Wochenrückblick KW 18

07.05.2012

Biotechnologietage 2012 in Frankfurt am Main

Der jährliche Treff der deutschen Biotechnologie-Branche führt Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diesmal nach Hessen: Am 9. und 10. Mai finden die Biotechnologietage in Frankfurt am Main statt.

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Organisiert wird die vom Bundesforschungsministerium unterstützte Veranstaltung von der Aktionslinie Hessen-Biotech gemeinsam mit dem Branchenverband  BIO Deutschland. Erwartet werden 600 Teilnehmer, darunter Biotech-Unternehmer sowie Akteure aus Politik, Forschung und Verwaltung. Die zweitägige Konferenz gilt als nationales Forum für die deutsche Biotechnologiebranche, das aktuelle Fragen diskutieren und wesentliche Impulse für neue Strategien setzen will. Gesundheitswirtschaft und Bioökonomie bilden in diesem Jahr Schwerpunkte. Das Symposium „Personalisierte Medizin und Diagnostik“ zeigt, welche Wirkstoffe sich in der Entwicklungspipeline befinden, welche Herausforderungen auf dem Weg vom Labor in die klinische Praxis zu meistern sind und welche neuen Rollen auf Innovatoren, Ärzte, Krankenkassen, Apotheker und Patienten zukommen. Ein weiteres Symposium („Facetten der Fermentation für die Pharmaproduktion“) beschäftigt sich mit Produktionsprozessen biotechnologisch hergestellter Arzneimittel und mit der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Pharmaproduktion im internationalen Vergleich.

Biotechnologietage 2012

Das vollständige Programm der Biotechnologietage in Frankfurt am Main: hier klicken

In einem dritten Symposium zum Thema Rote Biotechnologie wird über die Notwendigkeit diskutiert, weiter intensiv an innovativen Medikamenten zu arbeiten und wie der wirtschaftliche Aspekt diesen Prozess beeinflusst. Einen besonderen Schwerpunkt bildet in diesem Jahr das Thema Bioökonomie, das in insgesamt 12 Vorträgen vertreten ist. Darin geht es unter anderem um die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen, exemplarische Vorstellung strategischer Allianzen in der Bioindustrie und Fördermöglichkeiten. Am 9. Mai werden in Frankfurt auch die aktuellen Zahlen aus der Biotechnologie-Firmenumfrage präsentiert, die biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erhoben hat.

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Wirtswechsel beim Vogelgrippe-Virus blockiert

Virologen des Universitätsklinikums Freiburg haben eine Mutante des Vogelgrippevirus H5N1 erzeugt, die sich nicht mehr an den Menschen als Wirtsorganismus anpassen kann. 

Vogelgrippe-Viren des Typs H5N1 unter dem Mikroskop.Lightbox-Link
Vogelgrippe-Viren des Typs H5N1 unter dem Mikroskop.Quelle: Cynthia Goldsmith, Center for Disease Control and Prevention
Wie sie im Fachmagazin Nature Communications (2012, Online-Vorabpublikation) beschreiben, konnten sie dadurch eine entscheidende Funktion des viralen Kernexportproteins bei der Anpassung von H5N1-Viren an den Wirt aufklären. Die Anpassung eines Virus an den potenziellen Wirt ist die Voraussetzung dafür, dass Viren ihr Erbgut in Zellen des Wirts vervielfältigen können. Bei H5N1-Infektionen ist bekannt, dass für diese Anpassung eine Mutation im PB2-Gen der viralen Polymerase notwendig ist – dem Enzym, welches das virale Erbgut vervielfacht. Kurioserweise wurde aber eben diese Mutation nie gefunden, wenn sich Menschen mit dem Vogelgrippevirus infiziert hatten. Seit Auftauchen der ersten Vogelgrippeerkrankungen 1997 versuchen Forscher herauszufinden, wie das Virus trotzdem menschliche Wirte befallen konnte. Vermutet wurde, dass alternative Genmutationen die Funktion der mutierten Polymerase-Sequenz übernehmen.  „Nun ist es uns gelungen, den Prototypen eines Vogelgrippe-Virus herzustellen, der keine für die Anpassung an den Menschen relevante Mutation besitzt“, beschreibt Arbeitsgruppenleiter Martin Schwemmle.

