Curevac: Mit Rekordfinanzierung zum Krebsimpfstoff

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Der neue Impfstoff von Curevac könnte in Zukunft helfen das körpereigene Immunsystem gegen Krebs zu mobilisieren Quelle: Curevac GmbH

26.09.2012  - 

Die Firma CureVac GmbH entwickelt neuartige Impfstoffe gegen Krebs. Gerade erst hat die Firma 80 Mio. Euro von ihrem einzigen Investor eingesammelt, um die Forschungsarbeiten weiter vorantreiben zu können. Die Idee: Mit dem Impfstoff wird den Körperzellen ein Bauplan für Krebsproteine zur Verfügung gestellt. Die so synthetisierten Krebsmarker sollen dann helfen, die körpereigene Abwehr gegen die entarteten Zellen in Stellung zu bringen. Auf die grundlegende Idee für diesen Wirkmechanismus stieß Unternehmensgründer Ingmar Hoerr durch ein Laborexperiment mit überraschendem Ausgang.

In den USA wäre es eine Garage gewesen. Die deutsche Version des amerikanischen Traums von Ingmar Hoerr beginnt jedoch in einem Labor des Tübinger Immunologie-Professors Hans-Georg Rammensee. Ansonsten kann der heutige Chef der CureVac GmbH aber mit den vielfach bewunderten Selfmade Men jenseits des Atlantiks mithalten.

Die Tarnung von Krebszellen auffliegen lassen

Alles begann mit der vermeintlich misslungenen Kontrolle eines Impfversuches. Hoerr war Mitte der neunziger Jahre auf der Suche nach neuen Impfstoffen gegen Krebs. Mit dem eigenen Immunsystem Tumore zu bekämpfen, das war damals schon ein vielversprechendes Konzept, an dem Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt forschten. Das Ziel: Die Tarnung der sich unter einem Deckmantel wie wild teilenden Krebszellen auffliegen zu lassen, so dass das menschliche Immunsystem die bedrohlichen Wucherungen nicht mehr übersieht, sondern bekämpft. Das ist nicht einfach, denn von ihrem Grundprogramm her sind Krebszellen immer noch körpereigene Zellen. Viele Oberflächenmarker durch die sie entlarvt werden könnten, kommen auch auf normalem Gewebe vor und das soll vom Immun-Angriff verschont bleiben. Ein schmaler Grat. Kein Wunder, dass viele hoffnungsvolle Krebs-Impfstoffe an schweren Nebenwirkungen scheiterten. Eine heute oft praktizierte Lösung ist die Gabe von Antikörpern, die sich gegen verräterische Krebsproteine auf den Tumorzellen richten und deren Tarnung auffliegen lassen. Doch auch die im Labor hergestellten Proteine sind köperfremd und können damit Nebenwirkungen wie etwa Allergien auslösen.

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Hoerr setzte daher darauf, den Organismus selbst dazu zu bringen, die Tarnkappe zu lüften. Die dafür notwendigen Anweisungen wollte er in Form von DNA bereitstellen. So könnte ein genetischer Bauplan in die Zellen eingeschleust werden und sie dazu anregen, Krebsproteine herzustellen, die anschließend vom Immunsystem als fremd erkannt und bekämpft werden – auch auf dem Tumor, der somit enttarnt wäre. Doch das ist nicht so einfach. Um die Erbsubstanz in die Zellen zu bekommen, sind spezielle Genfähren nötig. Das sind modifizierte Viren, die ihre Fracht irgendwo in das Genom des Wirtsorganismus einbauen. Die Steuerung der Gen-Taxis ist allerdings nicht einfach. Wo die Proteinbaupläne landen, ist mehr oder weniger Glückssache. Trotzdem, Hoerr wollte es versuchen. Er spritzte Mäusen seine DNA, von der er eine Immunantwort erwartete. Als vermeintliche Nullprobe setzte er mRNA ein. Sie wird im Organismus schnell abgebaut und sollte – der gängigen Lehrmeinung nach – keinen Effekt zeigen. Doch so oft es Hoerr auch probierte, die Immunantwort in den Mäusen blieb gleich. Immer gewann die mRNA.

