Wochenrückblick KW 03

24.01.2011

Hamburger Biomediziner züchten frisches Lebergewebe

Transplantationsmedizinern aus Hamburg ist es gelungen, menschliche Leberzellen zu Ersatzgewebe im Labor heranzuzüchten.

Darüber berichtet das Team um Jörg-Matthias Pollok vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Fachjournal Liver Transplantation (2011, Online-Vorabveröffentlichung). Die Arbeitsgruppe sucht nach neuen therapeutische Möglichkeiten für Menschen, die frisches Lebergewebe benötigen. Das betrifft etwa Menschen mit einer chronischen Stoffwechselerkrankung der Leber oder Patienten mit einem akuten Organversagen. Mit Hilfe des Verfahrens könnten zukünftig mehrere Patienten mit den Zellen von nur einer Spenderleber behandelt werden, berichten die Forscher um Pollok.

Wissenschaftler weltweit arbeiten an Techniken zur Züchtung von Lebergewebe, unter anderem mit tierischen Zellen und menschlichen Zelllinien aus dem Labor. Auch in Deutschland sind mehrere Arbeitsgruppen der Züchtung von Lebergewebe auf der Spur (mehr...). Das Verabreichen von Leberzell-Lösungen gilt hierbei als Alternative zur Transplantation von Spenderlebern. Da die Zellkulturen aber häufig bei der Aufbewahrung in Gefrierschränken Schaden nehmen, ist diese Methode bislang wenig erfolgreich.

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„Neu an unserer Forschung ist, dass wir aus menschlichem Lebergewebe frische, neue Zellen gewonnen haben, und diese zur Gewebeanzucht verwenden“, so Pollok. Pollok und Kollegen isolierten ihre „primären Hepatozyten“ aus mehreren Proben Lebergewebe. Sie kultivierten die Zellen auf einem synthetischen Stützmaterial, das sich nach einer Weile von selbst auflöst. Nach einigen Tagen beobachteten die Forscher, dass sich auf dem Trägermaterial kugelige Gewebeverbände bildeten, die Lebergewebe ähnelten und auch so funktionierten. „Sie produzierten beispielsweise die organtypischen Eiweiße Albumin und alpha1-Antitrypsin“, erläutert der Mediziner. Die Hoffnung sei, dass sich mit dem schon vor der Transplantation gezüchteten Lebergewebe bessere Ergebnisse erzielen lassen als mit den bisherigen Zell-Lösungen. Bis zur klinischen Anwendung wird es nach Ansicht der Forscher allerdings noch einige Jahre dauern.

Kernstrategie von Grippeviren aufgeklärt

Ein Team von Wissenschaftlern aus Tübingen und Großbritannien hat aufgeklärt, wie bestimmte Proteine den Grippeviren ihren Weg in den Kern von Wirtszellen bahnen.

Einmal im Zellkern angekommen, können die Viren gefährliche Infektionen in Gang setzen. Mit Hilfe der neuen Erkenntnissen ließen sich womöglich Strategien entwickeln, um den Viren diesen Zugang zum Zellkern künftig zu versperren.

H5N1 oder H1N1 - auch bekannt als die Erreger von Vogel- und Schweinegrippe -  haben in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Diese Viren sind hoch spezialisierte Parasiten.

Die Tübinger Forscher haben untersucht, wie sich Grippe-Viren ihren Weg in den Zellkern bahnen.Lightbox-Link
Die Tübinger Forscher haben untersucht, wie sich Grippe-Viren ihren Weg in den Zellkern bahnen.Quelle: U.S.Center for Disease Control
Um sich zu vermehren, müssen sie in den Zellkern der Wirtszellen eindringen. Grippeviren der Gattung Influenza A stellen für den Menschen dabei eine besondere Bedrohung dar. Ihre verschiedenen Varianten können nämlich Artgrenzen überspringen, dass heißt, eine Infektion mit diesen Viren ist auch durch Tiere wie Schweine oder Vögel möglich. Ein Team von Wissenschaftlern, zu denen auch zwei Forscherinnen des Universitätsklinikums Tübingen gehören, hat nun eine Studie zu den Kernstrategien dieser Grippeviren in der Fachzeitschrift Nature Communications (2011, Online-Veröffentlichung) veröffentlicht. Darin berichten sie von einer bestimmten Proteingruppe, die dem Virus einen Weg in den Zellkern seiner Wirtszelle bahnt.  Mittlerweile sind sechs verschiedene Typen dieser sogenannten Importine bekannt.

