Forscher enthüllen Mülltrennung im Immunsystem

Die Immunantwort ist ein hochkomplexer Vorgang. Erlanger Forscher haben ein Enzym entdeckt, das einen entscheidenden Einfluss auf diesen komplizierten Vorgang hat. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Das Bild zeigt eine Monocyte, die von einer Vielzahl roter Blutkörperchen umgeben ist. Monocyten zerstören körperfremde Stoffe und aktivieren anschließend weitere Bestandteile des Immunsystems. Quelle: wikimedia commons

17.04.2012  - 

Die weißen Blutkörperchen sind nicht nur für die Bekämpfung von gefährlichen Keimen zuständig. Sie helfen auch, abgestorbene körpereigene Zellen zu entsorgen. Das Immunsystem muss dabei genau zwischen Eindringlingen von Außen und körpereigenem Material unterscheiden, sonst droht eine fehlgerichtete Immunreaktion eine Autoimmunerkrankung auszulösen. Wie es das bewerkstelligt, war bisher unklar. Forscher um Gerhard Krönke von der Medizinischen Klinik für Rheumatologie und Immunologie des Universitätsklinikums Erlangen haben nun ein Enzym entdeckt, das diesen grundlegenden Entscheidungsprozess steuert. Ihre Arbeit stellen sie im Fachmagazin Immunity (2012, Vorabveröffentlichung) vor.

Die Arbeitsweise des Immunsystems ist komplex. Zahlreiche unterschiedliche Zelltypen übernehmen jeweils spezifische Teilaufgaben. Fein ineinandergreifende Mechanismen sorgen dafür, dass Eindringlinge bekämpft und abgestorbene Zellen entfernt werden, während der Rest des Körpers ungehindert weiter funktionieren kann.

Bei der Bekämpfung von Bakterien spielen Monocyten eine besondere Rolle. Erkennen diese Immunzellen einen schädlichen Keim, so greifen sie unverzüglich an. Sie umfließen den Eindringling und zerstören ihn. Ein Teil der Zellfragmente, zum Beispiel bestimmte Proteine oder Lipide, werden anschließend auf der Zelloberfläche anderen Akteuren des Immunsystems präsentiert. Sie wirken wie ein Fahndungsplakat: „Seht her, dies ist der Feind!“ Auf diese Weise werden immer mehr Immunzellen gegen die Keime in Stellung gebracht, bis die Eindringlinge besiegt sind.

Gefährlich wird es, wenn die Monocyten statt eines körperfremden ein körpereigenes Molekül auf der Zelloberfläche präsentieren. Auch dann beginnt das Immunsystem den vermeintlichen Feind zu bekämpfen – und greift dabei plötzlich den eigenen Körper an. Dies kann zu lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankungen führen.

Gewebsmakrophagen entsorgen tote Zellen

Um diesen Amoklauf des Immunsystems zu verhindern, gibt es einen anderen Typ von Abwehrzelle. Die Forscher um Gerhard Krönke konnten nun erstmals zeigen, dass tote körpereigene Zellen durch eine spezialisierte Untergruppe von Fresszellen entsorgt werden. Diese Gewebsmakrophagen räumen tote Zellen ab und verhindern somit einen Zugriff von anderen Teilen des Immunsystems auf deren Überbleibsel. Damit vollzieht unser Immunsystem innerhalb von Entzündungen und Infektionen frühzeitig eine Mülltrennung zwischen schädlichen Krankheitserregern und körpereigenen abgestorbenen Zellen.

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Schlüsselenzym 12/15-Lipooxygenase

Die Erlanger Forscher haben auch den molekularen Mechanismus gefunden, mit dem sich die Makrophagen den exklusiven Zugriff auf körpereigene, tote Zellen sichern. Ein Protein namens 12/15-Lipooxygenase spielt dabei offenbar eine entscheidende Rolle. Dieses, vor allem in Gewebsmakrophagen vorkommende Protein produziert spezielle Botenstoffe, oxidierte Phospholipide, welche den Abräumprozess durch die unterschiedlichen Zellen des Immunsystems steuern. „Fehlt jedoch dieses Enzyms so kommt es zu einer gestörten Entsorgung toter Zellen und einer Autoimmunerkrankung“, erklärt Arbeitsgruppenleiter Krönke. „Wir konnten zeigen, dass mittels Zugabe der durch das Enzym gebildeten oxidierten Phospholipiden die geordnete Mülltrennung wiederhergestellt und dadurch eine Autoimmunreaktion verhindert werden kann“, so Krönke weiter. Damit stellt die aktuelle Arbeit auch einen wesentlichen Fortschritt in der Entwicklung von neuen und zielgerichteten Therapien von Erkrankungen wie Lupus erythematosus dar. Für diese schwere Autoimmunkrankheit gibt es bislang kaum geeignete Therapien.

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