Berliner Krebsmediziner präsentieren Highlights vom ASCO-Kongress

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Mehr als 25.000 Ärzte, Forscher und Branchenvertreter aus mehr als hundert Ländern füllten die Gänge und Säle des McCormick Convention Centres in Chicago. Quelle: ASCO/Todd Buchanan

23.06.2011  - 

Der ASCO ist ein Kongress der Superlative.  Bei dem Jahrestreffen der American Society for Clinical Oncology in Chicago trifft sich Jahr für Jahr das Who-is-Who der Krebsmedizin, um neueste Studienergebnisse zu präsentieren und wissenschaftliche Erkenntnisse auszutauschen. Diesmal fand der 47. ASCO-Kongress Anfang Juni statt. Bei 30.000 Teilnehmern und einer gewaltigen Zahl an Beiträgen fällt es nicht leicht, den Überblick zu wahren. Berliner Onkologen vom Virchow-Klinikum der Charité haben am 22. Juni die ihrer Meinung nach bedeutendsten Ergebnisse vorgestellt. Fazit: Der Trend zur personalisierten Medizin hat die Krebstherapie spürbar erreicht. Zielgerichtete Therapien auf der Basis von Antikörpern oder kleinen Wirkstoffmolekülen beherrschen die Szene. In vielen Fällen konzentrieren sich die Forscher aber auch auf die verbesserte Behandlung von Patienten, deren Erkrankung nicht mehr heilbar ist.

Der ASCO ist ein Medizinerkongress mit gewaltigen Dimensionen. Auch in diesem Jahr wuselten 30.000 Forscher und Ärzte aus der Krebsmedizin durch die Hallen des McCormick Convention Center in Chicago. Die Megakonferenz ist für die Onkologen die zentrale Plattform, um die neuesten Ergebnisse ihrer klinischen Studien vorzustellen. In den Monaten danach beginnt dann für die Experten die Feinanalyse: Welches sind die wichtigsten Ergebnisse, welche Erkenntnisse können die Krebstherapien künftig tatsächlich verändern. Bei einer Pressekonferenz in Berlin stellten Onkologen der Charité Universitätsmedizin nun ihre Highlights des diesjährigen ASCO vor.

Personalisierte Medizin deutlich präsent

Nach der Beobachtung der Berliner Ärzte hat die Ära der personalisierten Medizin ganz deutlich in der Krebstherapie Einzug gehalten. Zielgerichtete Therapien, die bestimmte Komponenten von Signalwegen bei Krebszellen attackieren, dominieren zunehmend die Szene. Hierbei kommen zum einen Antikörper oder kleine chemische Moleküle zum Einsatz, die zudem nur bei Patienten eingesetzt werden, die gemäß ihrem genetischen Profil auch wirklich von der Behandlung profitieren können.

Für die Therapie von Eierstockkrebs stellte Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie an der Charité, die wichtigsten Höhepunkte vom ASCO vor. So seien mit dem Antikörper Bevacizumab (Hersteller Roche) und dem Kinasehemmer Enzastaurin (Lilly) vielversprechende Ergebnisse in verschiedenen Phase II-Studien erzielt worden. So habe sich das sogenannte „progressionsfreie Überleben“ statistisch im Schnitt um vier Monate gesteigert. Bei der Behandlung von wiederkehrenden Eierstockkrebs sei die Präsentation der OCEANS-Studie eines der Highlights des ASCO gewesen, so Sehouli. Die Zulassungsstudie habe ein „beeindruckendes Ansprechen“ des Medikamentes Bevacizumab gezeigt (progressionsfreies Überleben vom über 12 Monaten). Zudem habe das Mittel offenbar nur wenige Nebenwirkungen verursacht, weshalb der Antikörper bereits von einigen Medizinern als vielversprechende neue Therapieoption zur Behandlung von wiederkehrendem Eierstockkrebs gehandelt wird.

Hin zu Therapien mit weniger Nebenwirkungen

Steffen Weikert, stellvertretender Direktor von der Klinik für Urologie an der Charité, stellte bedeutsame Ergebnisse für die Anwendungsgebiete Prostata- und Nierenkrebs vor. Charakteristisch bei Nierenzellkarzinomen: Es sprießen zahlreiche neue Blutgefäße aus, die die Tumorzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen. Hier setzen Krebsmediziner mittlerweile den Hebel für eine zielgerichtete Therapie an. Im Visier stehen sogenannte Tyrosinkinasen in den Krebszellen, dort sind diese Enzyme für die Weiterleitung zellulärer Signale wichtig. „Einige Studien haben gezeigt, dass die neueste Generation von Tyrosinkinasehemmern effizienter ist und weniger toxisch“, so Weikert. Hervor hob Weikert die Studiendaten zum kleinen chemischen Wirkstoffmolekül Axitinib (Pfizer). Von dem Tyrosinkinasehemmer konnten in einer Phase III-Studie offenbar Patienten profitieren, bei denen andere Therapien nicht mehr ansprechen. Allerdings sei auch der Einsatz dieses Medikaments nicht ohne Nebenwirkungen zu haben. Trotzdem sieht Weikert die Nierenkrebsmedizin auf einem guten Weg. „Offenbar sind derzeit unsere Möglichkeiten, den Tumor zu blockieren, ausgereizt. Jetzt richten wir unsern Blick vor allem auf die Verbesserung der Lebensqualität.“

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Überraschungen bei Darmkrebs

Auch beim Thema Darmkrebs hielt der ASCO Überraschungen bereit, berichtete Hanno Riess vom Zentrum für Tumormedizin der Charité. So haben Forscher neue Erkenntnisse zur Rolle von Mutationen in dem Molekül kras gewonnen, die es erlauben, die Therapie künftig besser maßzuschneidern. Bisher galt die Meinung, dass Patienten mit einer Mutation im kras-Gen nicht von einer Therapie mit sogenannten Anti-EGFR-Antikörpern profitieren können. Nun haben Forscher jedoch gezeigt: Eine Gruppe von Patienten, bei der eine kras-Mutation an einer ganz bestimmten Gen-Region (Exon 13) sitzt, kann doch von den EGFR-Hemmern profitieren. „Insgesamt hat der ASCO wieder verdeutlicht, dass wir uns mehr und mehr wegbewegen vom Blick auf organspezifische Krebsarten hin zu einem individuellen Krebsprofil von Patienten.“

In einer anschließenden Podiumsdiskussion betonten die Berliner Krebsexperten, dass die komplexe und kostenintensive Behandlung von Krebspatienten in spezialisierte Zentren gehöre und nicht in jedwedes Krankenhaus. "Nur solche Zentren können die geeignete Infrastruktur für die richtige Anwendung der teuren Krebsmedikamente schaffen", betonte Weikert. Werner Lichtenegger, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde am Charité-Campus Mitte, unterstützte diese Ansicht und brachte seine Sicht auf den Punkt:"Krebspatienten sollten sich Studien-Kliniken für ihre Behandlung aussuchen und an Studien teilnehmen- denn dann leben sie länger".

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