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Dass Viren in solchem Maße abhängig von diesen Molekülen sind, war bisher noch nicht bekannt. Die Forscher haben nachgewiesen, dass für die Infektion des Menschen mit Influenza-A-Viren die Protein-Variante Importin-alpha 7 eine entscheidende Rolle spielt. „In dieser Studie konnten wir erstmals zeigen, dass die Empfänglichkeit für eine Virusinfektion durch Abschaltung ganz spezifischer zellulärer Proteine reduziert werden kann“, sagt Karin Klingel von der Universität Tübingen, die zusammen mit Martina Sauter an der Arbeit beteiligt war. Lässt sich das Protein nun vorübergehend ausschalten, könnte dies von therapeutischen Nutzen sein, da so die weitere Ausbreitung der Infektion verhindert werden kann. Die Forscher konnten dies bereits an Experimenten mit Mäusen bestätigen. Desweiteren belegt die Studie, dass die Importine eine entscheidende Rolle spielen, ob ein Virus nun einen Vogel, ein Schwein oder einen Menschen als Wirt wählt. „Unsere Arbeit macht deutlich, wie Viren auf die verschiedenen Importinvarianten reagieren und dass diese Unterschiede entscheidend dafür sind, welchen Wirt ein Virus infizieren kann“, sagt die Molekularbiologin Klingel.

17 Top-Forscher erhalten Millionenförderung vom ERC

17 Top-Biowissenschaftler an deutschen Forschungseinrichtungen erhalten eine millionenschwere Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC).

Der ERC hat mittlerweile die komplette Liste der etablierten Forscher veröffentlicht, die sich über einen „Advanced Grant“ in Höhe von im Schnitt 2,5 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre freuen dürfen. Insgesamt 590 Millionen Euro standen dem ERC in der dritten Ausschreibungsrunde zur Verfügung, 266 der eingereichten Anträge erhielten nun eine Förderzusage, mehr als ein Drittel (99) davon aus den Life Sciences.  17 Spitzenforscher aus den Lebenswissenschaften an deutschen Forschungseinrichtungen bekamen diesmal den Zuschlag. Der Europäische Forschungsrat fördert mit den ERC-Advanced Grants Forschungsprojekte mit Pionier-Charakter von erfahrenen Wissenschaftlern,  die zur Spitze der Scientific Community zählen. Dabei werden besonders innovative und riskante Forschungsvorhaben unterstützt, die auf internationalen Kooperationen aufbauen. Nun ist Ende Oktober 2010 die vierte Ausschreibungsrunde gestartet (mehr...). Forscher in den Biowissenschaften müssen bis 10. März 2011 ihre Anträge einreichen. Der ERC ist eine 2007 von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung von grundlagenorientierter Forschung.

ArbeitsgruppenleiterForschungseinrichtung
Prof. Peer BorkEMBL Heidelberg
Prof. Patrick CramerLMU München
Prof. Bruce A. EdgarUniversität Heidelberg
Prof. Gerhard KlebeUniversität Marburg
Prof. Christoph KleinMHH Hannover
Prof. Nils-Göran LarssonMax-Planck-Institut für Biologie des Alterns, Köln
Prof. Werner MüllerUniversität Mainz
Prof. Klaus Armin NaveMax-Planck-Institut für exp. Medizin, Göttingen
Prof. Klaus PantelUniklinikum Hamburg-Eppendorf
Prof. Linda PartridgeMax-Planck-Institut für Biologie des Alterns, Köln
Prof. Holger PuchtaKarlsruher Institut für Technologie
Prof. Andreas RadbruchDt. Rheuma-Forschungszentrum,Berlin
Prof. Klaus Rajewski Max-Delbrück-Centrum,Berlin
Prof. Erez Raz Universität Münster
Prof. Dirk TraunerLMU München
Prof. Herbert WaldmannMax-Planck-Institut für Mol. Physiologie, Dortmund
Prof. Alfred WittinghoferMax-Planck-Institut für Mol. Physiologie, Dortmund

 Quelle: ERC, 2011; komplette Liste (pfd-download)

Innovationswettbewerb für Systembiologie gestartet

Mit einem Innovationswettbewerb will das Bundesforschungsministerium den Einzug systembiologischer Methoden in Forschung und Anwendung weiter vorantreiben.