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„Mit diesem Virus konnten wir zum ersten Mal zeigen, welcher Schritt der Erbgut-Vermehrung in menschlichen Zellen beeinträchtigt ist und welche alternativen Mutationen diesen Schritt ausgleichen können.“ Dabei fanden die Forscher heraus, dass eine Mutation im Kernexportprotein des Virus ausreicht, um dem Erreger eine Vermehrung seines Erbguts in den befallenen Zellen zu ermöglichen. Mehr noch: Diese Mutation im Kernexportprotein steigerte auch die Aktivität der Polymerasen, die die nötige Mutation nicht hatten, machte das Vogelgrippe-Virus also noch infektiöser als mit der ursprünglichen Mutation. Diese neuen Erkenntnisse können genutzt werden, das Potenzial von H5N1-Viren früh abzuschätzen und Pandemien vorzubeugen. Die Freiburger Forscher hoffen außerdem, dass ihre Ergebnisse bei der Entwicklung neuer Medikamente helfen.

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Europäisches Patentamt kippt „Spermapatent“

Das Europäische Patentamt (EPA) hat der US-Firma XY LLC ein Patent zur Geschlechtsbestimmung von Zuchttierspermien entzogen.

Das EPA begründete seine Entscheidung am 3. Mai in München mit „technischen Gründen und mangelnder erfinderischer Tätigkeit“. Das Patent des Unternehmens bestand bereits seit sieben Jahren. 

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Wochenrückblick: Patent auf Gensequenz für leistungsstarke Milchkühe bestätigt

Bei seiner Anmeldung 2005 hatten Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglieder der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen das Patent geklagt. Ursprünglich hatte sich auch der Saatgutkonzern Monsanto an der Klage beteiligt, diese dann aber zurückgezogen. Zwar sind Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren in Europa generell nicht patentierbar, jedoch zählte das EPA 2005 die Selektionsmethode nicht zu den Züchtungsverfahren. Da gerade Tierzüchter oftmals nur für eines der Geschlechter Verwendung haben, nützt ihnen eine solche Vorabselektion bei der künstlichen Besamung. Die Unterscheidung der Spermien erfolgt dabei über deren Masse: Die Geschlechtszellen mit dem Y-Chromosom sind etwas leichter.

In der Rinderzucht sind oft nur Kälber eines Geschlechts erwünscht. Ein Patent auf Geschlechtsselektion bei Spermien hat das EPA jetzt abgelehnt.Lightbox-Link
In der Rinderzucht sind oft nur Kälber eines Geschlechts erwünscht. Ein Patent auf Geschlechtsselektion bei Spermien hat das EPA jetzt abgelehnt.Quelle: Friedrich Böhringer/ Wikimedia

Die zuverlässige Trennung von Y- und X-Chromosomen tragenden Spermien wird als ein Fortschritt für den Tierschutz gesehen, da bisher die „ungewünschten“ Jungtiere getötet werden. Für die Beschwerdeführer geht es aber um etwas anderes: Es soll vor allem die Konzentration von Patenten in den Händen weniger Konzerne vermieden werden. Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling vergleicht die Situation mit der in einer anderen Branche: „Wir sind in der Tier- und Pflanzenzucht an derselben Schwelle wie vor ein paar Jahren beim Saatguthandel.“ Dort kontrollieren weltweit vier Konzerne etwa 70 Prozent des Marktes. Die Europäischen Grünen haben derweil zusammen mit SPD und CDU eine Resolution ins Europäische Parlament eingebracht, welche die Patentierbarkeit von Sperma per se verbietet. "Es ist wichtig, dass genetische Ressourcen für Züchter und Landwirte frei zugänglich bleiben, ohne dass die Erlaubnis von Patentinhabern eingeholt werden muss", begründete Häusling. Die Resolution wird am 9. Mai verhandelt.

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Autismus-Gen verändert Nervenverdrahtung

Mäuse zeigen autistische Verhaltensweisen, wenn in ihren Nervenzellen ein bestimmtes Gerüstprotein nicht in ausreichender Menge produziert wird.

