Micromet: Deal weckt Hoffnung für Leukämie-Patienten
03.02.2012 -
Ein Firmenkauf in der Biotechnologie für mehr als eine Milliarde US-Dollar – das hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Das weltgrößte Biotech-Unternehmen Amgen sorgte in der vergangenen Woche für diesen Superlativ. Genau 1,16 Milliarden US-Dollar überweisen die Amerikaner für die Micromet Inc. Das Biotech-Unternehmen hat zwar seinen offiziellen Sitz in den USA, die Forschung findet jedoch in München statt. Zudem wurden die sogenannten Bite-Antikörper, an denen Amgen so interessiert ist, an der Universität der bayerischen Landeshauptstadt erfunden. Micromet hat geschafft, wovon so viele Pharmakonzerne und Biotech-Firmen träumen: eine Krebserkrankung zu heilen. Zwar gelang das bisher nur bei einer relativ seltenen Art von Leukämie. Dafür war der Erfolg umso durchschlagender.
Konventionelle therapeutische Antikörper markieren Krebszellen lediglich und setzen sie der menschlichen Immunabwehr aus. Wird die Antikörper-Therapie allerdings abgesetzt, so klingt auch der medizinische Effekt ab. Experten sprechen von passiven Immuntherapien. Micromet hat es aber geschafft, die Antikörper so schrumpfen zu lassen, dass sie Tumorzelle und Killerzellen des Immunsystems in direkte Nachbarschaft zueinander bringen können. Die Immunzellen werden in die Lage versetzt, die Krebszellen aktiv zu erkennen. Sie können ihr Wissen dann an Antigen-präsentierende Zellen wie Makrophagen weitergeben. Die Bite-Antikörper setzen damit eine Immunkaskade in Gang, so dass der Tumor in allen Bereich des Organismus bekämpft werden kann. Von diesem neuen Konzept haben bisher vor allem Patienten mit sogenannter akuter lymphatischer Leukämie profitiert, denen mit konventioneller Chemotherapie nicht geholfen werden kann. Das ist unter normalen Umständen ein Todesurteil für die Patienten. Seit 30 Jahren wurde kein neues Medikament für solch Schwersterkrankte mehr zugelassen. Die Folge: kaum mehr als 7 Prozent dieser Blutkrebspatienten überlebten das wichtige Fünfjahresintervall.
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Beschleunigtes Zulassungsverfahren für Arzneikandidat
In einer klinischen Phase I-Studie schaffte Micromet es jedoch, drei Viertel der 25 Probanden zu heilen und zwar komplett: keine Krebszellen waren mehr nachweisbar. Derzeit laufen weitere klinische Studien. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA kam sogar von sich aus auf Micromet zu und bot ein beschleunigtes Zulassungsverfahren an.
Mit diesem Erfolgsrezept ist es Micromet zudem immer wieder gelungen, Partnerschaften mit großen Pharmakonzernen einzugehen. Darunter befinden sich Bayer, Sanofi oder Boehringer Ingelheim. Auch Amgen testete die Bite-Antikörper zunächst im Rahmen einer Partnerschaft. Diese verlief offenbar so gut, dass der US-Biotech-Konzern nun zuschlug. Die Amerikaner erhoffen sich, die Bite-Technologie über die Anwendung in Blutkrebs hinaus anzuwenden: „Bite-Antikörper sind ein bedeutender Baustein unserer Krebsmedikamenten-Pipeline. Sie besitzen breit anwendbares klinisches Potential“, sagt Amgen-Chef Kevin Sharer. Gegenüber den Deutschen haben die Amerikaner einen entscheidenden Vorteil: gut gefüllte Taschen. „Diese Transaktion ist gut für Micromet, die Aktionäre und auch die Krebspatienten. Mit Amgen an der Seite wird es möglich sein, unsere neuen Therapieansätze noch schneller auf den Markt zu bringen“, sagt Christian Itin, der Vorstandsvorsitzende von Micromet. Einen Ausverkauf muss allerdings niemand befürchten: Amgen hat angekündigt, Micromets Forschungslabore als Center of Excellence behalten zu wollen. Damit wäre München mit rund 100 Mitarbeitern der größte Standort von Amgen außerhalb der USA.
Ein Kreis schließt sich
Micromet wurde im Jahr 1993 aus dem Institut für Immunologie der Ludwig-Maximilians-Universität München ausgegründet – angestoßen vom Institutsleiter Gerd Riethmüller, der an Immuntherapien gegen Krebs auf der Basis seiner Kenntnisse zu Mikrometastasen gearbeitet hat. Diese schon in einem sehr frühen Stadium der Krankheit ausgesäten Zellen haben der Firma auch ihren Namen gegeben. Wissenschaftlicher Kopf hinter Micromets Erfolg – und das bereits seit 1998 – ist Patrick Bäuerle, der in den frühen 1990er Jahren am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried und am EMBL in Heidelberg promovierte. Nach Forschungsaufenthalten in den USA und Deutschland wagte er den Schritt in die Biotechnologie, der schließlich bei Micromet in München endete. Interessant am Rande: Sein erster Arbeitgeber in der Industrie war die Tularik Inc. – ein Vorgänger der heutigen Amgen Inc.
©biotechnologie.de/pd