Pilze steigen in Erdöl-Förderung ein

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Ein Tausendsassa: Der Gemeine Spaltblättling verursacht Weißfäule, verleiht Geigen einen umwerfenden Klang und verbessert die Erdölförderung. Quelle: Wikicommons/Lebrac

20.11.2012  - 

Ein Pilz könnte die Ausbeutung von Erdölfeldern deutlich verbessern und ein Stück ökologischer machen. Eine Forschungskooperation des Instituts für Mikrobiologie der Universität Jena und der BASF machte die Produktion einer Art Dickemittel namens Schizophyllan des Gemeinen Spaltblättlings praxistauglich. Das Pilz-Molekül soll nun in einem stillgelegten Erdölfeld von Deutschlands größtem Öl- und Gasproduzenten Wintershall zeigen, wie sehr es die Förderung verbessern kann. Der Versuch soll drei Jahre andauern. 

Zuletzt entzückte der unscheinbare Holzpilz die Ohren einiger Musikliebhaber. Mit seinen Enzymen setzt der Holz-Gourmet den Zellwänden von Fichten zu und verringert deren Dichte. Das macht den Naturstoff Holz leichter und verleiht ihm einen magischen Klang, der stark an den der berühmten Stradivari-Geigen erinnert (mehr...). Der Gemeine Spaltblättling Schizophyllum commune ist ein Holzpilz. Neben totem Holz befällt er aber auch vitale Bäume, weshalb er oft für Waldschäden verantwortlich gemacht wird. Eine besondere Eigenschaft: Der Pilz ernährt sich vom Lignin der Pflanzenzellen, das für die Verholzung der Gewächse wichtig ist.

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Pilzschleim als Wasser-Dickungsmittel

Eine andere Eigenschaft macht den Ligninvertilger nun bei der Energieversorgung interessant. Er sondert Schleim mit faszinierenden Eigenschaften ab: „Der Schleim kann so eingestellt werden, dass er Wasser die gleiche Viskosität wie Erdöl verleiht“, fasst Erika Kothe (mehr...) vom Institut für Mikrobiologie der Universität Jena die Vorzüge des Ligninfressers zusammen. In den Absonderungen befindet sich Schizophyllan. Das Zuckermolekül namens Glucan - ein Exopolysaccharid - hat die Eigenschaft, Wasser dickflüssig zu machen und ist außerdem biologisch abbaubar. Zudem hält das Pilz-Produkt hohen Temperaturen stand und ist unempfindlich gegenüber Salz.  Mit diesen Eigenschaften ist die Substanz prädestiniert für die Erdölförderung. Sinkt die Füllhöhe einer Öl-Lagerstätte auf ein gewisses Niveau, muss Flüssigkeit hineingepresst werden, um das Restöl heraufzubefördern. Normales Wasser ist ungeeignet,  das Öl vor sich her zu schieben. Um das Öl tatsächlich herauszubefördern, werden Zusatzstoffe benötigt. Momentan nutzt die Ölindustrie Wasserdampf und Tenside, um das Erdöl vom Gestein abzulösen und es besser mit dem Energieträger zu verbinden. Nur 30 Prozent des Rohstoffs kann so aus den Lagerstätten gewonnen werden. Deutschlands größter Öl- und Gasproduzent Wintershall schätzt, dass das Glucan eine Ausbeute von 45 Prozent ermöglichen könnte.

Brachte dem Holzpilz zur Erdölförderung: Biologin Erika Kothe arbeitet bereits seit 23 Jahren mit dem Gemeinen Spaltblättling Schizophyllum commune.Lightbox-Link
Brachte dem Holzpilz zur Erdölförderung: Biologin Erika Kothe arbeitet bereits seit 23 Jahren mit dem Gemeinen Spaltblättling Schizophyllum commune.Quelle: Jan-Peter Kasper/FSU

Um die wirtschaftliche Produktion des Pilzproduktes zu erhöhen, arbeitete das Forscherteam um Kothe mit der BASF und deren Tochterunternehmen Wintershall daran, die Schleimproduktion des Pilzes anzukurbeln. Die Wissenschaftler charakterisierten dafür unterschiedlichste Stämme des Spaltblättlings und entwickelten auf diese Weise hocheffiziente Produktionsstämme. „Das Glucan kann in großem Maßstab im Fermenter effizient hergestellt werden“, sagt Kothe. Die Biologin beschäftigt sich seit 23 Jahren mit dem Pilz.

Wintershall startet Testprojekt in Niedersachsen

Nun soll der Pilz zeigen, ob er auch einem industriellen Einsatz gewachsen ist. In Niedersachsen will Wintershall noch in diesem Jahr in einem ersten großen Test das abbaubare Produkt auf seine Tauglichkeit prüfen. Das Schizophyllan soll als Wassergemisch in das eigentlich erschöpfte Erdölfeld Bockstedt im Landkreis Diepholz gepumpt werden. Drei Jahre lang wird getestet, ob sich das Pilz-Produkt bewährt. Dabei muss das Glucan mit antibakteriellen Substanzen versehen werden, damit es nicht vorzeitig abgebaut wird. Verläuft die Testphase positiv, könnte der Spaltblättling als Zulieferer für die Erdölindustrie groß rauskommen. 

Wintershall setzt auf das Potenzial des Pilzes. Nach Ansicht des Unternehmens könnte die Technologie besonders in ökologisch problematischen Regionen die Förderung steigern. Auf der Norwegischen See können durch herkömmliche Methoden viele Lager nur in geringem Maße ausgebeutet werden, da der Einsatz hier eingeschränkt ist. Die BASF-Tochter Wintershall baut ihr Engagement auf hoher See bis dahin aus: Im Oktober erstand Wintershall Anteile an drei norwegischen Ölfeldern. In Bockstedt soll auch der mögliche Offshore-Einsatz von Schizophyllan getestet werden. Ob und wo Schizophyllan offshore eingesetzt wird, kann Wintershall aber noch nicht sagen.

© biotechnologie.de/ks

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