Das sogenannte ProSAP1/Shank2-Protein stabilisiert normalerweise die Verbindung von Nervenzellen, die mit dem erregenden Botenstoff Glutamat miteinander kommunizieren. Im Tierversuch konnten Forscher der Charité in Berlin, der Universität Ulm und des französischen Institute Pasteur nun nachweisen, dass dem Protein bei der Entstehung von autistischen Störungen eine Schlüsselrolle zufällt. Über ihre Forschung berichten sie in der aktuellen Ausgabe von Nature (2012, Online-Vorabveröffentlichung). Um die Rolle von ProSAP1/Shank2 an den Verbindungsstellen von Nervenzellen – den Synapsen – und letztlich bei der Entstehung von Autismus zu verstehen, haben die Forscher Mäuse genetisch modifiziert und ProSAP1/Shank2 ausgeschaltet. Mit sichtbaren Auswirkungen: Tiere mit der Gen-Mutation sind hyperaktiv und zeigen sich immer wiederholende Handlungen – etwa bei der Fellpflege. In Verhaltensexperimenten werden zudem Auffälligkeiten in der sozialen und kommunikativen Interaktion deutlich.

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Wochenrückblick: Mäusegehirn in Hochauflösung

Wochenrückblick: Partnergene steuern Gehirnwachstum

Auch in den Gehirnen der Mäuse fanden die Forscher Änderungen: „Die Dichte dendritischer Dornen, an denen die Nervenzellen synaptische Kontakte bilden, ist wesentlich geringer als beim Wildtyp. Elektrophysiologische Messungen zeigen eine auffällig veränderte Signalübertragung“, sagt Tobias Böckers, Direktor des Ulmer Instituts für Anatomie und Zellbiologie. Ist ProSAP1/Shank2 ausgeschaltet, wird das verwandte Gerüstprotein ProSAP2/Shank3 vermehrt an der Synapse gebildet. Das Fehlen des ursprünglichen Stabilisators kann aber offenbar nicht vollständig ausgeglichen werden: „Die molekulare Proteinzusammensetzung an den Synapsen ist in verschiedenen Hirnregionen unterschiedlich stark gestört. Das Ausmaß der Unregelmäßigkeiten hängt auch vom Entwicklungsstand der Tiere ab“, erläutert deer Ulmer Forscher Michael Schmeißer. Bei den genetisch modifizierten Mäusen liege anscheinend ein molekularer Reifungsdefekt der Synapse vor. Eines Tages könnte die Reparatur dieses Defekts eventuell Grundlage einer Autismus-Therapie sein, hoffen die Forscher. Sie wollen nun die unterschiedlichen Funktionen der Proteine genauer untersuchen.

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Algenblüte erklärt Plankton-Paradox

Forscher des Bremer Max-Planck-Instituts für maritime Mikrobiologie haben durch neue Forschungen zur Algenblüte das sogenannte Plankton-Paradox aufgeklärt.

Die Algenblüte in der Deutschen Bucht, ausgehend von der ost- und westfriesischen Küste.Lightbox-Link
Die Algenblüte in der Deutschen Bucht, ausgehend von der ost- und westfriesischen Küste.Quelle: Jeff Schmaltz, Goddard Space Flight Center
Wie sie im Fachjournal Science (2012, Online-Vorabveröffentlichung) beschreiben, bestimmt eine fein abgestimmte  Abfolge algenabbauender Mikroben die Zusammensetzung der Bakterienpopulation in den Küstengewässern.   

Die Ergebnisse der Studie ermöglichen den Forschern, das sogenannte Plankton-Paradox zu erklären. Bisher rätselten sie, warum in der Algenblüte so viele Plankton-Arten in einem scheinbar homogenen Umfeld leben, ohne dass durch die bestehende Nahrungs-Konkurrenz bestimmte Arten verdrängt werden. Wenn Algenblüten im Frühjahr enden, sterben die Algen ab und versorgen das gesamte Ökosystem mit Nährstoffen. Die Bremer Max-Planck-Forscher haben mit Kollegen der Universität Greifswald, der Jacobs University und dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung eine solche Frühjahrsblüte in der Nordsee genau untersucht. Beim Blick auf die Mikroorganismen, die beim Abbau der Algenüberreste beteiligt sind, haben die Forscher Überraschendes entdeckt: „Freilebende Kleinstlebewesen, das sogenannte Bakterioplankton, sind entscheidend beim Abbau der abgestorbenen Algenbiomasse“, sagt Max-Planck-Forscher Hanno Teeling. „Uns fiel besonders eine dynamische Folge in der Bakterioplankton-Population auf. Spezialisierte Bakterienpopulationen begleiten verschiedene Phasen der Algenblüte“.