Startförderung vom BMBF

Ein Fehler? Nein. Ein Rätsel? Ja. Auch heute noch. Denn auf welchem Wege genau die mRNA ihre tödliche Botschaft abliefert, ist immer noch nicht bekannt. Dass es aber funktionieren kann, daran glaubt Dietmar Hopp. Der milliardenschwere Gründer des Software-Konzerns SAP hat mehr als 100 Mio. Euro investiert. Allein 80 Mio. Euro in der aktuellen Finanzierungsrunde, die er allein stemmte – der bislang größte Geldsegen für ein deutsches Biotech-Unternehmen. Bis zum Einstieg von Hopp im Jahr 2005 war es aber ein harter Weg. Denn Wagniskapital gab es zum Anfang des Jahrhunderts, als sich der Immunologe zusammen mit seinen beiden Laborkollegen Florian von der Mülbe und Steve Pascolo mit der CureVac GmbH in Tübingen selbständig machte, kaum. Immerhin der Finanzier Leonardo ventures investierte eine kleine einstellige Millionensumme und auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte im Rahmen des Bioprofile-Programms die junge Firma mit knapp 300.000 Euro. Doch für den großen Wurf – dem Beginn klinischer Studien – reichte das nicht. Dafür musste erst Hopp kommen. Er kaufte den bisherigen Investoren ihre Anteile ab und übernahm ab sofort die Rolle des Alleininvestors – mit Erfolg. In frühen klinischen Studien konnte CureVac zeigen, dass der einst ungläubig beäugte mRNA-Ansatz funktioniert. Bisher haben 33 Patienten einen mRNA-Impfstoff gegen Prostatakrebs unter die Haut gespritzt bekommen. Vier von fünf Patienten zeigten dabei die gewünschte Reaktion gegen ihren Tumor. Jetzt muss sich das Konzept in größerem Rahmen beweisen und auch einen Überlebensvorteil der Krebspatienten in klinischen Studien zeigen. Dafür braucht CureVac nicht nur Geld, sondern auch Geduld.

„Immuntherapien brauchen Zeit“

„Obwohl sich die Immunantwort nach der Impfung im Patienten schnell aufbaut, hat die Erfahrung gezeigt, dass Immuntherapien Zeit brauchen, bevor sie ihre Wirkung im Patienten entfalten“, erklärt Hoerr. Das macht es nicht einfacher. Oft sterben die schwer krebskranken Patienten vorher. „Unsere ersten beiden Produkte könnten frühestens in den Jahren nach 2020 zugelassen werden“, so der Geschäftsführer. Das birgt ein Risiko. Wer weiß, welche Therapien gegen Prostatakrebs 2017 auf dem Markt sein werden? Hoerr fürchtet sich nicht: „Die Onkologie entwickelt sich schrittweise. Daher bin ich mir sicher, dass es auch dann noch eine Anwendung für unsere Impfstoffe geben wird – wenn sie denn wirksam sind.“ Die Zukunft liege ohnehin in der Kombination mit anderen Ansätzen wie etwa der konventionellen Chemotherapie. Das Prinzip: das chemische Bombardement soll Löcher in die Verteidigung der Krebszellen schießen. Die durch CureVacs Impfstoffe ausgelöste Immunantwort könnte ihnen dann den Rest geben. Hoerr ist daher versöhnlich: „Ich wünsche jedem Glück, der eine Therapie gegen Prostatakrebs entwickelt.“

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Mit ihrem Konzept überzeugte CureVac nicht nur Investor Hopp. Auch die DARPA, eine US-amerikanische Militärforschungsorganisation, arbeitet mit CureVac zusammen. Streng geheim. Natürlich. Viel mehr als das beide ausloten wollen, ob sich Curevacs Impfstoffe nicht auch gegen Infektionskrankheiten einsetzen lassen, ist nicht bekannt. Geht es am Ende um Milzbrand, Ebola oder Lassafieber? Auch der französiche Pharmakonzern Sanofi lässt sich nicht in die Karten schauen, wenn er mit CureVac zusammenarbeitet. Zu vermuten ist jedoch, dass die Franzosen eher „zivile“ Infektionen wie etwa Grippe im Sinn haben. Klar ist: Die im vergangenen Jahr unterzeichnete Zusammenarbeit könnte CureVac mehr als 1 Mrd. Euro bringen. Der Finanzierungsmix aus Hopp’schem Geld, Forschungszahlungen des US-Militärs und dem Pharmajackpot zahlt sich aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass dem Biotech-Unternehmen wie einigen anderen das Geld ausgeht, bevor die Resultate auf dem Tisch liegen. Hoerr leistet sich sogar einen kleinen Luxus: Wie andere Biotech-Firmen händeringend nach einem finanzstarken Pharmapartner zu suchen, das hat er nicht mehr nötig. Er wartet das passende Angebot ab. Der einstige Doktorand sitzt jetzt am Verhandlungstisch mit Big Pharma und hält dabei alle Asse in der Hand. Der Weg zum großen Erfolg ist geebnet. Sein einziger Gegner ist jetzt allein die Unberechenbarkeit der menschlichen Biologie. 

© biotechnologie.de/pd

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