Antikörperattacken als Demenz-Auslöser
09.08.2012 -
Gegen den eigenen Körper gerichtete Antikörper schädigen im Hirn Blutgefäße. Dadurch könnten sie mitverantwortlich sein für das Entstehen von Alzheimer und anderen neurologischen Erkrankungen, die mit einer Durchblutungstörung einhergehen. Berliner Forscher berichten im Fachjournal PLoS One (2012, Online-Veröffentlichung) über Tierversuche, die entsprechende Hinweise geliefert haben.
Marion Bimmler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und Peter Karczewski von der Biotechnologie-Firma E.R.D.E.-AAK-Diagnostik GmbH haben an Ratten untersucht, wie die Irrläufer-Antikörper den eigenen Körper attackieren. Demnach ist ein bestimmtes Protein auf der Oberfläche von kleinen Blutgefäßen, der sogenannte alpha1 adrenerge Rezeptor, Ziel des Angriffs. Die Autoantikörper erzeugen eine Dauerstimulation des Rezeptors und erhöhen gleichzeitig die Konzentration von Kalziumionen in der Zelle. Die Folge: Die Gefäßwände verdicken sich, dass hinter der so entstandenen Engstelle liegende Areal wird immer weniger durchblutet. Es kommt zu Gewebeschäden.
Autoantikörper an vielen Krankheiten beteiligt
Bereits seit einiger Zeit werden Antikörper, die an bestimmte körpereigene Rezeptoren binden und sie so dauerhaft aktivieren, sogenannte agonistische Autoantikörper, mit einer ganzen Reihe von Erkrankungen in Verbindung gebracht. Sie könnten Leiden wie den arteriellen Bluthochdruck oder den Typ2-Diabetes auslösen, vermuten Experten. Bimmler und Karczewski haben nun gezeigt, dass der Mechanismus auch zur Entstehung von Alzheimer oder der vaskulären Demenz beitragen könnte.
Mehr zum Thema auf biotechnologie.de |
News: Alzheimer: Phosphat-Gruppen hemmen Plaque-Abbau Wochenrückblick: Alzheimer: Protein-Variante beschleunigt Zellsterben |
Dafür lösten die Forscher bei den Tieren gezielt eine Autoimmunreaktion gegen die Rezeptoren aus oder injezierten direkt die gegen dieses Ziel gerichteten Antikörper. Nach drei beziehungsweise acht Monaten haben die Wissenschaftler die Tiere im Magnetresonanz-Tomographen (MRT) untersucht. Tatsächlich ließen sich bei den behandelten Tieren dann Durchblutungsstörungen nachweisen.
Blutwäsche verhindert Daueraktivierung
Diese Erkenntnisse könnten die künftige Therapie der Alzheimer Krankheit sowie anderer Demenzen, die auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurückgehen, verändern. Möglicherweise hilft eine Blutwäsche, die gefährlichen Autoantikörper aus dem Körper zu entfernen und so den Durchblutungsstörungen vorzubeugen. Vor vier Jahren hatte ein anderes Team um Karczewski dies bereits an 41 Patienten mit Bluthochdruck erprobt. In einer kleinen klinischen Studie in Zusammenarbeit mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin, sind jetzt eine kleine Zahl von Patienten mit Alzheimer oder vaskulärer Demenz behandelt worden. Bei ihnen wurde der Autoantikörper mit einer Art Dialyse aus dem Blut entfernt. Bei den mit der Blutwäsche behandelten Patienten verbesserten sich in einem Beobachtungszeitraum von bisher sechs und zwölf Monaten sowohl die Gedächtnisleistungen als auch ihre Fähigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Im Gegensatz dazu verschlechterte sich der Zustand der nicht behandelten Patienten, die weiterhin Autoantikörper im Blut hatten, im gleichen Zeitraum dramatisch. Jetzt planen die Forscher weitere klinische Studien mit größeren Patientenzahlen.
© biotechnologie.de/bk