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News: Algenkongress: Auf der Suche nach mehr Leistung

News: Die Alge baut das Wunschprotein

In der frühen Phase der Algenblüte tauchten vermehrt Spuren von Enzymen auf, die zum Abbau komplexer Algen-Kohlenhydrate benötigt werden. Später dominierten Transportproteine für Peptide, also kurze Proteinstücke, sowie Transportmoleküle für den wachstumsbegrenzenden Nährstoff Phosphat. Auffällig war der hohe Anteil bestimmter Transportproteine, der sogenannten TonB-abhängigen Transporter, die größere Moleküle direkt ins Zellinnere schleusen können.  Am Ende der Blüte bildeten die Bakterien Sulfatasen, die Sulfatester aus schwer abbaubaren Algen-Kohlehydraten abspalten und so ihren kompletten Abbau ermöglichen. Die Wissenschaftler fanden in der Algenblüte also eine Bakterienpopulation vor, die sich nicht nur in der Zusammensetzung, sondern auch in der Funktion vollständig von der Bakteriengemeinschaft kristallklarer küstenferner Gewässer unterscheidet.

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Alzheimer: Protein-Variante beschleunigt Zellsterben

Für das Entstehen der Alzheimer-Demenz könnte eine bisher unbeachtete Veränderung des Proteins Beta-Amyloid mitverantwortlich sein, berichten Forscher des Hallenser Biotech-Unternehmens Probiodrug gemeinsam mit akademischen Partnern.

Forscher haben eine bisher unbeachtete Veränderung eines Proteins im Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung untersucht.Lightbox-Link
Forscher haben eine bisher unbeachtete Veränderung eines Proteins im Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung untersucht.Quelle: GE Healthcare/flickr.com
Im Fachjournal Nature (2012, Online-Vorabveröffentlichung) berichten die Wissenschaftler über ihre Erkenntnisse. Ein Proteinfragment des Proteins Beta-Amyloid (Aβ), Pyroglutamat A-beta (pyroGluAβ), soll besonders giftige Zusammenlagerungen bilden. Sie breiten sich ähnlich wie Prionen entlang der Nervenbahnen aus und leiten den Untergang der Neuronen ein. An dem Prozess ist ein zweites schon länger bekanntes Alzheimer-Protein namens Tau beteiligt. Das pyroGluAβ vernetzt sich demnach zunächst mit normalem Aβ. Diese sogenannten niedermolekularen Oligomere unterscheiden sich von denen, die nur aus normalem Aβ bestehen, durch ihre Struktur, ihre Giftigkeit für Nervenzellen und ihre hohe Lebensdauer. Mäuse, die nur eine geringe Menge pyroGluAβ bilden, zeigten nach Berichten von Probiodrug bereits eine fatale Alzheimer-Symptomatik. Dabei scheint auch das Tau-Protein eine wichtige Rolle zu spielen. Wurde in den Mäusen die Bildung dieses Proteins nämlich unterdrückt, so konnte das Absterben der Nervenzellen ebenso wie die sonst einsetzende Entzündungsreaktion verhindert werden.

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News: Alzheimer: Phosphat-Gruppen hemmen Plaque-Abbau

News: Demenz: Nervenzellen unter falscher Flagge

„Diese Veröffentlichung liefert signifikante Belege für unsere Hypothese, dass pyroGluAβ Peptide eine wichtige oder sogar die entscheidende Rolle bei der Auslösung des Nervenzellverlustes spielen, den wir bei der Alzheimerschen Demenz beobachten“, so Hans-Ulrich Demuth, Forschungsvorstand der Probiodrug AG. Zum ersten Mal sei ein Zusammenhang zwischen pyroGluAβ, der Bildung giftiger Aβ-Oligomere und dem tau-Protein bei der Entwicklung neuronaler Toxizität nachgewiesen worden. Die Forschungsergebnisse stärken auch die klinische Entwicklung des Unternehmens. Mit der Substanz PQ912 hat gerade ein Wirkstoff die Phase I durchlaufen, der das Enzym Glutaminyl Zyklase blockiert, welches für die Bildung von pyroGluAβ verantwortlich ist. „Das Unternehmen bereitet nun erste Patienten-Studien vor“, berichtet Probiodrug-Vorstandssprecher Konrad Glund.

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