Ewig jung durch Biotech

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Auf gentechnischem Wege stoppt bei "In Time" der Alterungsprozess mit 25 Jahren. Deshalb sieht der Vater (links) genauso alt aus wie seine Tochter und Protagonist Will Salas. Quelle: Twentieth Century Fox Film Corporation

13.12.2011  - 

Es könnte alles so schön sein. In der Welt von „In Time“ hören die Menschen mit 25 Jahren einfach auf zu altern. Alle sind jung und schön, allerdings nur so lange, bis sie pleite sind. Denn Zeit ist wahrlich Geld in dem Hollywoodstreifen, und wessen Konto leer ist, der stirbt. Sofort. Gesteuert wird das alles auf „gentechnischem Wege“, wie es einleitend heißt. Lässt sich die Alterung genetisch aufhalten? Die Redaktion von biotechnologie.de hat drei Alternsforscher befragt.

Sind alle permanent 25 Jahre alt, hat das einige Vorteile. Krebs gibt es kaum, Rückenschmerzen auch nicht. Allerdings tauchen auch unerwartete Probleme auf. So sieht die eigentlich 50-jährige Mutter der Hauptfigur Will Salas (Justin Timberlake) aus wie seine Freundin. Und als der reiche Finsterling Philippe Weis seine Schwiegermutter, seine Ehefrau und seine Tochter vorstellt, muss er dazusagen, wer nun wer ist. Alle sehen aus wie 25. Abgesehen davon bringt der gentechnische Eingriff, der die potenzielle Unsterblichkeit sichert, nicht das Glück aller, sondern eine besonders üble Form des untemperierten Kapitalismus hervor, die pleite sein zu einer existenziellen Erfahrung macht. Nur die Reichen leben ewig. Die Normalbürger werden durch ständig steigende Lebenshaltungskosten, die immer weniger bezahlen können, demografiefreundlich reduziert.

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Das Altern hat biologisch durchaus einen Sinn. „Das Altern kann als Preis für unsere Reproduktion angesehen werden“, sagt Christoph Englert, Gruppenleiter am Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena. Nachdem wir uns fortgepflanzt haben, lasse der evolutionäre Druck nach und „wir können weg“, wie Englert es schön pragmatisch ausdrückt. Doch lässt  sich dieser natürliche Prozess mit den richtigen molekularbiologischen Tricks aufhalten? Durchaus, sagt Alexander Bürkle von der Arbeitsgruppe Molekulare Toxikologie an der Universität Konstanz, „aber nur in einfachen Modellsystemen“. Das fängt bei der Bierhefe und anderen Pilzen an, geht weiter beim Fadenwurm C.elegans und führt bis zur Furchtfliege Drosophila melanogaster. „Bei diesen Organismen gibt es genetische Maßnahmen, die Mutanten erzeugen, die deutlich langlebiger sind als ihre Artgenossen.“ Bei Säugetieren wird es allerdings schlagartig kompliziert, wie Bürkle in seiner eigenen Forschungsarbeit mit der „Poly-[ADP-Ribose]-Polymerase-1“ (PARP) feststellen musste (mehr...). Eigentlich für seine erbgutschützende Wirkung bekannt, wirkt eine Gentherapie mit menschlichem PARP bei Mäusen nicht lebensverlängernd. Ganz im Gegenteil. „Die Tiere waren eher kränklich“, sagt Bürkle. Jetzt wollen die Forscher an ihrer Einschleusetechnik arbeiten, um Störfaktoren auszuschalten und eventuell doch noch einen positiven Effekt zu erzielen.

Jan Wolkenhauer erklärt in der 89. Folge die Bedeutung der Telomere.Quelle: biotechnologie.tv

Ende des Alterns nicht in Sicht

Vor allzu großer Euphorie möchte Bürkle, der über die Krebsforschung auf Fragen des Alterns stieß, allerdings warnen. “Eine schnelle Lösung, einen Quick Fix für das Altern an sich wird es nicht geben“, sagt Bürkle. Sein Kollege Lenhard Rudolph von der Max-Planck-Forschungsgruppe für Stammzellalterung an der Universität Ulm kann ihm da nur zustimmen (mehr...). „Das Altern zu stoppen ist eine Illusion, dafür ist der Vorgang zu multifaktoriell.“ Zwar werden immer wieder einzelne Gene entdeckt (mehr...), die mit Facetten des Alterns zu tun haben. „Deshalb können wir wahrscheinlich schon einmal molekulare Therapien entwickeln, die bestimmte Alterungsprozesse in einigen Organen verlangsamen“, so Rudolph.

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So ließe sich möglicherweise einmal das Fortschreiten der Leberzirrhose verlangsamen, die Blutbildung im Knochenmark wieder verbessern oder die Produktion von Abwehrzellen im Immunsystem ankurbeln. Die Lebensspanne würde aber insgesamt nicht signifikant erhöht. „Da treten dann andere begrenzende Faktoren auf den Plan.“ Ein „Ende des Alterns“, wie es der schillernde britische Alternsforscher Aubrey de Grey in einem Buch propagiert, wird es nicht geben, da sind sich die Experten einig.

Die Biotechnologie wird also nur Teillösungen bieten. Schon heute allerdings verfügt die Menschheit über sehr wirkungsvolle Methoden, die Lebensspanne zu erhöhen, sagt Christoph Englert. Das Geheimnis ist keines: möglichst geringer Alkohol- und Tabakkonsum, ausgewogene Ernährung und genügend Bewegung. „Ein 60-Jähriger heutzutage, der sieht aus wie ein Vierzigjähriger vor hundert Jahren.“ Im Hollywoodstreifen „In Time“ gibt es weder Vierzig- noch Sechzigjährige. Sondern eine Welt voller Mittzwanziger, wie es sie in Zukunft zum Glück nie geben wird. Auch nicht mit Biotechnologie.

© biotechnologie.de/cm

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