Transplantation: Mit Zelltherapie die Abstoßung verhindern

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Mit großer Sorgfalt werden im Labor der Firma T-cell Europe bestimmte Immunzellen vermehrt, die das Immunsystem von Organempfängern vor Abstoßungsreaktionen bewahren sollen. Quelle: t-cell Europe GmbH

04.01.2013  - 

Eine Organtransplantation ist nicht nur chirurgisch ein schwerwiegender Eingriff. Das Immunsystem der Patienten muss fortan mit Medikamenten abgedämpft werden, damit das Ersatz-Organ nicht abgestoßen wird. Oft hat diese Therapie mit Immunsuppressiva schwere Nebenwirkungen. Das Potsdamer Start-Up „T-cell Europe“ ist dabei, eine schonendere Alternative zu entwickeln. Mithilfe einer Zelltherapie wollen die Mediziner das Immunsystem umerziehen und so Abstoßungsreaktionen gegen das neue Organ verhindern. Für seine Immuntherapie  setzt das Unternehmen, eine Ausgründung des vom Bundesforschungsministerium geförderten Berlin-Brandenburg Center für Regenerative Therapien (BCRT), auf sogenannte T-Zellen. 

Der medizinische Bedarf für eine Therapie ist laut Geschäftsführerin von T-cell Europe, Claudia Ulbrich, hoch: „Bis jetzt führen die rund 30.000 Nierentransplantationen in Europa und den USA regelmäßig zu Abstoßungsreaktionen, die nur mit Immunsuppression zu kontrollieren sind.” Die seit Mai mit einer Erstrundenfinanzierung von knapp 1,5 Millionen Euro ausgestattete Firma hat anderes vor. Das von Hans-Dieter Volk, Direktor des Instituts für medizinische Immunologie an der Berliner Charité  und der Nierenspezialistin Petra Reinke aus dem Berlin-Brandenburg Center für Regenerative Therapien (BCRT) ausgegründete Unternehmen will das Immunsystem umerziehen, fachsprachlich: Immuntoleranz induzieren.

Mittel zum Zweck sind dabei im Labor vermehrte Immunzellen, die natürlichen regulatorischen T-Lymphozyten (kurz: nTregs). Nach Transplantation einer Spenderniere dämpfen die Tregs laut Ulbrich überschießende Immunreaktionen. „Unsere weltweit einzigartige Zelltherapie soll eine Organabstoßung vermeiden und den Bedarf an Immunsuppressiva signifikant reduzieren. Um das zu zeigen, halten sich Volk, Reinke und die Firmenchefin an einen strikten Zeitplan. Ulbrich: „Im nächsten Jahr wollen wir klinische Prüfungen beginnen. Mit den Ergebnissen, die bis 2016 vorliegen sollen, werden wir die 5,5 Millionen Euro akquirieren, die wir bis zum Konzeptbeweis benötigen, also bis zur Auslizenzierung an einen Pharmapartner.“

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Zelltherapie mit T-regs 

Zwei wesentliche Meilensteine hat das Unternehmen bereits erreicht. Es hat ein Verfahren exklusiv einlizenziert, das binnen zwei bis drei Wochen die GMP-gerechte Vermehrung funktionaler Tregs aus Patientenblut gestattet. Zudem wurde laut Volk ein Ratten-Transplantationsmodell etabliert, das die Immunreaktion im Menschen angemessen nachstellt. „Vor der Transplantation injizieren wir den Tieren T-Gedächtniszellen gegen Donor-Antigene. In solchen Tieren, die Immunsuppressiva erhielten, konnten wir sehen, dass die Tregs tatsächlich Immuntoleranz induzieren”, so Volk. Auch weitere präklinische Daten, die im November 2012 dem Paul-Ehrlich-Institut vorgelegt wurden, stimmen die Forscher optimistisch. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Tregs in das Transplantat einwandern und dort die Aktivierung auf körperfremde Zellen gerichtete T-Gedächtniszellen sowie die Bildung von Antikörpern gegen körperfremde Strukturen unterdrücken können“, sagt Reinke. Der Der Ansatz werde in zwei klinischen Studien am Menschen überprüft. Im Rahmen des EU-Konsortiums „One Study“ werden von nächstem August an je 16 Empfänger von Nieren aus Lebendspendern in Oxford, Berlin und Regensburg die Tregs ohne Immunsuppression erhalten. In einer von T-cell Europe initiierten Studie werden 16 Patienten unter Immunsuppression Organe von Totspendern transplantiert. Nachdem wir Tregs aus dem Blut isoliert, im Labor vermehrt und drei Wochen nach Transplantation verabreicht haben, werden wir sehen, ob sich die präklinischen Resultate auf die Patienten übertragen lassen“, sagt Reinke.  Die Ergebnisse beider Studien sollen nach 2016 vorliegen.

T-cell Europe

Die t-cell Europe GmbH ist ein Spin-off des Berlin-Brandenburg Centers für Regenerative Therapien.

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Großes Marktpotenzial

Allein in der ersten Indikation ist das Marktpotenzial groß. Denn die Immunsuppression und daraus resultierende Folgeerkrankungen summieren sich auf Kosten von 30.000 Euro pro Jahr und Patient. „Wir sind nicht so blauäugig zu glauben, dass die T-Zelltherapie die Immunsuppression vollständig ersetzen kann“, erklärt Volk. „Aber wenn es uns gelingt, die Menge der benötigten Immunsuppressiva nur um die Hälfte zu reduzieren, amortisieren sich die Kosten für unsere Therapie in nur zwei Jahren.“ Das Marktpotenzial schätzt Ulbrich auf mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr. Diskussion mit den Kostenträgern über die Erstattung seien bereits aufgenommen. Doch will sich die Firma laut Ulbrich nicht nur auf eine Indikation beschränken. „Neben unserem Leadprodukt wollen wir auch T-Zelltherapien entwickeln, um die Komplikation der Graft-versus-Host-Reaktion und Autoimmunkrankheiten zu behandeln.“ Zudem sollen T-Effektor-Zelltherapien zur Behandlung von Virusinfektionen entwickelt werden. 

© biotechnologie.de/tg

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