Hanf-Rezeptoren halten Hirn jung

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Forscher der Universität Bonn haben an Mäusen untersucht, wie schnell das Gehirn altert, wenn ein bestimmter Rezeptor fehlt. Quelle: Uni Bonn

04.08.2011  - 

Wie altert das Gehirn? Wissenschaftler der Universität Bonn haben zusammen mit Kollegen aus Mainz einen Mechanismus entdeckt, der das Gehirn offenbar vor Alterung schützt. Sie schalteten bei Mäusen den Cannabinoid 1-Rezeptor aus. Die Tiere zeigten dann viel schneller Verfallserscheinungen, wie sie ähnlich auch bei Demenzkranken vorkommen. Die Forscher stellen ihre Ergebnisse in einer aktuellen Publikation der Proceedings of the National Academy of Sciences (5. Juli, Ausg. 108,Bd. 27, S.,11256-11261) vor.

Die Menschen werden immer älter, die Zahl der Demenzerkrankungen nimmt zu. Welche Faktoren die Degeneration des Gehirns steuern, ist noch weitgehend unbekannt. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass etwa Stress, Akkumulierung von giftigen Abbauprodukten und Entzündungen die Alterung beschleunigen. Umgekehrt gibt es aber auch Mechanismen, die das Gehirn wie ein Bodyguard vor dem Verfall schützen oder defekte Strukturen reparieren.

Forscher der Universitäten Bonn und Mainz haben nun eine bislang unbekannte Funktion des Cannabinoid 1-Rezeptors (CB1) entdeckt. Ein Rezeptor ist ein Protein, an das andere Substanzen andocken und eine Signalkette auslösen. An den CB1-Rezeptor lagern sich Cannabinoide wie THC – der Wirkstoff des Hanfes – an und Endocannabinoide, die vom Körper selbst gebildet werden. Die Existenz dieses Rezeptors ist auch der Grund für die berauschende Wirkung von Haschisch und Marihuana.

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Der CB1-Rezeptor hat nicht nur Suchtpotenzial, sondern spielt bei der Degeneration des Gehirns eine Rolle. „Wenn wir den Rezeptor mit gentechnischen Methoden ausschalten, dann verläuft die Alterung der Mäusegehirne viel schneller“, sagt Önder Albayram, Erstautor der Publikation und Doktorand im Team von Professor Andreas Zimmer vom Institut für Molekulare Psychiatrie der Universität Bonn. „Das CB1-Signalsystem hat also eine schützende Wirkung für die Nervenzellen.“

Im Schwimmbecken stellen die Mäuse ihr Gedächtnis unter Beweis

Die Wissenschaftler untersuchten Mäuse verschiedener Altersklassen: Jungtiere mit sechs Wochen, im mittleren Alter von fünf Monaten und im fortgeschrittenen Alter mit zwölf Monaten. Die Tiere hatten verschiedene Aufgaben zu bewältigen: So mussten sie erst in einem Schwimmbecken eine unter der Wasseroberfläche befindliche Plattform finden. Wenn die Mäuse den Ort kannten, wurde die Plattform verschoben, und die Tiere müssten sie wiederfinden. Damit testeten die Forscher das Lern- und Erinnerungsvermögen der Nager.

Die Tiere mit dem ausgeschalteten CB1-Rezeptor – die Knockout-Mäuse – unterschieden sich deutlich von ihren intakten Artgenossen. „Die Lern- und Gedächtnisleistung der Knockout-Mäuse war deutlich herabgesetzt“, sagt Andras Bilkei-Gorzo, der an der Studie beteiligt war. So waren die Tiere, denen der Rezeptor fehlte, bei der Suche nach der Schwimmplattform weniger erfolgreich. „Sie wiesen außerdem einen deutlichen Verlust an Nervenzellen im Hippocampus auf“, erklärt der Wissenschaftler. Diese Gehirnstruktur ist die zentrale Schaltstelle für die Festigung von Erlerntem. Außerdem stellten die Forscher fest, dass es zu Entzündungsprozessen im Gehirn kam. Mit fortschreitendem Alter machten sich die degenerativen Prozesse bei den Mäusen zunehmend bemerkbar.

Erstaunliche Parallelen zum Gehirn des Menschen

Die Tiere mit dem intakten CB1-Rezeptor schnitten dagegen hinsichtlich des Lern- und Erinnerungsvermögens sowie der Gesundheit der Nervenzellen deutlich besser ab. Die Vorgänge in den Mäusegehirnen weisen erstaunlich viele Parallelen zu den altersbedingten Änderungen des menschlichen Gehirns auf. So kann das Endocannabinoid-System bei den Menschen auch einen Schutzmechanismus gegen Gehirnalterung darstellen. . „Die Ursache der Alterung gehört zu den Geheimnissen des Lebens“, sagt Albayram. Etwas Licht ins Dunkle haben die Forschungen in Bonn gebracht, doch noch bleiben viele Fragern offen.

Als nächstes wollen die Wissenschaftler zum Beispiel noch besser verstehen, wie es zu der Schutzwirkung vor Entzündungsprozessen im Gehirn durch CB1-Rezeptoren kommt. Basierend auf diesen Signalketten könnten dann vielleicht auch Wirkstoffe für neue Therapien entwickelt werden.

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