Wachsen in 3D: Gerüste für Zellkulturen entwickelt

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Zelle im Zweikomponenten-Polymergerüst. Die Fotomontage basiert auf einer Raster-Elektronen-Mikroskop- und einer Laser-Scanning-Mikroskop-Aufnahme. Quelle: CFN

23.03.2011  - 

Wenn sie „Zellkultur“ hören, denken die meisten Menschen an Petrischalen: Flache zweidimensionale Plastikschälchen, in denen nebeneinander geordnet neue Zellen heranwachsen. Wer aber dreidimensionales Gewebe braucht, für den sind solche Kulturen ungünstig. Forscher um Martin Bastmeyer vom Institut für funktionelle Nanostrukturen am Karlsruher Institute for Technology (KIT) haben jetzt einen Weg gefunden, die Zellen mithilfe eines speziellen Gerüsts auch dreidimensional wachsen zu lassen. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachmagazin Advanced Materials (2011, Vol 23, Ausgabe 11, S. 1341-1345) berichtet.

Zellen in Kultur wachsen fast immer am Boden ihrer Schale, eine liegt neben der anderen wie Pflastersteine auf einer Straße. „Monolayer“ nennen Wissenschaftler wie Bastmeyer diese zweidimensionale Anordnung. Im Körper hingegen sind die Zellen räumlich organisiert. Dreidimensionale Zellkulturen sollen die flexible dreidimensionale Wirklichkeit simulieren, in der Zellen normalerweise heranwachsen.

In der Krebsforschung setzt man bereits auf kugelförmige Zellkulturen, um Medikamente realistischer testen zu können. Denn während Tumormedikamente in der nebeneinander angeordneten Zellkultur fast 100 Prozent der Krebszellen töten, sind sie bei Patienten

Die Aufnahme der Zelle im Zweikomponenten-Polymergerüst entstand mithilfe eines Laser-Scanning-Mikroskops (LSM). Grün gefärbt ist das Zytoskelett der Zelle, weiß wiedergegeben werden Teile des Zweikomponenten-Polymergerüstes, die "Zellgriffe" sind rot koloriert.Lightbox-Link
Die Aufnahme der Zelle im Zweikomponenten-Polymergerüst entstand mithilfe eines Laser-Scanning-Mikroskops (LSM). Grün gefärbt ist das Zytoskelett der Zelle, weiß wiedergegeben werden Teile des Zweikomponenten-Polymergerüstes, die "Zellgriffe" sind rot koloriert.Quelle: CFN
wesentlich weniger erfolgreich: Die Kugelform schützt die inneren Tumorzellen. Eine Münchener Firma lässt sich das Kugelverfahren gerade patentieren (mehr...).

Zellen nicht zufällig wachsen lassen

Zwar existieren bereits zahlreiche Ansätze für dreidimensionale Zellkulturen, meist auf der Basis von Agarose, Matrigel oder Kollagenfasern. „Diese sind aber meist heterogen zusammengesetzt und weisen zufällige Porengrößen auf. Strukturell und biochemisch sind sie damit schlecht charakterisiert“, erläutert Bastmeyer das Grundproblem bisheriger Modelle.

Das Ziel der Karlsruher Forschungsgruppe war es nun, definierte dreidimensionale Substrate zu entwickeln – also Wachstumsgerüste, die jede einzelne Zelle in eine ganz bestimmte Form wachsen lassen. „Zellen sollen sich darin nicht zufällig, sondern an ganz bestimmten Stellen anheften“, so der Forscher. „damit lassen sich Parameter wie Zellform, Zellvolumen, intrazelluläre Kraftentwicklung oder zelluläre Differenzierung in Abhängigkeit von der äußeren Geometrie der Umgebung bestimmen.“

Gerüst mit Haltegriffen

Das Zweikomponenten-Polymergerüst, das die Forscher entwickelt haben, besteht aus einem flexiblen, proteinabweisenden Polymer sowie kleinen quaderförmigen Griffen aus einem proteinbindenden Material. Entstanden ist dieses Gerüst mit dem Verfahren des direkten Laserschreibens (DLS),

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das von den Physikern Martin Wegener und Georg von Freymann, die ebenfalls am CFN arbeiten, entwickelt wurde. Damit wurde zunächst eine proteinabweisende Struktur aus Pfosten erstellt, die jeder 25 millionstel Meter (Mikrometer) hoch sind. Diese Pfosten sind durch dünne Streben miteinander verbunden. „In einem zweiten Schritt wurden genau in der Mitte der Sprossen die Haftgriffe aus den Proteinquadern platziert“, so Bastmeyer. Einzelne Zellen besiedeln dann innerhalb von zwei Stunden das Gerüst und heften sich ausschließlich an diese Proteingriffe. Die Wissenschaftler haben damit zum ersten Mal eine Struktur hergestellt, mit der das Aussehen der Zellen auch dreidimensional genau kontrolliert und beeinflusst werden kann.

Die am CFN entwickelten Gerüste für eine dreidimensionale Zellkultur sind Grundlagenforschung. Das CFN wurde 2001 gegründet und wird im Rahmen der Exzellenzinitiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert (mehr...). Dennoch haben die Wissenschaftler die Anwendung ihrer Forschungsergebnisse bereits im Blick. Indem sie verstehen, wie die natürliche Umgebung im dreidimensionalen Raum das Verhalten von Zellen beeinflusst, hoffen sie, in großem Maßstab dreidimensionale Wachstumsumgebungen für Zellkulturen schaffen zu können. Das könnten dann wiederum Wissenschaftler nutzen, die damit Gewebekulturen für die regenerative Medizin schaffen können.


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