Dazu hat das BMBF nun den „e:Bio-Innovationswettbewerb Systembiologie“ gestartet. Der Wettbewerb soll dem Fach einen weiteren Schub verschaffen, damit es  einen noch stärkeren Beitrag zur  Lösung gesellschaftlich relevanter Probleme leisten kann. Bei der Systembiologie, einem sich rasant entwickelnenden Wissenschaftszweig, haben Forscher das große Ganze von biologischen Systemen im Blick (mehr...). Aus diesem Grund arbeiten hier Ingenieurwissenschaftler, Informatiker und Lebenswissenschaftler eng zusammen.

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News: Systembiologie-Konferenz - Jung, dynamisch und mit dem Blick für das Ganze

biotechnologie.tv Folge 43: Interview mit Systembiologie-Nachwuchsforscherin

Mathematische Modelle, gespeist aus experimentellen Daten, bilden den Kern der Systembiologie. Sie erlauben es, komplexe biologische Systeme zu simulieren und Vorhersagen über ihr Verhalten zu machen. Seit 2004 fördert das BMBF die Systembiologie mit einem dreistelligen Millionenbetrag und hat eine Reihe an Initiativen gestartet (mehr...). Der nun aufgelegte "e:Bio-Innovationswettbewerb" soll die internationale Führungsposition in der Systembiologie weiter stärker. Er ist in drei Module aufgeteilt, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten:

 

Modul I: Der „Ideenwettbewerb national“ fokussiert auf innovative Systembiologie-Projekte deutscher Forschergruppen, die für einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren unterstützt werden können. Die Themenauswahl ist innerhalb des inhaltlichen Spektrums der Rahmenprogramme Bioökonomie und Gesundheitsforschung vorzunehmen. Der Ideenwettbewerb findet einmalig statt.

 

Modul II: Das Modul „Transfer“ hat zum Ziel, Forscherverbünde aus Akademie und Wirtschaft zu fördern und damit den systembiologischen Forschungsansatz stärker in die Anwendung zu bringen. Projekte sollten auf drei Jahre ausgelegt sein. Bewerbungen sind in drei Ausschreibungsrunden möglich.

 

Modul III: Das Modul „Nachwuchs“ hat junge Forscher im Blick. Die Förderung soll es promovierten Wissenschaftlern ermöglichen, im Rahmen von fünf Jahren eigene Systembiologie-Forschungsvorhaben umzusetzen. Bewerbungen sind in drei Ausschreibungsrunden möglich.

 

Bei Modul I und II sind Forscher aus Hochschulen und Fachhochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, angesprochen. Modul III richtet sich an Nachwuchswissenschaftler aus Hochschulen oder außeruniversitären Einrichtungen.

Integriert in die Förderung des e:Bio-Innovationswettbewerbs sind jährliche Statusseminare, die für alle Mittelempfänger verpflichtend sind und den Austausch der Forschergruppen fördern sollen. Projektskizzen für die ersten Ausschreibungen aller drei Module sind beim Projektträger Jülich einzureichen. Bewerbungsfrist ist der 2. Mai 2011.

 

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Software übernimmt tagelanges Mikroskopieren

Forscher vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg haben eine intelligente Mikroskopier-Software entwickelt, die Zellbiologen das extrem zeitraubende Durchmustern von Proben abnehmen kann.

Mühsame Messreihen unter dem Mikroskop erledigt die intelligente Software aus Heidelberg automatisch im Alleingang.Lightbox-Link
Mühsame Messreihen unter dem Mikroskop erledigt die intelligente Software aus Heidelberg automatisch im Alleingang.Quelle: EMBL

Über die Anwendung mit dem Namen „Micropilot“ berichten die Forscher im Fachjournal Nature Methods (2011, Online-Vorabveröffentlichung). Das neue Programm der EMBL-Forscher Jan Ellenberg und Rainer Pepperkok besticht durch seine Lernfähigkeit: Es kann schnell erfassen, welche Zelle oder Zellstruktur ein Experimentator gerade im Visier hat. Dann instruiert das Programm das Mikroskop, das Experiment zu starten - etwa  hochauflösende Aufnahmen über einen gewissen Zeitraum hinweg. Wie die Forscher schreiben, eignet sich der Micropilot-Einsatz insbesondere für systembiologische Analysen.

