evolutionsforscher haben die bisher detaillierteste Weltkarte der genetischen Geschichte des Menschen erstellt.

Sie zeichnet nach, wie sich 95 Populationen aus verschiedenen Erdteilen genetisch vermischt haben. Ganz gleich woher ein Elternteil stammt, ob aus Asien, Europa oder Amerika: die Gene von Mutter und Vater spiegeln sich im Erbgut des leiblichen Kindes wider. Stücke dieser DNA werden dann von Sohn oder Tochter an deren Kinder weiter vererbt.  Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der Oxford University und dem University College London hat nun erstmals eine interaktive Weltkarte (mehr...) erstellt, welche die genetische Geschichte verschiedener Völker der über 4.000 Jahre hinweg darstellt. Um die genetische Vermischung nachzuvollziehen, haben die Wissenschaftler komplexe statistische Methoden zur Analyse der DNA von 1.490 Menschen aus 95 Populationen aus Europa, Afrika, Asien und Südamerika entwickelt. Ihre Genomdaten verwendeten sie, um sogenannte DNA-Blöcke zu identifizieren, die Menschen unterschiedlicher Populationen gemein haben. Die Weltkarte veranschaulicht somit auch, welche Auswirkungen historische Ereignisse auf die genetische Entwicklung des Menschen haben.

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„DNA hat die Macht, gelebte Geschichte zu erzählen und Details aus der Vergangenheit der Menschheit ans Licht zu bringen”, sagt Simon Myers, der an der Oxford University und dem Wellcome Trust Centre for Human Genetics forscht. Ob europäischer Kolonialismus, arabischer Sklavenhandel, mongolisches Reich oder die Begegnungen von Händlern aus China abseits der Seidenstraße: Viele genetische Beobachtungen der Forscher stimmten mit den historischen Ereignissen überein. Die in der Fachzeitschrift Science (2014,Bd. 343, S.747) erschienene Studie ist die erste, welche die genetische Vermischung von Menschen verschiedener Volksstämme sowohl identifiziert,  als auch datiert und charakterisiert. „Die DNA der heute in China lebenden Tu zeigt beispielsweise, dass sich um das Jahr 1200 Europäer griechischer Herkunft mit der damals dort lebenden chinesischen Bevölkerung vermischt haben. Es scheint plausibel, dass der Anteil europäischer DNA von Händlern stammt, die damals die Seidenstraße bereisten“, sagt  Simon Myers. Im Rahmen der Studie konnten die Forscher auch klare Hinweise dafür finden, dass die in Pakistan lebenden Hazara teilweise von mongolischen Kriegern abstammen. Ähnliche Hinweise auf eine genetische Vermischung mit Mongolen wurden bei Populationen im Westen der Türkei gefunden. „Jede Population hat ihre eigene genetische Palette, sagt Daniel Falush vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Obwohl die Forscher jenen Gruppen, die sich vor tausenden von Jahren bereits vermischt haben, keine DNA-Proben entnehmen können, so konnten sie dennoch einen Teil ihres Erbguts innerhalb der Mixpalette heute lebender Bevölkerungsgruppen nachweisen. Diese Studie könnte zukünftig auch wertvolle Informationen dazu liefern, wie sich die Zusammensetzung der DNA in verschiedenen Populationen auf Gesundheit und Krankheit auswirkt.

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