Defekte Zellkraftwerke lassen Nachwuchs schneller altern
22.08.2013 -
Ob das Baby den Mund von Mama oder eher von Papa hat, ist meist Ansichtssache. Wenn der Nachwuchs allerdings schneller altert, dann sind vor allem bestimmte Gene der Mutter daran schuld. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt ein internationales Forscherteam. Die Alternsforscher gingen der Frage nach, ob sich Mutationen in der DNA der Zellkraftwerke, den Mitochondrien, negativ auf die Nachkommenschaft auswirken. Bei Säugetieren stammen alle Mitochondrien eines Kindes von der Mutter ab. Die in Nature (2013, Online-Vorabveröffentlichung) vorgestellten Ergebnisse von Mausversuchen bestätigen nun den Verdacht: Erben die Kinder beschädigte mitochondriale DNA, sind sie weniger fruchtbar als Tiere mit intakten Mitochondrien-Genen. Außerdem sterben sie früher.
„Die Mitochondrien-DNA (mtDNA) ändert sich stärker als die DNA im Zellkern, und dies hat einen erheblichen Einfluss auf den Alterungsprozess“, sagt Nils-Göran Larsson, Direktor am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln. Die mitochondriale DNA ist das wissenschaftliche Steckenpferd des gebürtigen Schweden. Gemeinsam mit Kollegen vom Karolinska Institut in Stockholm und vom Case Western Reserve Medical Center in Cleveland hat er in Versuchen mit Mäusen nun einen zuvor unbekannten Einfluss der mtDNA über mehrere Generationen hinweg nachgewiesen. „Überraschenderweise konnten wir auch zeigen, dass die mitochondriale DNA unserer Mutter unser eigenes Altern zu beeinflussen scheint“, ergänzt Larsson. Die Forscher betonen allerdings, dass der Effekt der vererbten mtDNA-Schäden relativ gering ist. Wenn es ums Altern geht, dann haben im Laufe des eigenen Lebens gesammelte Defekte in mtDNA und vor allem auch im Kerngenom der Zellen einen weitaus größeren Einfluss.
Mehr auf biotechno0logie.de |
News: Entspannte Zellen durch Astrin News: iPS-Zellen: Zellkraftwerke von Mutationen besonders betroffen |
Gesunde Eltern, gesunde Kinder?
Der Alterungsprozess ist ganz allgemein durch eine Ansammlung verschiedener Zellschäden charakterisiert. Die strapazierte DNA der Mitochondrien ist besonders anfällig für Mutationen. Damit die Mutter ihren Kindern keine baufälligen Zellkraftwerke vererbt, gibt es eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen. Diese gewährleisten eine fortlaufende Reparatur der mtDNA. Jedoch hat nicht jedes der etwa hundert Mitochondrien der Eizelle eine makellose mitochondriale DNA. Die Forscher wollen daher bei Mäusen und Fruchtfliegen in Zukunft untersuchen, ob eine Eizelle mit überdurchschnittlich vielen gesunden Kraftwerken auch zu einer Verlangsamung des Alterungsprozesses dieses Organismus führen kann. „Sowohl über die Ernährung als auch über verschiedene Medikamente kann die Mitochondrien-Qualität beeinflusst werden. Besonders Antioxidantien wird nachgesagt, die Zahl der Mutationen in der mtDNA niedrig zu halten“, erläutert Barry Hoffer, Mitautor der Studie und Professor am Case Western Reserve Medical Center. Hoffers Hypothese: Nehmen die Eltern viele antioxidativ wirkende Substanzen auf, leben die Kinder länger.
Was extrachromosomale DNA ist, erklärt Jan Wolkenhauer in der 94. Folge der Kreidezeit.Quelle: biotechnologie.tvZufällige Hirnmissbildungen
In dem am 21. August erschienen Nature-Artikel berichten die Biologen nicht nur über Alterungsprozesse. Bei den Versuchen fiel ihnen noch etwas anderes auf: Muttertiere mit stark mutierter Mitochondrien-DNA brachten oft Kinder mit Gehirndefekten zur Welt. Dieses Phänomen tritt allerdings zufällig auf. Die Biologen erklären es daher mit einem Mechanismus namens Heteroplasmie: Eine Eizelle enthält hunderte von Mitochondrien mit jeweils anderer mtDNA-Qualität. Der Nachwuchs bekommt somit unterschiedlich stark reparierte Kraftwerke von der Mutter vererbt. Das Verhältnis von mutierter zu intakter mtDNA ist entscheidend für die phänotypische Ausprägung einer bedrohlichen Mutation. Bei den Trägern einer über die mtDNA vererbten Augenkrankheit (Lebersche Optikusatrophie) tritt das Leiden zum Beispiel nur bei etwa einem Drittel auf. Damit nun die Mäuse einen solchen Gehirndefekt entwickeln, müssen mehrer Faktoren zusammenspielen. Zum einen muss ein defektes Mitochondrium bei der Entwicklung von der befruchteten Eizelle zum kompletten Organismus auf jene Zellen verteilt worden sein, aus denen sich das Gehirn entwickelt. Zum anderen müssen in der DNA dieser Mitochondrien noch neue Mutationen auftreten.
Egal ob Alterung oder Hirndefekte – alle Ergebnisse zusammengenommen zeigen eindrucksvoll, dass Defekte in den Mitochondrien die Gesundheit auch der Nachkommen beeinträchtigen können. Obwohl nur Mäuse für die Versuche Pate standen, sind die Ergebnisse den Forschern zufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf den Menschen übertragbar.
© biotechnologie.de/ml