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News: 200.000 Videos zur Zellteilung

News: Extrascharf - Der digitale Fliegen-Embryo im 3D-Video

Das haben die Heidelberger eindrucksvoll dokumentiert: Sie ließen das automatische Programm das Verhalten von 232 Zellen nachverfolgen. Der Micropilot benötigte dazu 4 Tage am Stück, ohne dass menschliche Hilfe nötig war.  Ein erfahrener Experimentator hätte das gleiche Experiment erst in einem  Monat bewältigt. Wie die Forscher schreiben, kann ihr intelligenter Mikroskopierassistent damit wesentlich einfacher und rascher Daten erzeugen, die statistische Auswertungen belastbarer machen. Die Zellforscher wollen ihr neues Werkzeug bei den europäischen Systembiologie-Projekt Mitosys und SystemsMicroscopy einsetzen. Die Micropilot-Software stellen Ellenbarg und Pepperkok frei zur Verfügung (mehr Infos: hier klicken)

Gentest zeigt Metastase-Risiko bei Darmkrebs an

Ein Münchner Forscherteam hat einen Gentest entwickelt, der Darmkrebspatienten anzeigt, ob sie nach einer Therapie einen Rückfall befürchten müssen oder nicht.

Dieses Wissen hat wichtige Konsequenzen hinsichtlich einer chemotherapeutischen Nachbehandlung. Während ein Großteil der Patienten mit Darmkrebs nach einer erfolgreichen Operation als geheilt gilt, tritt die Erkrankung bei  20 bis 30 Prozent der Patienten erneut auf. Das Risiko, wieder zu erkranken, ist bei verschiedenen Patienten sehr unterschiedlich.

Der neue Gentest hilft dabei, das Risiko zu bestimmen, ob ein Darmtumor streut.Lightbox-Link
Der neue Gentest hilft dabei, das Risiko zu bestimmen, ob ein Darmtumor streut.
Patienten eine klare Empfehlung über die weitere Behandlung nach einer Operation zu erteilen, ist daher schwierig. Zusammen mit dem niederländischen Biotechnologie-Unternehmen Agendia ist den Wissenschaftlern um Robert Rosenberg, Oberarzt in der Chirurgischen Klinik des Klinikums rechts der Isar, nun offenbar das gelungen, was Forscher schon seit einigen Jahren zu entwickeln versuchen: Einen Test, der das Wiederauftreten von Darmkrebs im Stadium II, wenn also noch keine Lymphknoten- und Fernmetastasen vorhanden sind, vorhersagt. Derzeit werden die Ergebnisse ihrer Arbeit in einer internationalen klinischen Studie überprüft, über erste Ergebnisse haben sie auf einem Krebskongress in den USA berichtet. Robert Rosenberg: „Unsere Erkenntnisse machen uns Mut, dass wir Darmkrebspatienten in Zukunft klarere Behandlungsempfehlungen geben können.“ Funktioniert der sogenannte ColoPrint-Test wie erwartet, könnte man vielen Patienten Entwarnung geben - einige aber, denen der Test ein hohes Rückfallrisiko zuschreibt, könnten dann von einer Chemotherapie profitieren.

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Förderbeispiel: Darmkrebs erkennen, bevor er entsteht

News: Wichtiger Signalweg bei Darmkrebs ausgehebelt

Im Klinikum rechts der Isar wurden operierte Darmkrebspatienten mit einem Genchip-basierten Test untersucht. Dabei wurden gezielt 18 Gene untersucht, denen eine Verbindung zur Neubildung von Metastasen zugesprochen wird. Ein daraus errechneter Wert gibt Medizinern und Patienten Auskunft, ob ein hohes oder geringes Risiko eines Rückfalls besteht. Die Ergebnisse von 135 untersuchten Proben zeigten eine hohe Trefferquote des Gen-Signaturtests: 73 Prozent der Patienten wurde ein geringes Risiko vorhergesagt. In dieser Gruppe erkrankten nur fünf Prozent innerhalb von fünf Jahren. Von den 27 Prozent mit hohem Risiko entwickelten dagegen 20 Prozent Metastasen. Rosenberg ist optimistisch: „Patienten sollen nach einer Operation nur eine Chemotherapie erhalten, wenn sie auch einen Vorteil davon haben“, sagt er. In den weiteren  klinischen Studien muss sich nun zeigen, ob sich der ColoPrint-Test tatsächlich für den Routine-Einsatz eignet.